Ende der Teilzeitfalle oder doch nur Wahlkampfgetöse?

RA/FAArbR Dr. André Zimmermann LL.M., Partner, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf/München

RA/FAArbR Dr. André Zimmermann LL.M., Partner, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf/München

Die Große Koalition hat im Arbeitsrecht viel von dem umgesetzt was sie in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, vor allem: Mindestlohn, Tarifeinheitsgesetz und Reform des AÜG (vgl. dazu den Blog-Beitrag des Autors). Dort findet sich auch die gesetzliche Fixierung eines Rückkehrrechts bei Teilzeit: Arbeitnehmer, die sich zum Beispiel wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, sollen das Recht haben, dass zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können. Die jetzt nach aktuellen Pressemeldungen geplante Neuregelung geht aber über die Vereinbarung im Koalitionsvertrag hinaus und will ein allgemeines Recht auf befristete Teilzeit schaffen. Oder ist schon Wahlkampf?

Voraussetzungen für den Anspruch auf befristete Teilzeit

Nach dem Referentenentwurf setzt der Anspruch auf befristete Teilzeit Folgendes voraus:

  • Der Arbeitgeber muss mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen
  • Das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestanden haben.
  • Die vorübergehende Teilzeit muss mindestens drei Monate vorher beantragt werden.
  • Spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Entscheidung schriftlich mitteilen. Andernfalls gilt die befristete Teilzeit als so festgelegt, wie der Arbeitnehmer sie beantragt hat.

Das entspricht den Voraussetzungen, die § 8 TzBfG an eine unbefristete Verringerung der Arbeitszeit stellt. Die im Koalitionsvertrag genannten Beispiele Kindererziehung und Pflege von Angehörigen sind verschwunden. Ein voraussetzungsloses Rückkehrrecht zur Vollzeit war allerdings nicht vereinbart.

Kindererziehung und Pflege von Angehörigen, die immer wieder angeführt werden für einen Anspruch auf befristete Teilzeit, geben schon nach geltendem Recht einen Anspruch auf befristete Teilzeit (§ 15 Abs. 6 und 7 BEEG; § 2 FPfZG), so dass es insoweit keinen Regelungsbedarf gibt.

Karenz nach Rückkehr zur Vollzeit

Gewisse Planungssicherheit gibt den Unternehmen immerhin eine einjährige Karenzzeit: Nach dem Entwurf sollen Arbeitnehmer nach Ende der befristeten Teilzeit und Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit eine nochmalige Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach einem Jahr verlangen können.

Erörterung von Arbeitszeitwünschen

Der Entwurf sieht weiter vor, dass Arbeitgeber Wünsche zur Änderung ihrer Arbeitszeit erörtern müssen. Dieser Erörterungsanspruch gilt auch für Arbeitgeber mit 15 oder weniger Arbeitnehmern.

Erleichterung der Verlängerung der Arbeitszeit

Schließlich soll Arbeitnehmern, die dauerhaft in Teilzeit tätig sind, die Verlängerung ihrer Arbeitszeit erleichtert werden. Bereits heute sind sie bei der Besetzung freier Arbeitsplätze bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen (§ 9 TZBfG).

Bislang müssen Teilzeitbeschäftigte aber nachweisen, dass ein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung steht, der mit der gewünschten Verlängerung der Arbeitszeit übereinstimmt und dass sie für diesen geeignet sind. Laut dem Entwurf findet künftig „eine Beweislast-Verlagerung auf den Arbeitgeber statt“: Der Arbeitgeber muss dann das Fehlen eines Arbeitsplatzes oder eine geringere Eignung darlegen.

Keine Flexibilisierung und unerwünschte Nebeneffekte

Der von Andrea Nahles vorgelegte Gesetzentwurf steht nicht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag und ebenso wenig mit der auch von ihr propagierten flexiblen Gestaltung von Arbeit. Regulierung ist das Gegenteil von Flexibilisierung.

Gerade kleinere Unternehmen werden Schwierigkeiten bei der Überbrückung haben, auch weil die Ankündigungsfrist von drei Monaten kurz ist, und das Kompensations-Tool Zeitarbeit ebenfalls weiter reguliert wird (vgl. dazu den Blog-Beitrag von Zimmermann). Der Organisations- und Planungsaufwand für die Arbeitgeber ist enorm; Ressourcenplanung bei Hin und Her zwischen Voll- und Teilzeit nur noch schwer möglich.

Unerwünschter Nebeneffekt dürfte eine Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse zur Überbrückung sein. Noch im Wahlkampf 2013 hatte sich dieselbe SPD, der die Bundesarbeitsministerin angehört, aber für die Einschränkung von Befristungen und eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen (wenngleich aus Koalitionsräson Ende 2013 gegen einen entsprechenden Antrag der Fraktion DIE Linke gestimmt).

Die geplante „Beweislast-Verlagerung“ bei Verlängerungswünschen stellt das Unternehmen vor die praktisch kaum lösbare Aufgabe, darzulegen, dass nicht mehr Arbeit da ist, um einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in Vollzeit zu beschäftigen. Es ist völlig unklar, wie dem Unternehmen ein solcher Nachweis vor einem deutschen Arbeitsgericht gelingen könnte.

Alles nur Wahlkampfgetöse!?

Es ist allerdings gut möglich, dass die Ministerin den Entwurf aus Kalkül jetzt gezielt vor der anstehenden Bundestagswahl auf die Agenda gebracht hat und selbst nicht ernsthaft mit einer Verabschiedung in dieser Legislaturperiode rechnet. Es ist ein Thema, mit dem sich populäre Themen besetzen lassen und mit dem man nicht nur die klassische SPD-Klientel erreicht. Und dem Koalitionspartner wird es schwer fallen, sich zu dem Entwurf zu positionieren, ohne Wähler zu verprellen.

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