Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder ist zunehmend Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen und öffentlichkeitswirksamer strafrechtlicher Ermittlungen. Im schlimmsten Fall drohen den zuständigen Unternehmensorganen empfindliche Sanktionen – bei Untreue u.U. sogar eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Trotz dieser schwerwiegenden Konsequenzen sind gesetzlichen Vorgaben für die Beurteilung, wann eine unzulässige Begünstigung vorliegt, wenig konkret: Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden; nach § 37 Abs. 4 Satz BetrVG darf deren Vergütung nicht geringer bemessen sein, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Doch welche Arbeitnehmer sind vergleichbar? Welche berufliche Entwicklung ist betriebsüblich? Wäre ein Mitarbeiter – wenn er für die Betriebsratstätigkeit nicht freigestellt gewesen wäre – befördert worden?
Gegenstand einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des BAG (Urteil vom 18.01.2017 – 7 AZR 205/15) war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Betriebsratsmitglied im Laufe seiner Amtszeit eine Vergütungserhöhung verlangen kann.
Die Entscheidung des BAG
Im vom BAG entschiedenen Fall ging es um die Klage eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf Vergütungsanpassung. Dabei bestand die Besonderheit darin, dass der Kläger bereits vor der Amtsübernahme die höchste Steigerungsstufe der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe erreicht hatte, und eine Vergütungserhöhung beanspruchte, die die regelmäßigen Tariferhöhungen überstieg. Bei der Beklagten existiert eine „Regelungsvereinbarung über Grundsätze und Verfahren für die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern“. Auf deren Grundlage waren während der Amtszeit des Klägers für diesen rückwirkend für den Zeitpunkt der Freistellung drei Arbeitnehmer als Vergleichspersonen festgelegt worden. Zwei dieser Vergleichspersonen waren ebenfalls in die höchste Vergütungsgruppe eingruppiert, hatten indes noch nicht die höchste Steigerungsstufe erreicht. Die durchschnittliche prozentuale Vergütungsentwicklung dieser Vergleichspersonen lag über derjenigen des Klägers.
Anknüpfungspunkt: Vergleichbare Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Amtsübernahme
Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie das Betriebsratsmitglied und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren. Das BAG betont in seiner Entscheidung, dass es auf die Vergleichbarkeit im Zeitpunkt der Amtsübernahme, nicht auf den (u.U. späteren) Zeitpunkt der Freistellung ankommt. Ob die Vergleichspersonen schon bei Amtsübernahme zu bestimmen sind (ex ante) oder ob auch eine rückwirkende Bestimmung im Laufe der Amtszeit zulässig ist (ex post), hat das BAG offengelassen. Ebenso wenig hat sich das BAG mit der Frage befasst, ob Vergleichspersonen später ausgetauscht werden können, sei es, weil sie ausgeschieden sind, sei es, weil sie aus späterer Sicht doch nicht vergleichbar scheinen.
Außertarifliche Gehaltserhöhung nur bei Betriebsüblichkeit
Bei der Prüfung, wie sich das Betriebsratsmitglied entwickelt hätte, ist auf die betriebsübliche Entwicklung der Vergleichspersonen abzustellen. Betriebsüblich i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG ist die Entwicklung, die ein Arbeitnehmer bei vergleichbarer persönlicher und fachlicher Qualifikation unter Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen hat.
Im vorliegenden Fall betonte das BAG, dass ein Betriebsratsmitglied eine Anhebung seines Gehalts in den außertariflichen Bereich nur dann beanspruchen könne, wenn innerhalb des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer eine Entwicklung in den Kreis der außertariflichen Mitarbeiter betriebsüblich sei. Es genügt hingegen nicht, wenn vergleichbare Arbeitnehmer, die noch nicht den Endwert der höchsten Vergütungsgruppe erreicht haben, Tariferhöhungen erhalten oder wenn nur einige wenige Mitarbeiter den Sprung in den AT-Bereich schaffen.
Empfehlungen für die Praxis
Das Verfahren zur Festlegung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder sollte in einer Regelungsabrede konkretisiert und – spätestens zum Zeitpunkt der Freistellung – eine Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer festgelegt werden. Die Zulässigkeit einer solchen Regelungsabrede hat das BAG ausdrücklich bestätigt, solange sie sich in den Grenzen der § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG bewegt.
Betriebsratsmitgliedern, die bereits bei Amtsübernahme eine Vergütung nach der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe erhalten haben, kann ein Anspruch auf Zahlung einer außertariflichen Vergütung aus § 37 Abs. 4 BetrVG zustehen, sofern ein Aufstieg der Vergleichspersonen in den AT-Bereich betriebsüblich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Mehrzahl der Mitarbeiter der höchsten Vergütungsgruppe ein AT-Vertrag angeboten wird.
Eine Vergütungserhöhung kann jedoch mglws. auch auf andere Weise gerechtfertigt sein: Nicht entschieden hat das BAG beispielsweise, ob die Vergütung eines Betriebsratsmitglieds auch mit der Begründung erhöht werden kann, dieses wäre – wäre es nicht freigestellt – befördert worden. Höchstrichterlich ungeklärt bleibt auch, was gilt, wenn dem Betriebsratsmitglied – etwa aufgrund herausragender Qualifikationen und seiner Erfahrungen – ein konkretes Angebot auf eine Beförderungsstelle unterbreitet wird, dieses Angebot jedoch nicht angenommen wird. Ließe man diese individuellen Umstände außer Betracht, so könnte ein Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG vorliegen, wonach Betriebsratsmitglieder in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt werden dürfen.