EuGH erlaubt für Luxuswaren Verbot von Händlerverkäufen auf Online-Marktplätzen wie Amazon

RA Dr. Mathias Stöcker, Shearman & Sterling, Frankfurt/M.

Der Europäische Gerichtshof hat auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Frankfurt hin zu der kartellrechtlichen Zulässigkeit von selektiven Vertriebssystemen für Luxuswaren sowie zum Verbot des Verkaufs von Luxuswaren über Online-Marktplätze wie Amazon oder Ebay Stellung genommen (C-230/16 – Coty). Nach dem Urteil können Hersteller ihren autorisierten Händlern den Vertrieb von Luxusartikeln über solche Drittplattformen vollständig untersagen. Offen bleibt allerdings die Frage: Wann genau sind Waren Luxuswaren? Und ist ein Drittplattformverbot auch bei Qualitätswaren ohne luxuriöse Ausstrahlung möglich?

Schutz eines Luxusimages

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH setzt ein selektives Vertriebssystem u.a. voraus, dass die Eigenschaften der zu vertreibenden Produkte ein solches System erfordern, um die Qualität und den richtigen Gebrauch der Produkte zu gewährleisten. Der EuGH stellt nun zunächst klar, dass der Schutz des Luxusimages von Waren ein legitimer Grund für den Selektivvertrieb ist, und bestätigt damit die bisherige Praxis: Hersteller von Luxuswaren dürfen die Belieferung von Händlern davon abhängig machen, dass diese die Waren einer Weise präsentieren, die deren Wert angemessen zur Geltung bringt.

Vertriebsverbot über Drittplattformen

Ein Verkauf von Luxuswaren über Drittplattformen, die für die Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten, birgt aus Sicht des EuGH die Gefahr, dass sich die Präsentation der Waren im Internet verschlechtert, so dass sie in ihrem Luxusimage und somit ihrem Wesen beeinträchtigt werden können. Das Totalverbot des Online-Vertriebs auf solchen Drittplattformen ist damit laut EuGH zur Aufrechterhaltung des Luxusimages erforderlich. Das mildere Mittel, nämlich Händlern nur zu verbieten, auf Drittplattformen zu verkaufen, die nicht die vordefinierten Qualitätsanforderungen des Herstellers erfüllen, sei nicht gleich wirksam wie ein Totalverbot, da der Hersteller mangels Vertragsbeziehung mit den Drittplattformbetreibern gegen diese nicht vorgehen könne, wenn die Qualitätsanforderungen nicht eingehalten werden.

Wann sind Produkte Luxus?

Welche Kriterien müssen aber erfüllt sein, damit ein konkretes Produkt als Luxusprodukt angesehen werden kann? Der EuGH verweist auf einen „Prestigecharakter“ und eine „luxuriöse Ausstrahlung“. EU-Kommission und EuG haben in früheren Entscheidungen auf eine „Aura prestigeträchtiger Exklusivität“ abgestellt (IV/33.242 – Yves Saint Laurent Parfums; T-19/92 – Leclerc). Aus Sicht des Bundeskartellamts ist ein Luxusgut ein Produkt, bei dem es dem Endkunden vornehmlich um den sog. Demonstrativkonsum bzw. Prestigeeffekt gehe; ein solches Produkt werde für den Endkunden umso attraktiver, je teurer es ist. Allein der Umstand, dass ein Produkt hochwertig ist und unter einer eingetragenen Marke verkauft wird, führe nicht automatisch zu einer „Aura des Luxuriösen“ (B2-98/11 – Asics).

Angesichts einer gewissen Unschärfe der Begriffe „Luxusware“ und „Luxusimage“ mag ein konkretes Produkt im Einzelfall nicht immer ganz eindeutig zuzuordnen sein, jedenfalls nicht allein anhand der Produktgattung. Warum etwa Parfums Luxuswaren sein können, Kosmetika hingegen nach Ansicht des EuGH offenbar nicht, leuchtet nicht ein. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Das Bundeskartellamt scheint ausweislich einer ersten Stellungnahme von Präsident Mundt eine Ausnahme vom Kartellverbot für Drittplattformverbote nur für „echte Prestigeprodukte“ anerkennen zu wollen.

Fazit

Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf Drittplattformverbote für Luxuswaren. Ob es sich bei einem konkreten Produkt um ein Luxusprodukt oder „nur“ um ein hochwertiges Markenprodukt handelt, mag nicht immer eindeutig festzustellen sein. Ob Drittplattformverbote auch in selektiven Vertriebssystemen für Markenprodukte, die keine Luxuswaren sind, aus dem Anwendungsbereich des Kartellverbots ausgenommen sein können, bleibt offen. Angesichts der bisher restriktiven Praxis des Bundeskartellamts dürfte das Amt eher dahin tendieren, dies zu verneinen. Die erste Einschätzung von Kartellamtspräsident Mundt zu dem EuGH-Urteil, wonach Hersteller von Markenprodukten außerhalb des Luxusbereichs „auch weiterhin keinen Freibrief [haben], ihre Händler bei der Nutzung von Verkaufsplattformen pauschal zu beschränken“, spricht dafür.

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