Warranty & Indemnity-Insurances im M&A-Markt – ein Überblick

RA Dr. Thyl N. Haßler / RA Dr. Murad M. Daghles, Allen & Overy LLP, Düsseldorf

RA Dr. Thyl N. Haßler / RA Dr. Murad M. Daghles, Allen & Overy LLP, Düsseldorf

In Private Equity-Transaktionen sind sie bereits ein fester Bestandteil und auch außerhalb der Private – Equity Szene haben sie sich als Bestandteil vieler erfolgreicher M&A-Transaktionen etabliert: Warranty & Indemnity-Insurances (im Folgenden W&I-Versicherungen). W&I-Versicherungen haben ihre Wurzeln im anglo-amerikanischen Markt. Dort haben sie sich während der letzten zwei Jahrzehnte bewährt, während sie inzwischen auch vermehrt in anderen Jurisdiktionen, insbesondere in Deutschland, angeboten werden.

W&I-Versicherungen decken Risiken in Bezug auf die vom Verkäufer oder Garanten im Unternehmenskaufvertrag zugunsten des Käufers abgegebenen Gewährleistungs- und Schadloshaltungs­versprechen ab. Sie sind bei M&A-Transaktionen ein probates Mittel, gegenläufige Interessen der Parteien im Hinblick auf Gewährleistungs- und Schadloshaltungsversprechen zu einem praktischen Ausgleich zu bringen.  Eine W&I- Versicherung kann sowohl bei einem Share Deal als auch beim Asset Deal eingezogen werden, wobei sich ein Anstieg der Absicherung von M&A-Transaktionen durch W&I-Versicherungen insbesondere bei Immobilientransaktionen feststellen lässt.

Grundsätzlich kann eine W&I-Versicherung als Käufer und als Verkäuferpolice konzipiert werden. Die verkäuferseitige W&I-Versicherung ist eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für den Verkäufer. Diese deckt zunächst Haftungsansprüche des Käufers oder eines Dritten aus dem Unternehmenskaufvertrag ab, die infolge der Verletzung, Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit von Zusicherungen oder Garantien des Verkäufers entstanden sind. Ferner deckt sie – als Haftpflichtversicherung – auch die Kosten für die Abwehr unbegründeter Ansprüche ab. Der Verkäufer als Versicherungsnehmer hat im Schadensfall einen Anspruch gegen die Versicherung auf Freistellung von Ansprüchen des Käufers.

Die käuferseitige W&I-Versicherung ist eine Vermögens-Eigenschadenversicherung, die der Käufer im Rahmen einer Transaktion selbst abschließt und die ihn vor bestimmten Schäden des eigenen Vermögens schützen soll. Der potentielle Entschädigungsanspruch des Käufers richtet sich dann direkt gegen den Versicherer, so dass den Käufer nicht das Risiko der Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegenüber dem Verkäufer trifft. Käufer-W&I-Versicherungen decken im Gegensatz zu Verkäufer-Policen im Prinzip auch vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben des Verkäufers ab (die W&I-Versicherung wird freilich versuchen, sich in diesem Fall beim Verkäufer schadlos zu halten). Käufer-Policen stellen mittlerweile die überwiegende Mehrheit der W&I-Versicherungen dar.

Der Markt der W&I-Versicherer hat sich in den letzten Jahren deutlich entwickelt, was zu einer erhöhten Anzahl an Anbietern und zu einem erhöhten Wettbewerb unter ihnen geführt hat. Seit Mai 2016 sind mindestens 16 Anbieter von W&I-Versicherungslösungen im europäischen Markt etabliert, wobei die überwiegende Anzahl der Anbieter auch im deutschen Markt aktiv ist.

Vermittelt werden W&I-Versicherungen durch spezialisierte Makler. Der Versicherungsmakler holt die Angebote bei den entsprechenden Versicherungen ein und kann somit bereits eine Vorauswahl treffen. Er führt erste Prüfungen der Angebote durch und stellt die Ergebnisse in einer Form zusammen, die eine schnelle und unkomplizierte Prüfung der Versicherungen ermöglicht. Weiterhin steht der Makler als Prozesskoordinator zwischen den Kaufvertragsparteien und der Versicherung zur Verfügung und kann insbesondere Hinweise auf Markstandards geben.

Eine W&I-Versicherung ist insbesondere in folgenden Konstellationen interessant:

  • Wenn der Verkäufer nicht bereit ist, (angemessene) Risiken aus geschäftsbezogenen Garantien zu übernehmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Private Equity-Investoren involviert sind. Zudem wenn Insolvenzverwalter oder natürliche Personen zum Verkäuferkreis gehören, die entweder nicht in der Lage sind, geschäftsbezogene Garantien zu übernehmen oder die persönliche Haftung scheuen.
  • Wenn die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen zweifelhaft ist, so z.B. (i) die Investmentstruktur nach dem Verkauf abgewickelt und beendet werden soll, (ii) der Verkäufer im (außereuropäischen) Ausland ansässig ist und daher eine potentielle Durchsetzung von Ansprüchen praktisch schwierig sein dürfte, (iii) der Verkäufer finanziell nicht leistungsfähig ist oder (iv) eine Absicherung durch einen bestimmten Geldbetrag auf einem Treuhandkonto nicht gewünscht ist, insbesondere um Verkaufserlöse direkt auskehren zu können.
  • Im Rahmen von Auktionsverfahren kann ein Käufer die Attraktivität des Angebots bzw. ein Verkäufer kann den Wettbewerb erhöhen. Mittlerweile sind derartige W&I-Versicherungen jedoch so etabliert, dass sich ein Mehrwert in Auktionsverfahren nur noch bedingt feststellen lässt.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine W&I-Versicherung eine Transaktion tatsächlich beschleunigen kann. Denn im Rahmen von Unternehmenstransaktionen ist eine der größten Herausforderungen die adäquate Risikoverteilung zwischen den Parteien. Mit dem Involvieren einer W&I-Versicherung kann allerdings keineswegs zu Lasten der Versicherung munter eine Vielzahl von Garantien abgegeben und versichert werden, die der Verkäufer nicht näher geprüft hat. Es darf auf keinen Fall zu einem etwaigen kollusiven Zusammenwirken von Käufer und Verkäufer zu Lasten der Versicherung kommen und auch jeder – ggf. auch falsche – entsprechende Eindruck ist zu verhindern. Die Garantien sind so zu verhandeln und abzugeben, wie sie abgegeben würden, wenn keine W&I-Versicherung abgeschlossen würde.

Die Vorteile einer W&I-Versicherung gehen einher mit einem zusätzlichen Aufwand durch die Involvierung der W&I-Versicherung. Der Garantiekatalog ist – nachdem er mit dem Verkäufer abgestimmt wurde – auch mit der W&I-Versicherung abzustimmen, die ebenfalls einen eigenen rechtlichen Berater involviert. In den letzten Jahren ist es diesbezüglich jedoch zu einer weiteren Professionalisierung sowohl auf Seiten der Versicherer als auch der Makler gekommen. Sowohl die Underwriter bei den Versicherungsgesellschaften als auch die Makler beherrschen die Transaktionsprozesse und stimmen den Versicherungsprozess auf die häufig anspruchsvollen Zeitschienen einer M&A-Transaktion ab. Auch viele Kaufvertragsparteien kennen sich mittlerweile hervorragend mit dem Prozess der Einbindung von W&I-Versicherungen aus. Bei Parteien, die den Prozess erstmalig durchführen, ist entscheidend, dass die übrigen Berater und Makler die Prozesse beherrschen und so die jeweilige Partei entsprechend leiten können. Anderenfalls kann der Prozess zäh und schwierig werden. Sofern für die Beteiligten der Abschluss einer W&I-Versicherung in Frage kommt, sollte diese jedenfalls zeitnah im Transaktionsprozess implementiert werden.

Bislang gab es noch keinen großen, öffentlich bekannten Schadensfall als Lackmustest für solche Versicherungen. Presseberichten ist zu entnehmen, dass sich derzeit ein Versicherungskonsortium um AIG und der japanische Baukonzern Lixil bei einem solchen Schadensfall im Nachgang des Erwerbs von Grohe durch Lixil und die japanische Development Bank of Japan gegenüberstehen. Die deutsche Holdinggesellschaft von Grohes chinesischer Tochter Joyou musste nach Abschluss der Transaktion nach Bekanntwerden von Bilanzfälschungen Insolvenz anmelden, wodurch ein Schaden in Höhe von EUR 270 Millionen entstanden sein soll.

Der Verlauf dieser Angelegenheit und die Art und Weise der Schadensregulierung dürfte auch Einfluss auf den W&I-Versicherungsmarkt in Deutschland haben. Interessant wird daher sicherlich sein, wie sich die Schadensabwicklung – insbesondere im Fall Grohe/Lixil – im Nachgang zu Unternehmenstransaktionen darstellen wird, zu der es zwangsläufig bei einer Zunahme von W&I-Versicherungslösungen vermehrt kommen wird.

 

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