Beim Geld beginnt das Problem: Die von der IG Metall geforderte Wahloption bei der Arbeitszeit

Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, Leiter der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht an der Universität Freiburg und Rechtsanwalt in Lahr

Zu den Forderungen der IG Metall für die Tarifrunde 2018 gehört eine „Wahloption bei der Arbeitszeit“: Beschäftigte sollen künftig ihre regelmäßige Arbeitszeit für bis zu zwei Jahren auf bis zu 28 Stunden reduzieren können und danach ein Rückkehrrecht in die ursprüngliche Arbeitszeit haben. Hat die Reduzierung ihren Grund in der Betreuung von Kindern unter 14 Jahren im Haushalt oder in der Pflege von Familienangehörigen, sollen die Beschäftigten einen fixen Zuschuss von 200 Euro pro Monat von ihrem Arbeitgeber erhalten. Für Beschäftigte in Schichtarbeit oder anderen gesundheitlich belastenden Arbeitszeitmodellen ist ein Entgeltzuschuss von 750 Euro im Jahr vorgesehen. Diese Zuschüsse sollen den entstehenden Entgeltverlust abfedern und als Festbetrag für niedrige Entgeltgruppen stärker als für höhere wirken (Quelle: „Miteinander für morgen, metall-tarifrunde-2108.de“, Herausgeber IG Metall-Vorstand, FB Tarifpolitik, FB Kampagnen, S. 15).

Die Rechtmäßigkeit dieser Forderung ist von Clemens Höpfner, Universität Münster, in einem Rechtsgutachten für Gesamtmetall in Zweifel gezogen worden. Er sieht in den geforderten Entgeltzuschüssen eine Diskriminierung der ohnehin schon in Teilzeit arbeitenden Beschäftigten, die ebenfalls Kinder betreuen, Familienangehörige pflegen oder in Schicht arbeiten (Handelsblatt vom 03.01.2018).

Einfach von der Hand zu weisen sind diese Bedenken nicht. Die Gewährung der Entgeltzuschüsse nur an Beschäftigte, die durch eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit in Teilzeit gelangen, muss sich dem Verbot der Diskriminierung wegen Teilzeitarbeit nach § 4 Absatz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) stellen. Danach gilt: Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (Satz 1), und: Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (Satz 2).

Zwar verbietet Satz 1 nach seinem Wortlaut nur, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer schlechter behandelt werden „als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer“. Aber daraus darf man nicht schließen, dass verschiedene Gruppen von Teilzeitbeschäftigten, hier die schon bislang Teilzeitbeschäftigten einerseits und die erst nach Reduzierung ihrer Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigten andererseits, ohne weiteres unterschiedlich behandelt werden dürften. Vielmehr erstreckt das BAG das Teilzeitdiskriminierungsverbot auch auf das Verhältnis der Teilzeitbeschäftigten untereinander (BAG 29.08.1989 – 3 AZR 370/88, DB 1989 S. 2338 und BAG vom 15.11.1990 – 8 AZR 283/89, DB 1991 S. 865). Auch hier ist deshalb zu fragen, ob sich die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen lässt.

Von vornherein zu verneinen wäre diese Frage, verstünde man mit einem gewichtigen Teil der Literatur das Wort „mindestens“ im Satz 2 dahin, dass geldwerte Leistungen ausnahmslos pro rata temporis gewährt werden müssen (Däubler, ZIP 2000 S. 1961 (1962) mit Fn 9; MünchArbR/Schüren, 3. Aufl. 2009, § 45, Rn. 131 ff.).  Das ist indessen nicht die Auffassung des BAG. Nach ihm kann auch der Pro-rata-temporis-Grundsatz durchbrochen werden, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt (BAG vom 05.11.2003 – 5 AZR 8/03, NZA 2005 S. 222).

Ein sachlicher Grund ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn die unterschiedliche Behandlung einen rechtmäßigen Zweck verfolgt und als angemessen und erforderlich anzusehen ist. Ein solcher Grund ist kaum zu finden. In der Kinderbetreuung, Angehörigenpflege oder Schichtarbeit selbst kann er nicht bestehen. Denn eben diese Umstände liegen auch bei den schon bislang Teilzeitbeschäftigten vor, die Kinder betreuen, Angehöriger pflegen oder in Schicht arbeiten. Es bleibt nur die Erwägung, den bisher Vollzeitbeschäftigten den Schritt in die vorübergehende Teilzeit dadurch zu erleichtern, dass der ihnen entstehende Entgeltverlust abgefedert wird. Das ist zwar ein legitimes Ziel. Ob es aber angemessen ist, für dieses Ziel eine Schlechterstellung der bislang schon Teilzeitbeschäftigten in Kauf zu nehmen, bleibt zweifelhaft. Gerade bei Angehörigen niedriger Entgeltgruppen, welche die IG Metall bei ihrer Tarifforderung ja vornehmlich im Auge hat, besteht das Bedürfnis nach einer solchen sozialen Entgeltkomponente ganz unabhängig von dem Zeitpunkt, seit dem sie in Teilzeit arbeiten.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Die Ausgestaltung des Zuschusses als Familienkomponente stellt die Gruppe derjenigen schlechter, die ihre Arbeitszeit reduzieren, ohne danach Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen. Auch in dieser Gruppe kann aber das dringende Bedürfnis nach einer sozialen Entgeltkomponente bestehen. Man braucht nur an schwerbehinderte Menschen zu denken. Diesen den Entgeltzuschuss zu versagen, kann man kaum als angemessen betrachten.

Hält die IG Metall trotz dieser Bedenken an ihrem Arbeitszeitmodell fest, riskiert sie, dass Streiks in dieser Tarifrunde überhaupt rechtswidrig sind. Denn das BAG hat gerade erst entschieden, dass ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer nicht rechtmäßigen Tarifforderung dient, insgesamt rechtswidrig ist. Die graduelle Bewertung einer Tarifforderung im Verhältnis zu anderen und eine daran anknüpfende gewichtende Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines um deren Durchsetzung geführten Arbeitskampfs ist nach Auffassung des Gerichts einer Rechtskontrolle nicht zugänglich (BAG vom 26.07.2016 – 1 AZR 160/124, NZA 2016 S. 1543).

Will die IG Metall dieses Risiko vermeiden, bleiben ihr zwei Optionen. Entweder muss sie ihre Forderung so umgestalten, dass die Diskriminierung anderer Teilzeitbeschäftigter ausgeschlossen ist. Praktisch müsste sie auch für diese den Entgeltzuschuss für Kinderbetreuung und Angehörigenpflege und die Zulage für Schichtarbeit fordern. Das würde freilich den insgesamt zur Verfügung stehenden Verteilungsspielraum schmälern und deshalb möglicherweise auf den Widerstand der vollzeitbeschäftigten Mitglieder stoßen. Oder sie muss diesen Teil ihrer Forderung fallen lassen und sich auf den Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit beschränken. Das Aufgeben einer solchen diskriminierungsträchtigen Forderung wäre nicht ohne Vorbild: In der Tarifrunde 2000 hat die IG Metall auf die „Rente mit 60“ verzichtet, nachdem offenbar wurde, dass sie ganz überwiegend nur Männern zu Gute gekommen wäre und damit Frauen diskriminiert hätte.

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