Bundestag beschließt Reform des Insolvenzanfechtungsrechts

RA Jan M. Antholz MBA, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Partner, SKW Schwarz Rechtsanwälte, Hamburg

Der Bundestag hat am 16.02.2017 Änderungen des Insolvenzanfechtungsrechts verabschiedet (BT-Drucksache 18/7054). Die Änderungen sollen Rechtsunsicherheiten beseitigen, die vom bestehenden Insolvenzanfechtungsrecht ausgehen. Im Fokus steht mit § 133 InsO die sogenannte Vorsatzanfechtung. Daneben wurden der Zinsanspruch im Anfechtungsrecht zurückgeschnitten und das Bargeschäft konkretisiert.

Worum geht es im Einzelnen?

Das Insolvenzanfechtungsrecht regelt die Möglichkeiten des Insolvenzverwalters, Zahlungen des Insolvenzschuldners aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung zurückzufordern. Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung dazu in den letzten Jahren zu Lasten der Gläubiger verschärft. Ziel des BGH war es, dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger stärkere Geltung zu verschaffen. In einer umfangreichen Rechtsprechung hat er eine Indiziensystematik geschaffen, die es dem Insolvenzverwalter erleichtert, Zahlungen vor der Insolvenz zurückzufordern. Aus Sicht vieler Wirtschaftsteilnehmer ist er damit über das Ziel hinausgeschossen. Zudem haben die Instanzgerichte die Indiziensystematik uneinheitlich angewendet. Im Ergebnis muss ein Gläubiger daher bereits dann mit einer Insolvenzanfechtung rechnen, wenn er seinem Schuldner nur eine Ratenzahlung gewährte. Dies stößt auf breite Kritik in Wirtschaft und Wissenschaft.

Entsprechend liegt hier ein Schwerpunkt der Reform: Zahlungserleichterungen wie beispielsweise Ratenzahlungen sollen nun vermuten lassen, dass ein Gläubiger keine Kenntnis von den Zahlungsschwierigkeiten seines Kunden hatte. Die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter soll dann ausgeschlossen sein.

Umgekehrte Vermutung bei Zahlungsschwierigkeiten

Spannend wird sein, wie der BGH mit der Auslegung dieser „umgekehrten Vermutung“ umgeht. Denn auf den ersten Blick scheint es widersinnig, dass ein Gläubiger die Bitte seines Schuldners um eine Ratenzahlung nicht als Zeichen von Zahlungsschwierigkeiten sieht. Zudem muss dieser neue Vermutungstatbestand in die Indiziensystematik des BGH eingeordnet werden. Auf die Instanzgerichte kommt bei der Beurteilung konkreter Sachverhalte damit keine leichte Aufgabe zu.

Auch in der Beratungspraxis stellen sich interessante Fragen: Ist es möglicherweise in Zukunft besser, einem säumigen Schuldner noch einmal eine Zahlungserleichterung anzubieten, statt den Anspruch unmittelbar durchzusetzen?

Sicher ist, dass die im Titel des Gesetzes angestrebte „Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen“ noch einige Jahre auf sich warten lassen wird, nämlich bis die Rechtsprechung die Regeln für die Praxis konkretisiert hat. Ob das gewünschte Ziel dann tatsächlich erreicht wird, darf man gespannt abwarten. Letzte Entscheidungen des BGH lassen vermuten, dass er sich nicht ohne Weiteres von seiner bisherigen Linie abbringen lassen wird.

Verkürzte Anfechtungsfrist und Neudefinition des Bargeschäfts

Zu begrüßen ist, dass das neue Recht die Anfechtungsfrist in § 133 InsO in den Fällen von zehn auf vier Jahre verkürzt, in denen dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt wurde. Zwar sind in der Praxis Fälle, die sich länger als vier Jahre hinziehen, ohnehin sehr selten. Aber die verkürzte Frist gesetzlich festzuschreiben, dient doch der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit.

Ebenso positiv zu bewerten ist die spezifischere Definition des Bargeschäftes im Sinne des § 142 InsO. Allerdings hat der Gesetzgeber zwei für das Anfechtungsrecht neue Begriffe eingeführt, die absehbar Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung sein werden: Sowohl die „Unlauterkeit“ als auch die „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ sind im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung bislang unbekannt und werden der Auslegung durch die Gerichte bedürfen.

Kein Privileg für Zwangsvollstreckungen

Positiv ist auch, dass das neue Gesetz Befriedigungen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht mehr privilegiert. Zwar kritisiert die SPD-Fraktion im Rechtsausschuss zu Recht, dass es unerfreulich für den Mittelständler ist, wenn er sich erst teuer und langwierig einen Titel erstreitet und dann das aus der Vollstreckung Erlangte zurückgeben muss. Andererseits hätte die Formulierung im Regierungsentwurf faktisch vor allem die öffentlich-rechtliche Rechtsträger wie Finanzamt und Krankenkassen privilegiert – zum Nachteil der Privatwirtschaft. Am Ende gaben alle Seiten einer schnellen Verabschiedung des Gesetzes den Vorrang vor einer differenzierten Lösung.

Beschränkung des Zinsanspruches

Ein großes Ärgernis der bisherigen Rechtslage war: Der Zinsanspruch für Forderungen aus Insolvenzanfechtungen begann bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen – der Insolvenzverwalter machte den Anspruch aber in vielen Fällen erst zwei oder drei Jahre nach der Eröffnung geltend. Damit erhöhte sich das Risiko für den Anfechtungsgegner um zwei Zinsjahre, ohne das er sich dagegen wehren konnte. Nun bedarf es der Rechtshängigkeit bzw. des Schuldnerverzugs, der mit der Aufforderung des Insolvenzverwalters zur Zahlung eintreten soll.

Sonderregelungen für Arbeitsentgelt

Besondere Aufmerksamkeit wurde im Gesetzgebungsverfahren Arbeitsentgelten gewidmet. Zum Schutz der Arbeitnehmern vor einer Anfechtung erhaltener Löhne soll der Anwendungsbereich des Bargeschäftes auf einen Zeitraum von drei Monaten zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts erweitert werden. Angesichts der ohnehin arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürfte dieser Regelung wenig praktische Relevanz zukommen.

Fazit

Die Bundesregierung schreibt selbst, bei dem Gesetzentwurf handele es sich um eine „punktuelle Nachjustierung“, nicht um eine grundlegende Änderung. Für die Unternehmenspraxis wird die erstrebte Rechtssicherheit im Bereich der Vorsatzanfechtung zumindest zeitnah nicht erreicht. Die Einführung neuer Begriffe und des Vermutungstatbestandes werden absehbar Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung und Literatur sein. Soweit der Gesetzentwurf also die „überbordende Komplexität“ des Anfechtungsrechts beklagt, hat er dieser ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Aber letztlich zeigt sich darin nur die Komplexität der Lebenssachverhalte, die nicht mit einer einfachen Gesetzesformel zu lösen ist.

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