Das Bundesarbeitsgericht (BAG) macht es den Betriebserwerbern auch künftig nicht leichter und führt seine Rechtsprechung zur Weitergeltung dynamischer Bezugnahmeklauseln nach einem Betriebsübergang fort. Mit seinem Urteil vom 23. November 2017 (6 AZR 683/16) hat das BAG in Erfurt nämlich entschieden, dass kirchliches Arbeitsrecht auch für den nicht kirchlichen Betriebserwerber dynamisch weitergelten kann.
Im Rettungsdienst beim diakonischen Werk beschäftigt
Im konkret zu entscheidenden Fall hatte der kirchliche Arbeitgeber die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des diakonischen Werks der evangelischen Kirche in der jeweils gültigen Fassung arbeitsvertraglich vereinbart (sogenannte dynamische Bezugnahmeklausel). Der Betrieb ging jedoch zum 1. Januar 2014 auf einen nicht kirchlichen Erwerber über, der nicht Mitglied des diakonischen Werks werden konnte. Mit anderen Worten: Der Kläger war zunächst bei einem kirchlichen Arbeitgeber im Rettungsdienst beschäftigt, ehe der Übergang auf einen nicht kirchlichen Arbeitgeber folgte.
Der wiederum argumentierte vor Gericht damit, dass er nicht an das zukünftige kirchliche Arbeitsrecht gebunden sein könne. Schließlich sei er kein kirchlicher Arbeitgeber und könne das Regelungswerk daher weder direkt noch mittelbar beeinflussen. Deshalb war für den Betriebserwerber klar: Er wollte die AVR des diakonischen Werks nur statisch mit Stand vom 31. Dezember 2013 anwenden – also dem Tag vor dem Betriebsübergang.
Rechtsfolge ergibt sich aus dem Gesetz
Doch alle Argumentation half ihm am Ende nichts: Der klagende Arbeitnehmer konnte die für die Arbeitsvertragsrichtlinien beschlossenen Entgelterhöhungen vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich geltend machen. Denn das BAG hat die Vorinstanzen mit seinem Urteilsspruch bestätigt und ebenfalls entschieden, dass dynamische Bezugnahmeklauseln auch im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber weiterhin dynamisch wirken. Das macht auch Sinn: Schließlich ergibt sich diese Rechtsfolge schon aus dem Gesetz. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Erwerber bei einem Betriebsübergang in die Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers ein.
Dabei hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) potentiellen Betriebserwerbern zwischenzeitlich sogar Hoffnung gemacht: Nach Ansicht des EuGH muss der Betriebserwerber nämlich grundsätzlich in der Lage sein, nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses erforderliche Anpassungen an die Arbeitsbedingungen vorzunehmen. Daher hat der EuGH entschieden, dass ein dynamischer Verweis auf Kollektivverträge nach einem Betriebsübergang nur dann weiter fort gilt, wenn das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht (EuGH, Urteil vom 27.04.17 – Rs. C 680/15, vgl. hierzu Zimmermann).
Arbeitgeber benötigt Überzeugungskraft
Das BAG stellt sich unterdessen auf den Standpunkt, dass diese vom EuGH genannten Bedingungen im deutschen Recht vorliegen. Und das stimmt auch – jedenfalls theoretisch. Es ist selbstverständlich möglich, die Arbeitsbedingungen einvernehmlich abzuändern. Eine andere Frage ist allerdings, warum Arbeitnehmer auf günstige Vertragsbedingungen verzichten sollten. Hier wird der Arbeitgeber jedenfalls immer Überzeugungskraft benötigen.
Eine einseitige Änderung der Arbeitsbedingungen durch eine Änderungskündigung ist ebenfalls zulässig. Wobei sich hier die praktische Durchsetzbarkeit ebenfalls schwierig gestaltet. Möchte ein Arbeitgeber zum Beispiel Entgeltansprüche mit einer Änderungskündigung reduzieren, ist die Änderungskündigung nur wirksam, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht und ein ausführliches Sanierungskonzept präsentiert werden kann. Dies gelingt also nur in Extremfällen.
Fazit: Erwerber eines Betriebes erwartet somit stets eine dynamische Bindung an fremde Kollektivregelungen bis zur Beendigung des übernommenen Arbeitsverhältnisses.