Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten vertrauensvoll zusammen. So steht es im Gesetz und so ist es auch tatsächlich häufig. Was aber passiert bei Störfällen, d.h. wie kann der Arbeitgeber auf untragbares Verhalten eines Betriebsratsmitglieds reagieren? Das Arbeitsgericht Potsdam hatte jüngst in zwei Entscheidungen vom 28.07.2016 (1 BV 23/16, rkr., n.v.) und vom 10.08.2016 (8 BV 22/16, rkr., n.v.) Gelegenheit, hierzu auszuführen.
Klappmesser in der Ausschusssitzung
Im zugrundeliegenden Fall hatte der Betriebsratsvorsitzende in einer Ausschusssitzung mit einem Klappmesser hantiert und einem anderen Betriebsratsmitglied unvermittelt ins Bein gestochen. Die stark blutende Wunde bedurfte ärztlicher Behandlung, das Opfer wurde einige Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Arbeitgeber reagierte umgehend und beantragte beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung, die dieser verweigerte. Daraufhin beantragte der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht Potsdam die Ersetzung der Zustimmung und in einem Parallelverfahren (jedenfalls) den Ausschluss aus dem Betriebsrat. Was verbirgt sich dahinter?
Der Ausschluss aus dem Betriebsrat
Der Arbeitgeber kann gem. § 23 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat beantragen, wenn es seine gesetzlichen Pflichten „grob verletzt“ hat. Bei entsprechender Schwere reicht dafür ein einmaliger Vorfall. So war es hier: Das Arbeitsgericht Potsdam hat dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben. Der Betriebsratsvorsitzende habe seine gesetzliche Pflicht, Gesundheitsbeeinträchtigungen Dritter zu vermeiden, in strafbarer Art und Weise verletzt. Auch das in § 89 Abs. 1 BetrVG geforderte glaubwürdige Eintreten für Arbeitsschutz und Unfallverhütung sei bei ihm nicht mehr gewährleistet. Auf vorsätzliches Handeln komme es bei dem Herumfuchteln mit einem Messer nicht an, der Ausschluss wäre selbst ohne Verletzung gerechtfertigt gewesen. Einer vorherigen betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung bedürfe es in keinem Fall.
Die fristlose Kündigung
Das ausgeschlossene Betriebsratsmitglied bleibt beschäftigt (und kann bei der nächsten Wahl sogar wiedergewählt werden). Das Interesse des Arbeitgebers in solchen Fällen besteht somit darin, mindestens den Amtsverlust, idealerweise aber eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Ordentliche Kündigungen von Betriebsräten sind indes in der Regel gar nicht, und fristlose gem. § 103 Abs. 1 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsratsgremiums zulässig. Diese kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gerichtlich ersetzt werden. Das hat Arbeitsgericht Potsdam getan: der Betriebsratsvorsitzende habe eine strafbare gefährliche Körperverletzung begangen. Als Tätlichkeit rechtfertige dies ohne vorherige Abmahnung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit auch die Zustimmung zur fristlosen Kündigung. Der Arbeitgeber habe mit Blick auf die anderen Beschäftigten dokumentieren können und dürfen, dass derartige Verhaltensweisen nicht geduldet würden.
Wie gewonnen, so zerronnen?
Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Potsdam überzeugen und festigen die Rechtsposition des Arbeitgebers in ähnlichen Fällen. Doch Vorsicht: mit dem Obsiegen ist es nicht getan, die fristlose Kündigung muss auch ausgesprochen werden. Die Frage, wann der Arbeitgeber „loslegen“ darf, ist dabei von immenser Bedeutung. Er hat nämlich nur einen Schuss: Kündigt er zu früh, ist die Kündigung unwirksam und er muss ein neues Zustimmungs(ersetzungs)verfahren einleiten. Die anschließende weitere Kündigung wird jetzt aber zu spät kommen, weil sie innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von den zu ihr berechtigenden Tatsachen erklärt werden muss. Ein Dilemma: trotz massiver Pflichtverletzungen kann aus formalen Gründen nicht mehr gekündigt werden. Was tun?
Das Timing entscheidet
Grundsätzlich gilt: Die Kündigung kann und muss unverzüglich nach Rechtskraft der Zustimmungsersetzung erklärt werden, d.h. wenn bis zum Ablauf der Frist keine Rechtsmittel eingelegt wurden. Dieser Zeitpunkt ist aber z.B. bei fehlerhafter Rechtmittelbelehrung fraglich und kann dann vom Berichtigungsbeschluss abhängen. Nach Ablauf der Frist kann es noch zu einem Wiedereinsetzungsantrag des Arbeitnehmers kommen – problematisch, wenn bereits gekündigt wurde. Schließlich kann der Betriebsrat der Kündigung nachträglich noch zustimmen oder das Mitglied sein Amt niederlegen. Immer bleibt also Unsicherheit für den Arbeitgeber. Unkalkulierbare Risiken (z.B. wirksamer Zustimmungsbeschluss des Betriebsrats?) dürfen ihm aber nicht aufgebürdet werden. Deswegen kann er nach der Rechtsprechung während des laufenden Ersetzungsverfahrens „vorsorglich“ für den Fall kündigen, dass es der Zustimmung des Betriebsrats nicht mehr bedarf. Für den Arbeitgeber bedarf es also nicht nur einer guten Vorbereitung, sondern stets auch eines Monitorings der weiteren Ereignisse. Nur dann wird der Störfall nicht zum Super-GAU.