Einigungsstellen haben bei vielen Arbeitgebern den Ruf, (unnötig) teuer zu sein. Schließlich fallen immer Kosten für die Person der/des Einigungsstellenvorsitzes an; lassen sich die Betriebspartner Betriebsrat und Geschäftsführung in der Einigungsstelle nicht nur durch Betriebsinterne, sondern (auch) durch Externe (bspw. Rechtsanwalt, Gewerkschaftsvertreter, Sachverständige) vertreten, kommen auch deren Kosten hinzu.
Kosten der Einigungsstelle
Das BetrVG sieht in § 76a Abs. 4 vor, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) per Rechtsverordnung die Vergütung von Vorsitzenden und Beisitzern regelt. Das ist dem BMAS leider in der kurzen Zeit seit Einführung von § 76a BetrVG im Jahr 1989 noch nicht gelungen.
Zuvor galt für die Kosten der Einigungsstelle – und damit namentlich die Vergütung von Vorsitzenden und (externen) Beisitzern § 40 BetrVG. Danach war die Vergütung zum einen noch auf „erforderliche Kosten“ limitiert. Zum anderen bestand aber oft Streit über den Gegenstandswert der jeweiligen Einigungsstellen – mit der Konsequenz, dass im Kern die Einigungsstellen selbst über den Gegenstandswert und damit auch die eigene Vergütung bestimmen konnten.
Dies sollte – eigentlich – durch § 76a BetrVG und die nachfolgende Rechtsverordnung durch das BMAS bereinigt werden. Allein, es kam nicht dazu. Stand heute fordert der/die Einigungsstellenvorsitzende seine Vergütung – in der Regel vor Aufnahme der Tätigkeit. In einer Situation, on der der Arbeitgeber sich den/die Einigungsstellenvorsitzende/n noch gewogen halten möchte, wird selten nachverhandelt. Weiter gilt, dass betriebsexterne Beisitzer (typischerweise Anwälte etc.) 70% der Vergütung der/des Einigungsstellenvorsitzenden erhalten.
Besetzung der Einigungsstelle
Sofern über die Besetzung der Einigungsstelle gestritten wird, sind in aller Regel – nach der Rechtsprechung – nur ein oder zwei Beisitzer je Seite erforderlich. Da Betriebsratsgremien aber – zur Beteiligung aller internen Fraktionen und typischerweise eines externen Beraters – oft mehr Beisitzer in der Einigungsstelle „benötigen“, einigt man sich in der Praxis in der Regel: der Arbeitgeber stimmt einer größeren Zahl an Beisitzern zu, im Gegenzug darf er die Person der/des Vorsitzenden bestimmen.
LAG Nürnberg – der konkrete Fall
In einem Betrieb kam es zum Streit über die Behandlung und Regelung von Umkleidezeiten für das An-/Ablegen von Unternehmensbekleidung. Der Streit ging in die Einigungsstelle; nach einer arbeitsgerichtlichen Einigung wurde diese mit drei Beisitzern je Seite besetzt (der Betriebsrat hatte vier verlangt). Der Betriebsrat benannte daraufhin als Beisitzer für seine Seite einen Gewerkschaftsvertreter sowie zwei Fachanwälte für Arbeitsrecht aus derselben Kanzlei (einen erfahrenen und einen jüngeren Kollegen) – also ausschließlich Betriebsexterne. Zugleich wurde der Betriebsratsvorsitzende als „Berichterstatter“ des Betriebsratsgremiums in die Einigungsstelle entsandt. Ferner nahmen drei weitere Betriebsratsmitglieder als „Beobachter“ an den Einigungsstellensitzungen teil. Die vier Betriebsratsmitglieder nahmen – mit Ausnahme der Schlussberatung und -abstimmung – an allen Sitzungen teil.
Wenig überraschend wehrte sich der Arbeitgeber gegen die Kosten der Einigungsstelle:
- 5.100,00 € zzgl. MwSt. und Reisekosten für den Einigungsstellenvorsitzenden,
- 3.767,96 € zzgl. MwSt. (70%) für den ersten Rechtsbeistand des Betriebsrats sowie
- 3.767,96 € zzgl. MwSt. (70%) für den zweiten Rechtsbeistand des Betriebsrats.
- 3.570,00 € zzgl. MwSt. (70%) für den Gewerkschaftsvertreter wurden sicher ebenfalls in Rechnung gestellt, aber vom LAG Nürnberg nicht weiter thematisiert.
Ohne Berücksichtigung des auch auf Arbeitgebers hinzugezogenen Rechtsbeistands hatte der Arbeitgeber also mit 16.205,92 € zzgl. MwSt. zu rechnen – nicht wenig Geld für die Regelung von Umkleidezeiten.
Kern der Auseinandersetzung
Sieht man von einem kleinen Teilbetrag ab (Reisekosten), stritten die Parteien im Wesentlichen darum, ob die Einschaltung zweier Anwälte mit identischer Expertise aus derselben Kanzlei
- mangels Erforderlichkeit und/oder
- wegen Rechtsmissbrauchs zum Entfall des Vergütungsanspruchs führt und/oder
- ob der Arbeitgeber einen Falschberatungseinwand gegen die – auf Basis der Anwaltsberatung des Betriebsrats ausgelösten – Honoraransprüche erheben kann.
Entscheidung des LAG Nürnberg – Regressanspruch gegen Betriebsratsmitglieder
Das LAG Nürnberg sprach beiden Anwälten die Vergütung (im Wesentlichen) zu. Nach der Gesetzesänderung 1989 sehe § 76a BetrVG einen gesetzlichen Vergütungsanspruch der (externen) Beisitzer gegen den Arbeitgeber – unabhängig von der etwaigen Erforderlichkeit ihrer Benennung – vor. Demnach habe der Arbeitgeber gegen den Anspruch an sich keine Einwendungen.
Allerdings komme es in Betracht, die (handelnden) Betriebsratsmitglieder persönlich in Regress für die unsachlich verursachten Kosten infolge der Hinzuziehung zweier Rechtsanwälte zu nehmen.
Zudem sei es denkbar, die Abtretung der Regressansprüche „des Betriebsrats“ gegen die Anwälte, die ihm zu einer solchen sachwidrigen Besetzung der Einigungsstelle geraten hatten, zu verlangen.
Kein Erforderlichkeitsmaßstab
Auch wenn es schmerzt, dieses Feld zu räumen: Dem LAG Nürnberg ist darin beizupflichten, dass § 76a BetrVG keine Erforderlichkeit der Besetzung der Einigungsstelle durch externe Beisitzer voraussetzt. Ebenso ist es richtig, dass § 76a BetrVG einen direkten einklagbaren Anspruch des externen Beisitzers begründet und daher sachwidrig verursachte Honoraransprüche nicht –wie bei einem Überschreiten der Grenze der Erforderlichkeit wie bei §§ 40, 111 BetrVG – wegen eines unzulässigen Agierens des Betriebsrats als falsus procurator zurückgewiesen werden können.
Regress gegen Betriebsratsmitglieder
Spannend wird es hingegen bei dem Regressanspruch gegen die Betriebsratsmitglieder. Diesen thematisiert das LAG Nürnberg nur in seinen Leitsätzen, nicht aber in den Gründen. Dieser kann nicht aus § 179 BGB folgen. Ein Schadensersatzanspruch aus deliktischer Haftung dürfte jedenfalls in der Regel wegen fehlender Beeinträchtigung eines absoluten Rechts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB scheitern. Ob die Arbeitsgerichte bereit wären, den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB gegen Betriebsratsmitglieder zu erheben, kann ebenfalls bezweifelt werden.
Damit ließe sich ein Regressanspruch also – eigentlich – nur noch aus der Verletzung der arbeitsvertraglichen Treupflichten oder der Begründung ebensolcher Treupflichten aus § 2 BetrVG begründen. Auch das dürfte ein langer Weg vor Gericht werden.
Regressanspruch gegen Anwälte
Das LAG Nürnberg weist darauf hin, der Arbeitgeber könne sich einen Regressanspruch des Betriebsrats/der Betriebsratsmitglieder gegen deren Anwalt wegen Falschberatung abtreten lassen. Das ist insoweit nicht ganz richtig beurteilt. Nach ständiger Rechtsprechung beinhaltet der Mandatsvertrag zwischen Betriebsrat und deren Anwalt nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte auch Sorgfaltspflichten gegenüber dem Arbeitgeber (BAG vom 29.07.2009 – 7 ABR 95/07, Rn. 17; LAG Düsseldorf vom 09.01.1989 – 4 TaBV 127/87). Insofern kann der Arbeitgeber seine Ansprüche wegen Verletzung der ihm gegenüber bestehenden Pflichten des Betriebsratsanwalts auch direkt gegen dessen Honoraranspruch einwenden.
Fazit und Praxistipp
Man muss sich nichts vormachen auf Arbeitgeberseite: Es verlangt (anscheinend) viel Mut von Arbeitsgerichten, zivilrechtliche Haftungsthemen auch einmal zulasten eines Betriebsratsanwalts oder zulasten von Betriebsratsmitgliedern zu entscheiden.
In der Praxis helfen andere Mittel effektiver gegen eine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise wie im Falle des LAG Nürnberg:
Zunächst einmal ist die Rechtsprechung bei der Anzahl der Beisitzer erfreulich restriktiv. Den dadurch entstehenden Einigungsdruck auf Seiten des Betriebsratsgremiums kann der Arbeitgeber zum Abschluss eines Vergleiches nutzen. Der im vorliegenden Fall geschlossene Vergleich hatte eine wesentliche Lücke: Es sollte nicht nur die Anzahl der Beisitzer je Seite vereinbart werden, sondern auch die Anzahl der betriebsinternen und betriebsexternen Beisitzer.
Zudem kann es dem Arbeitgeber nicht verwehrt sein, die Belegschaft darüber aufzuklären, dass der Betriebsrat in Einigungsstellen gar nicht als gewählter Vertreter der Belegschaft selbst mit dem Arbeitgeber verhandelt, sondern diese Aufgabe ausschließlich – kostenpflichtig – auf externe (und demokratisch nicht legitimierte) Berater überträgt. Das sollte seinen Eindruck bei der Belegschaft hinterlassen …