Die neue Aktionärsrechte-Richtlinie (Änderungsrichtlinie 2017) ist durch. Sie wird bald im EU-Amtsblatt verkündet – dann läuft eine 24-Monate-Umsetzungsfrist. Bis Mitte des Jahres 2019 ist das deutsche Aktienrecht entsprechend anzupassen. Schwerpunkte bilden die Managervergütung und die Konzerntransaktionen. Der Blick sei hier auf einen dritten Gegenstand gerichtet, der bei den genannten – auch politisch brisanten – Themen eher im Schatten harrt: Es geht um die Deanonymisierung des Aktionariats einer börsennotierten Gesellschaft. „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Gesellschaften das Recht haben, ihre Aktionäre zu identifizieren.“ So bestimmt es der neue Art. 3a der RL. Und weiter: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Intermediäre der Gesellschaft auf deren Antrag … hin unverzüglich die Informationen über die Identität von Aktionären übermitteln.“
Zur Identifikation gehören Name und Kontaktdaten (ggf. E-Mail-Adresse), die Anzahl der gehaltenen Aktien und das Datum des Aktienerwerbs. Die Vorstellung der Richtlinie ist, dass die Gesellschaften dadurch unmittelbar mit ihren Aktionären kommunizieren und ihnen die Ausübung der Aktionärsrechte erleichtern (Erwägungsgrund Nr. 4).
Künftig wird also der Vorstand einer (börsennotierten) AG die Aktiendepots bei den Banken (Intermediäre) erfragen können. Ob es sich um Inhaber- oder Namensaktien handelt, spielt keine Rolle. Bei Namensaktien besteht schon ein Aktienregister, aber dort können auch „Eintragungen im eigenen Namen für Aktien, die einem anderen gehören“ (§ 67 Abs. 1 AktG) erfolgen, weshalb es aus Sicht des Vorstands nicht vollständig ist. Einschneidend wird die Identifikation für Inhaberaktien sein. Dort ist zwar ab einer 3%-Beteiligung zu melden (§ 21 WpHG), darunter konnte man bislang unentdeckt bleiben. Doch in zwei Jahren wird die (börsennotierte) AG auch für Kleinbeteiligte keine Société Anonyme mehr sein.
Ein „Bankgeheimnis“ gegenüber der Gesellschaft gibt es mit Blick auf Kundendepots an Aktien künftig nicht. Die Auskunftspflicht der Intermediäre besteht grenzüberschreitend, d.h. auch Anfragen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten sind zu beantworten. Verwahrt die Bank für eine andere, so ist die Anfrage an diese weiterzuleiten.
Es gibt allerdings eine Option, die der nationale Gesetzgeber ziehen kann. Er darf eine Schwelle einführen, indem er die Identitätsfeststellung auf diejenigen Aktionäre beschränkt, die mehr als einen bestimmten Prozentsatz der „Aktien oder Stimmrechte“ halten. Dieser darf 0,5% nicht übersteigen (Art. 3a Abs. 1 S. 2). Wie man hört, hat sich namentlich Deutschland für diese Option stark gemacht. Dann wären im Maximalfall 200 Aktionäre adressiert. Problem: Woher soll die Bank wissen, ob der Aktionär insgesamt die Schwelle überschreitet? Sie kann nur für das bei ihr gehaltene Depot etwas sagen.
Die Gesellschaft, die Inhaberaktien ausgegeben hat, kann sich aus den Bankauskünften ein informelles Aktienregister zusammenstellen. Das offizielle Aktienregister mit seiner Legitimationswirkung (§ 67 II AktG) bleibt Namensaktien vorbehalten. Ob es für die Verwaltung so interessant ist, mit (kostenpflichtigen) Abfragen die Kleinstaktionäre zu erfassen, bleibt fraglich. In einer Übernahmesituation kann dies bedeutsam werden.
Redaktioneller Hinweis:
Diskutieren Sie die aktuellen Fragen der Corporate Governance und die Umsetzung der geänderten Aktionärsrechterichtlinie auf der Tagung „Recht im Unternehmen“ am 07.07. in München