CDU/CSU und SPD haben Kettenbefristungen den Kampf angesagt. Nach ihrem Koalitionsvertrag soll die Befristung eines Arbeitsverhältnisses dann nicht zulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden hatten. Eine Ausnahmeregelung soll für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (Künstler, Fußballer) zu treffen sein. Auf die Höchstdauer von fünf Jahren sollen auch vorherige Entleihungen des nunmehr befristet eingestellten Arbeitnehmers angerechnet werden. Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber soll erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren möglich sein.
Ausgewogene BAG-Rechtsprechung zu den Grenzen der Befristung
Die Verwirklichung dieses Vorhabens würde die geltende Rechtsprechung zur Kettenbefristung korrigieren. Das BAG hat in zwei Urteilen vom 26.10.2016 (7 AZR 135/15, RS1230929) und vom 21.03.2017 (7 AZR 369/15, RS1239152) basierend auf den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs ein dreistufiges System zur Kontrolle von Kettenbefristungen entwickelt. Das System geht von der nach derzeitigem Recht möglichen zweijährigen sachgrundlosen Befristung mit dreimaliger Verlängerung innerhalb der Zweijahresfrist nach § 14 Abs. 2 TzBfG aus. Eine Sachgrundbefristung, die nicht mindestens das Vierfache eines dieser Werte oder das Dreifache beider Werte überschreitet, ist danach regelmäßig unbedenklich (1. Stufe). Übersteigen Sachgrundbefristungen alternativ oder kumulativ diese Werte, hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist (2. Stufe). Erst wenn einer der Werte um mehr als das Fünffache überschritten wird oder beide Werte mehr als jeweils das Vierfache betragen, ist ein Rechtsmissbrauch indiziert, kann aber auch dann noch durch den Vortrag besonderer Umstände entkräftet werden (3. Stufe).
Verbessert der Koalitionsvertrag die Missbrauchsampel?
Über dieses ausgewogene differenzierende System geht das pauschale Vorhaben des Koalitionsvertrags hinweg. Dass es dabei zum Nachteil der Arbeitnehmer die in den Nummern 1-8 von § 14 Abs. 1 TzBfG festgelegten Sachgründe für eine Befristung großer Teile ihres Anwendungsbereichs beraubt, scheint nicht bedacht:
- Das beginnt beim vorübergehenden betrieblichen Bedarf (Nr. 1): Wer zehn Jahre lang nacheinander zwei Saisonbeschäftigungen von jeweils sechs Monaten nachgegangen ist, könnte diese im elften Jahr nicht mehr fortsetzen.
- Wer parallel zu seinem fünf Jahre oder länger dauernden Studium bei einem bestimmten Arbeitgeber als Werkstudent beschäftigt war, dem wäre der Weg zu der in Nr. 2 vorgesehenen befristeten Anschlussbeschäftigung verbaut.
- Wollte ein Arbeitgeber einem früheren Arbeitnehmer nach dessen Ausscheiden aus einem fünf Jahre oder länger dauernden Arbeitsverhältnis eine befristete Vertretung nach Nr. 3 anbieten, scheiterte das in den als Karenzzeit vorgesehenen ersten drei Jahren.
- Beschränkte man die für Befristungen wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (Nr. 4) vorgesehene Ausnahme auf die genannten Fälle der Künstler und Fußballer, könnten andere Tendenzarbeitnehmer, etwa programmgestaltende Mitarbeiter von Rundfunk- und Fernsehanstalten, aber auch die Mitarbeiter von Parlamentsfraktionen, nach Erreichen der Fünfjahresgrenze drei Jahre lang nicht mehr mit einer Beschäftigung rechnen.
- Auch eine Befristung zur Erprobung (Nr. 5) eines früheren Arbeitnehmers für eine neue, vielleicht ganz andere Beschäftigung wäre in dieser Zeit nicht möglich.
- Wissenschaftliche Angestellte könnten nach der im Wissenschaftsvertragsgesetz vorgesehenen Befristungsdauer von sechs Jahren nicht mehr übergangsweise weiterbeschäftigt werden, obwohl die der sozialen Überbrückung dienende Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (Nr. 6) gerade dies ermöglichen will.
- Halten Bund, Länder oder Kommunen für bestimmte Tätigkeiten an der nach Nr. 7 möglichen Haushaltsbefristung fest, muss sich ein Arbeitnehmer damit abfinden, nach Erreichen der Fünfjahresgrenze drei Jahre lang nicht erneut beschäftigt zu werden.
- Weitgehend ausgehebelt wäre die auf einem gerichtlichen Vergleich beruhende Befristung (Nr. 8): Steht die Wirksamkeit der Kündigung eines fünf Jahre oder länger dauernden Arbeitsverhältnisses im Streit, könnte der Konflikt nicht mehr dadurch gelöst werden, dass der Arbeitnehmer vergleichsweise noch für eine bestimmte Zeit weiterbeschäftigt wird.
- Praktisch kein Anwendungsbereich verbliebe für die in § 14 Abs. 3 TzBfG vorgesehene besondere Befristung beschäftigungsloser Arbeitnehmer, die das 52. Lebensjahr vollendet haben.
- Die Einrechnung von Leiharbeitsverhältnissen in die Höchstdauer von fünf Jahren erschwerte den Übergang von Leiharbeitnehmern in reguläre Arbeitsverhältnisse. Wird, wie das etwa der Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit der Metallindustrie ausdrücklich zulässt, ein Leiharbeitnehmer wegen eines besonderen Sachgrundes, z.B. seiner speziellen Qualifikation für ein langfristiges, aber zeitlich begrenztes Projekt, fünf Jahre eingesetzt, könnte er danach nicht mehr in ein befristetes Arbeitsverhältnis, etwa zur Vertretung eines erkrankten Arbeitnehmers, übernommen werden, sondern müsste sehen, wie er anderweit als Leiharbeitnehmer zurechtkommt.
Die Beispiele zeigen: Die Koalition täte gut daran, es bei den Grenzen zu belassen, welche das BAG Kettenbefristungen gezogen hat. Sie könnte sich dabei zu Gute halten, dass die von ihr ebenfalls vorgesehene Begrenzung der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG auf 18 Monate mit einmaliger Verlängerung im System des BAG von selbst zu einer weiteren Beschränkung von Kettenbefristungen führt: Die zweite Stufe wäre danach schon bei einer Gesamtdauer befristeter Arbeitsverhältnisse von mehr als sechs Jahren oder mehr als vier Verlängerungen oder aber bei einer Gesamtdauer von mehr als viereinhalb Jahren und mehr als drei Verlängerungen erreicht. Die dritte Stufe griffe ab einer Gesamtdauer von mehr als siebeneinhalb Jahren oder mehr als fünf Verlängerungen oder aber bei einer Gesamtdauer von mehr als sechs Jahren und mehr als vier Verlängerungen.
Weitergehende Beschränkungen müssten jedenfalls von der Einbeziehung unbefristeter Arbeitsverhältnisse und von Leiharbeitsverhältnissen in die Vorbeschäftigungszeit absehen. Auch müssten besondere Umstände das Überschreiten gezogener numerischer Grenzen rechtfertigen können. Sonst schlüge der Schutz vor Rechtsmissbrauch um in die Beeinträchtigung legitimer Interessen auch der Arbeitnehmer.