Die AÜG-Reform ist da!

RA/FAArbR Dr. André Zimmermann LL.M., Partner, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf/München

Heute tritt die AÜG-Reform in Kraft. Sie bringt die umfangreichste Reform seit den Hartz-Reformen 2003. Zeitarbeits- und Einsatzunternehmen müssen sich auf erhebliche Änderungen einstellen und sowohl Prozesse umstellen als auch ihre Verträge anpassen. Nicht für alle Änderungen gibt es eine Übergangsfrist, so dass bereits jetzt gehandelt werden muss. Das gilt insbesondere für Dienst- und Werkverträge, auch für Altverträge, die schon nach der Papierform gefährlich nah an der Grenze zur Arbeitnehmerüberlassung sind.

Neue Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten

Die Überlassung von Leiharbeitnehmern im Vertrag zwischen Entleiher und Verleiher ist bereits ab dem 1. April 2017 ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen. Das gilt auch für Altverträge.

Das ist vor allem wichtig im Zusammenhang mit Scheinwerk- und -dienstverträgen: Hier führt der Verstoß gegen die Offenlegungspflicht dazu, dass ein Arbeitsverhältnis zum Einsatzunternehmen entsteht. Die vorsorglich beantragte Überlassungserlaubnis hilft ab dem 1. April 2017 nicht mehr!

Dadurch gewinnt die ohnehin schon wichtige Unterscheidung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Dienst- und Werkverträgen noch mehr an Bedeutung. Einsatzunternehmen müssen die zugrundeliegenden Vereinbarungen gesetzeskonform ausgestalten und die tatsächlichen Abläufe im Rahmen eines Compliance Audits genau prüfen und gegebenenfalls auch umstellen, um die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.

Vor der Überlassung ist im Verhältnis zwischen Verleiher und Entleiher die Person des Leiharbeitnehmers zu konkretisieren. Das kann vor allem dann problematisch werden, wenn auf Grundlage von Rahmenverträgen nur eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern überlassen wird. Auch stellt sich die Frage, ob bei einem kurzfristig erforderlichen Austausch von Leiharbeitnehmern (z.B. wegen Krankheit) vor Einsatzbeginn eine schriftliche Vereinbarung mit namentlicher Benennung des Leiharbeitnehmers erforderlich ist. Immerhin lassen die neuen Fachlichen Weisungen der Agentur für Arbeit hier ausreichen, dass diese Konkretisierung der Person in Textform (z.B. E-Mail) erfolgt; strenge Schriftform ist nicht erforderlich (siehe hierzu bereits den Blog-Beitrag des Autors hier).

Bei Verstößen kommt in all diesen Fällen ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzunternehmen zu Stande. Zwar ist gesetzlich die Möglichkeit einer so genannten Festhaltenserklärung vorgesehen, mit der der Leiharbeitnehmer am Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitsunternehmen festhalten kann. Das aufwändige Verfahren, mit dem man missbräuchliche Gestaltungen unterbinden wollte, wird aber dazu führen, dass es in der Praxis kaum Anwendung finden wird (vgl. dazu den Blog-Beitrag des Autors hier).

Hinzu treten Ordnungswidrigkeiten und gegebenenfalls erlaubnisrechtliche Konsequenzen.

Neue Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten

Derselbe Leiharbeitnehmer darf künftig maximal 18 Monate lang eingesetzt werden. Dabei werden nur solche Einsatzzeiten addiert, zwischen denen nicht mindestens drei Monate Unterbrechung liegen. Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages der Einsatzbranche, der die Überlassungshöchstdauer verlängert, können die tarifvertraglichen Regelungen zur Überlassungshöchstdauer durch Betriebsvereinbarung übernommen werden. Sofern der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen enthält, können auch nicht tarifgebundene Einsatzunternehmen davon Gebrauch machen, allerdings nur bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 24 Monaten. Für tarifgebundene Einsatzunternehmen gilt diese zeitliche Grenze nicht.

Da die Überlassungshöchstdauer ausdrücklich arbeitnehmerbezogen ist, können Arbeitsplätze weiterhin dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt werden, soweit derselbe Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate eingesetzt wird.

Die Überlassungshöchstdauer gilt ausdrücklich für denselben Entleiher, stellt also auf die dahinter stehende (natürliche oder juristische) Person ab, nicht auf den Betrieb. Das stellen auch die Neuen Fachlichen Weisungen der Agentur für Arbeit klar: Hier wird zu Recht betont, dass es auf den Entleiher als juristische Person ankommt, nicht auf den Betrieb (FW 1.2.1) (vgl. den Blog-Beitrag des Autors hier).

Nicht ausdrücklich erwähnt sind die Konstellationen eines Wechsels zwischen Konzernunternehmen („Rotation“) oder einem Wechsel im gemeinsamen Betrieb. Nach dem Gesetzeswortlaut bleiben solche Gestaltungen möglich, wobei im Einzelfall die Gerichte eine missbräuchliche Gestaltung annehmen könnten. Hier bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten.

Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden bei der Berechnung der neuen Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt. Die Unternehmen erhalten damit eine Übergangsfrist. Erstmals zum 1. Oktober 2018 kann damit ein Verstoß gegen die neue Überlassungshöchstdauer vorliegen.

Einsatzunternehmen müssen ein System einrichten, um die individuelle Überlassungszeit zu überwachen und gesetzeskonforme Gestaltung der Überlassungsverträge sicherstellen.

Bei Überschreitung der Höchstdauer entsteht kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zum Einsatzunternehmen mit der Möglichkeit der Festhaltenserklärung. Hinzu treten Ordnungswidrigkeiten und gegebenenfalls erlaubnisrechtliche Konsequenzen.

Equal Pay spätestens nach neun Monaten

Leiharbeitnehmer müssen spätestens nach neun Monaten bei der Vergütung mit Stammbeschäftigten gleichgestellt werden. Wenn in den Einsatzbranchen Branchenzuschlagstarifverträge gelten, gilt zwingendes Equal Pay erst nach 15 Monaten. Spätestens nach diesem Zeitraum muss dieselbe Entgelthöhe erreicht sein.

Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden auch hier nicht berücksichtigt. Anspruch auf zwingendes Equal Pay kann daher frühestens ab dem 1. Januar 2018 entstehen.

Verbot des Kettenverleihs

Ab dem 1. April 2017 ist der Kettenverleih ausdrücklich verboten. Kettenverleih liegt vor, wenn der Verleiher nicht seine eigenen Arbeitnehmer überlässt, sondern die eines Dritten. Dazu kommt es oft bei Outsourcing-Gestaltungen, wenn das beauftragte Unternehmen keine „eigenen“ Mitarbeiter einsetzt sondern selbst auf einen Personaldienstleister zugreift. Auch hier sollten die Abläufe im Rahmen eines Audits geprüft werden, um das bestehende Risiko zu identifizieren und vertraglich abzubilden.

Es drohen Bußgelder bis zu EUR 30,000 und gegebenenfalls weitere Rechtsfolgen, da regelmäßig auch gegen die neuen Offenlegungspflichten verstoßen wurde und keine Überlassungserlaubnis vorliegt.

Verbot von Streikbrecher-Arbeit durch Leiharbeitnehmer

Leiharbeitnehmer dürfen bei einem Streik nicht mehr eingesetzt werden, wenn sie Tätigkeiten von streikenden Stammarbeitnehmern ausführen würden.

Bei einem Verstoß droht dem Einsatzunternehmen eine Geldbuße von bis zu 500.000 €.

Neue Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats bei Werkverträgen

Das Einsatzunternehmen muss künftig dem Betriebsrat die Verträge vorlegen, die dem Fremdpersonaleinsatz zugrunde liegen.

Berücksichtigung bei Schwellenwerten der Mitbestimmung

Leiharbeitnehmer sollen künftig grundsätzlich bei Schwellenwerten mitzählen, wenn sie länger als sechs Monate eingesetzt werden.

Das kann dazu führen, dass dem Betriebsrat künftig mehr Mitbestimmungsrechte zustehen und mehr Betriebsratsmitglieder zu wählen und freizustellen sind. Möglicherweise müssen Unternehmen so auch erstmals mitbestimmte Aufsichtsräte bilden.

Redaktioneller Hinweis:

Diskutieren Sie die Digitalisierung der Arbeitswelt und die wichtigsten Aspekte des AÜG auf unserer Tagung „Recht im Unternehmen“ am 07.07. in München.

 

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