Rückkehrrecht zur Vollzeit: Der unerfüllte Koalitionsvertrag?

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy LLP, Frankfurt/M.

Die Diskussion über eine mögliche große Koalition ist im vollen Gange. Vielfältige Forderungen werden erhoben. Dabei werden auch Vorhaben hervorgeholt, die schon einmal gescheitert sind. Dazu gehört auch das Recht von Arbeitnehmern auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD Ralf Stegner ließ sich mit den Worten zitieren, die CDU solle zunächst einmal das umsetzen, was bereits vereinbart war. Er suggeriert damit, dass das Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit im Koalitionsvertrag der großen Koalition von 2013 vereinbart worden sei. Auf dieser Basis hatte Andrea Nahles, die damalige Bundesarbeitsministerin, vor etwa einem Jahr einen Gesetzentwurf eingebracht, der im Mai diesen Jahres scheiterte, weil CDU/CSU und SPD sich nicht darüber einigen konnten, ab welcher Betriebsgröße das Rückkehrrecht geltend solle. Während die CDU einen solchen Anspruch nur in Betrieben von mindestens 200 Arbeitnehmern zugestehen wollte, sah der Vorschlag von Frau Nahles vor, dass der Schwellenwert wie beim Anspruch auf Teilzeit 15 Arbeitnehmer betragen solle. Im Mai 2017 wurde das Vorhaben gestoppt. Die Schlagzeilen lauteten damals: „Rückkehrrecht in Vollzeit ist endgültig vom Tisch“. So kann man sich täuschen!

Wenn es so wäre, dass der Rückkehranspruch in Vollzeit im Koalitionsvertrag vereinbart worden wäre, dann wäre die Position der SPD nachvollziehbar. Es ist aber nicht so. Im Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2013 war vorgesehen, dass für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich z.B. wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung entschieden haben ein Rückkehrrecht zur früheren Arbeitszeit sichergestellt werden soll. Wörtlich heißt es weiter: „Dazu werden wir das Teilzeitrecht weiterentwickeln und einen Anspruch auf befristete Teilzeit schaffen (Rückkehrrecht).“

Die Passage bezieht sich also auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen in Teilzeit gewechselt sind. Diesen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat die große Koalition im Jahre 2015 ein Rückkehrrecht eingeräumt. Seit dem 1. Januar 2015 haben Beschäftigte einen Anspruch, sich für maximal sechs Monate von der Arbeit freistellen zu lassen oder in Teilzeit zu arbeiten, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu betreuen. Außerdem gibt es seit diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Familienpflegezeit. Danach können Beschäftigte ihre wöchentliche Arbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 15 Stunden reduzieren, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Diese beiden gesetzlichen Neuerungen aus der letzten Legislaturperiode bedeuten einen Anspruch auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit wegen Familienpflege. Und ein Recht auf befristete Teilzeit für junge Väter und Mütter gibt es schon seit vielen Jahren. Damit ist der Koalitionsvertrag erfüllt. Ein generelles Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit war im Koalitionsvertrag gerade nicht vorgesehen.

So wünschenswert es wäre, dass alle Arbeitnehmer ihr Arbeitszeitvolumen selbst bestimmen können, so wenig ist dies mit der Notwendigkeit einer geordneten Personalplanung der Unternehmen zu vereinbaren. Und wenn bisweilen optimistisch die Auffassung vertreten wird, dass ein Anspruch auf Vollzeit keine Bürokratie mit sich bringen werde, so mag der arbeitsrechtlich tätige Anwalt daran nicht glauben. Die Erfahrungen mit dem Teilzeitanspruch sprechen eine gänzlich andere Sprache. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Wechsel in Teilzeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Die Rechtsprechung prüft das Vorliegen betrieblicher Gründe, die einem Teilzeitverlangen entgegenstehen, in einem formalisierten dreistufigen Verfahren. Die dazu ergangenen Urteile füllen Bände. Und kaum einmal gelingt es einem Arbeitgeber, seine betrieblichen Interessen gegen den Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers durchzusetzen. Die Gerichte sehen es ausschließlich als Sache des Arbeitgebers, wie er die Reduzierung und häufig auch eine sehr eigenwillige Verteilung der Arbeitszeit mit einem geordneten Betriebsablauf in Einklang bringt, häufig auch auf Kosten anderer Arbeitnehmer.

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