Whistleblower – BaFin richtet Meldeplattform für Finanzdienstleistungsbranche ein

RA/FAArbR Dr. André Zimmermann LL.M., Partner, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf/München

RA/FAArbR Dr. André Zimmermann LL.M., Partner, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf/München

Hinweise von Insidern sind oft entscheidend für die Aufdeckung von Corporate Wrongdoing. Um solche Hinweise zu erleichtern, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Anfang Juli eine zentrale Meldeplattform für – potentielle oder tatsächliche – Verstöße von Finanzdienstleistern gegen Aufsichtsrecht eingerichtet. Ausdrücklich vorgesehen ist, dass Mitarbeiter, die eine Meldung machen, hierfür weder nach arbeitsrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht noch zu Schadensersatz herangezogen werden dürfen. Das dreht für das Arbeitsrecht die geltende Rechtslage um.

„Der größte Schuft im eigenen Land …

Ganz anders als in der angloamerikanischen Wirtschaftspraxis – etwa in Großbritannien durch den Public Interest Disclosure Act (PIDA) und in den USA durch den Whistleblower Protection Act und den Sarbanes-Oxley Act (SOX) – ist der Schutz von Whistleblowing in der deutschen Rechtskultur nicht verwurzelt, was sich historisch erklären lässt. Es existieren daher keine allgemeinen gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Whistleblowern. Nur vereinzelt gibt es Sondervorschriften, etwa für Beamte und Soldaten und im Bereich des Arbeitsschutzes.

Bislang sind alle Initiativen zur Festschreibung eines allgemeinen gesetzlichen Schutzes von Whistleblowern gescheitert. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD immerhin vereinbart, zu prüfen, ob die internationalen Vorgaben beim Hinweisgeberschutz „hinreichend umgesetzt sind“. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass in dieser Legislaturperiode noch das Ergebnis dieser Prüfung präsentiert wird, geschweige denn ein Gesetzentwurf.

… ist und bleibt der Denunziant.“(?)

Whistleblower werden in Deutschland nicht nur vom Gesetz nicht besonders geschützt. Sie werden aus Sicht mancher sogar bestraft: Trägt ein Arbeitnehmer unternehmensinterne Missstände ohne den Versuch einer vorangehenden internen Klärung nach außen, kann darin nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten liegen – und damit ein Kündigungsgrund.

Jedenfalls für die Erstattung einer Strafanzeige verlangt das BAG den Versuch einer vorherigen internen Klärung, sofern das dem Arbeitnehmer nicht ausnahmsweise unzumutbar ist, etwa bei vom Arbeitgeber begangenen Straftaten oder wenn der Arbeitgeber nach internem Hinweis nicht für Abhilfe sorgt. Ist die grundsätzlich vorrangige interne Klärung zumutbar, kann eine voreilige Strafanzeige (oder eine sonstige Anzeige bei einer Behörde) ein Grund zur ordentlichen oder auch zur außerordentlichen Kündigung sein.

Letztlich geht es dabei um eine Interessenabwägung, namentlich der Berufsfreiheit des Arbeitgebers gegen die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers. Nach der grundlegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Sache Heinisch (Urteil vom 21.07.2011 – 28274/08) hat die Meinungsfreiheit inzwischen einen höheren Stellenwert bekommen: Man wird im Rahmen der Interessenabwägung nicht stets von einer leichtfertigen und damit pflichtwidrigen Anzeige ausgehen können, wenn sich die Vorwürfe eines Mitarbeiters später als unzutreffend herausstellen.

„Panama-Papers“ und „Luxleaks“

In der jüngsten Vergangenheit wurden in der Finanzbranche umstrittene Geschäftspraktiken von Whistleblowern aufgedeckt, unter anderem über Briefkastenfirmen in Panama und Steuerpraktiken von Unternehmen mit Sitz in Luxemburg. Zwei ehemalige Mitarbeiter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hatten die „Luxleaks“-Publikationen angestoßen, indem Sie interne Dokumente an einen Journalisten weitergaben. Sie wurden Ende Juni 2016 in Luxemburg zu Bewährungsstrafen verurteilt; der Journalist wurde freigesprochen. Das hat die Diskussion um den Schutz von Whistleblowern weltweit befeuert.

Die neue zentrale Meldestelle

Besseren Schutz von Whistleblowern in der deutschen Finanzbranche soll nun die zentrale Meldeplattform der BaFin bieten. Grundlage der neuen Meldestelle ist der neu eingefügte § 4d Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG), der der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Europäischen Finanzmarktes dient und die BaFin verpflichtet, ein solches Meldesystem einzurichten.

Mitarbeiter von Instituten, die der BaFin unterstehen, können Meldungen schriftlich, telefonisch, elektronisch oder im persönlichen Gespräch abgeben. Sie müssen sich nach dem Wortlaut der Regelung nicht zuvor um interne Abhilfe bemühen, so dass ein unterbliebener interner Abhilfeversuch keinen kündigungsrelevanten Verstoß gegen Rücksichtnahmepflichten darstellt. Im Übrigen ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass eine interne Klärung unzumutbar ist, wenn es sich um Straftaten handelt, die der Arbeitgeber selbst begangen hat, oder wenn die Beseitigung vom Arbeitgeber objektiv nicht zu erwarten ist.

Den Mitarbeitern sollte klar gemacht werden, dass sich dieses Melderecht nur auf Verstöße gegen Aufsichtsrecht bezieht und dass sonstige Sachverhalte und Kritik intern mit den bekannten Ansprechpartnern (HR, Compliance, Geschäftsleitung) zu klären ist.

Schutz der Identität der Hinweisgeber

4d Abs. 3 FinDAG sieht vor, dass die Identität einer Person, die eine Meldung erstattet hat, nicht bekanntgemacht wird, ohne zuvor die ausdrückliche Zustimmung dieser Person eingeholt zu haben. Ferner darf die BaFin die Identität einer Person, die Gegenstand einer Meldung ist, nicht preisgeben. Das gilt nur dann nicht, wenn eine Weitergabe der Information im Kontext weiterer Ermittlungen oder nachfolgender Verfahren auf Grund eines Gesetzes erforderlich ist oder wenn die Offenlegung durch einen Gerichtsbeschluss oder in einem Gerichtsverfahren angeordnet wird.

Dementsprechend genießt der Schutz der Hinweisgeber nach der Pressemitteilung der BaFin „höchste Priorität“. Die Hinweisgeber sollen sicher sein können, dass ihnen aus der Meldung bei der BaFin keine Nachteile entstehen, wenn sie ihre Identität zu erkennen geben.

Daneben besteht die Möglichkeit, Meldungen anonym abzugeben. Das schreibt § 4d Abs. 1 Satz 2 FinDAG ausdrücklich vor.

Schutz der Hinweisgeber vor arbeitsrechtlichen Sanktionen

 

4d Abs. 6 FinDAG soll Mitarbeiter von Finanzinstituten umfassend vor rechtlichen Sanktionen schützen. Danach dürfen Mitarbeiter, die eine Meldung abgeben, wegen dieser Meldung weder nach arbeitsrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht noch zum Ersatz von Schäden herangezogen werden, es sei denn, die Meldung ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr abgegeben worden.

Gutgläubige Mitarbeiter werden daher umfassend geschützt, vor allem gegen außerordentliche oder ordentliche Kündigungen. Neben weiteren unmittelbaren arbeitsrechtlichen Sanktionen (z.B. Abmahnung, Versetzung, Entgeltkürzung) werden auch mittelbar benachteiligende Maßnahmen unzulässig sein (z.B. Ausschluss von Bonuszahlungen).

Wird der Mitarbeiter gleichwohl wegen einer Meldung gemaßregelt, ist die entsprechende Maßnahme nichtig (§ 134 BGB). Gegebenenfalls kann dem Mitarbeiter auch ein Schadensersatzanspruch zustehen aus § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4d Abs. 6 FinDAG.

Darüber hinaus darf die Berechtigung zur Abgabe von Meldungen durch Mitarbeiter vertraglich nicht eingeschränkt werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam. Das wird sowohl für Vereinbarungen in Arbeitsvertrag gelten als auch für Policies und Betriebsvereinbarungen, die die gesetzlichen Meldeberechtigungen der Mitarbeiter begrenzen.

Alle Kommentare [1]

  1. Das ist ein richtiger Schritt. Leider betrifft es eben nur diese Branche. Als ich als Beamter Straftaten meiner Vorgesetzten anzeigte, wurde ich hingegen mit einem Strafverfahren und Disziplinarverfahren wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen überzogen. Denn Beamte sind nur geschützt, wenn sie Korruptionsstraftaten anzeigen, nicht aber sonstige Straftaten.