Offene Fragen der Brückenteilzeit

Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, Leiter der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht an der Universität Freiburg und Rechtsanwalt in Lahr

Ein Interview von Bundesarbeitsminister Heil mit dem Deutschlandfunk zeigt, dass die Bundesregierung zügig ernst machen will mit der Brückenteilzeit. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sollen Arbeitnehmer das Recht erhalten, von ihrem Arbeitgeber eine Verringerung ihrer Arbeitszeit nur für einen begrenzten Zeitraum zwischen einem Jahr und fünf Jahren zu verlangen. Nach Ablauf dieses Zeitraums soll automatisch wieder die frühere Arbeitszeit gelten. Ausgenommen werden sollen Unternehmen mit bis zu 45 Beschäftigten. Für Unternehmen zwischen 46 und 200 Beschäftigten soll eine Quotenregelung gelten: Den Teilzeitanspruch soll dort immer nur ein Beschäftigter pro angefangene 15 Beschäftigte erhalten – wobei die ersten 45 Beschäftigten mitgezählt werden.

Befristungstatbestand der Vertretung als Pendant fehlt

Koalitionsvertrag wie Interview lassen freilich noch wichtige Fragen offen. Vor allem wird nichts zu der Lücke gesagt, welche die Brückenteilzeit hinterlässt. Meist wird sich diese nur durch die Einstellung von Vertretern bewältigen lassen. Benötigt werden diese aber nur für den Brückenzeitraum und müssen deshalb befristet angestellt werden können. Wie die Parallele der Elternzeit lehrt, funktioniert das nur, wenn ein entsprechender Befristungstatbestand eingeführt wird. Der Gesetzgeber wird also nach dem Vorbild von § 21 BEEG bestimmen müssen, dass ein die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender sachlicher Grund vorliegt, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines Arbeitnehmers eingestellt wird, der seine Arbeitszeit für einen begrenzten Zeitraum verringert hat. Dabei wird man, wie bei der Elternzeit, auch die Befristung für notwendige Zeiten einer Einarbeitung zulassen müssen.

An der Parallele zur Elternzeit wird noch ein weiteres Problem deutlich. Die Einstellung von Vertretern für Arbeitnehmer, die zeitweise nicht oder nur verringert arbeiten, führt zu einer Erhöhung der Arbeitnehmerzahl. Diese kann ihrerseits eine Überschreitung arbeitsrechtlicher Schwellenwerte zur Folge haben. Werden, wie im Koalitionsvertrag ebenfalls vorgesehen, in Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten sachgrundlose Befristungen nur noch ganz eingeschränkt zugelassen, könnte in einem Unternehmen mit bislang 71 Beschäftigten die Verwirklichung der möglichen fünf Teilzeitansprüche zur Überschreitung dieses Schwellenwerts führen. Die Beispiele lassen sich beliebig vermehren: Überschritten werden könnten die Schwellenwerte des § 17 KSchG für die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen, die Schwellenwerte für Freistellungen und für die Mit bestimmungs- und Mitwirkungsrechte in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten in der Betriebsverfassung und nicht zuletzt die Schwellenwerte der Mitbestimmungsgesetze.

Konkurrenz unter Mitarbeitern?

§ 21 Abs. 7 BEEG hat dieses Problem in der Weise gelöst, dass die sich in Elternzeit befindenden Arbeitnehmer bei den Schwellenwerten solange nicht mitgezählt werden, wie für sie ein Vertreter eingestellt ist. Man könnte auch so verfahren, dass Teilzeitbeschäftigter und Vertreter als ein Arbeitnehmer gezählt werden. Gelöst werden muss das Problem jedenfalls. Sonst führt die Brückenteilzeit zu einer gar nicht beabsichtigten Ausweitung des Geltungsbereichs arbeitsrechtlicher Gesetze.

Im Bereich zwischen 46 und 200 Beschäftigten kann es leicht dazu kommen, dass mehr Arbeitnehmer eine Arbeitszeitverringerung in Anspruch nehmen wollen als der Quote entspricht. Dass in einem Unternehmen mit 100 Beschäftigten nicht nur sieben, sondern vielleicht acht, neun oder zehn Beschäftigte in Teilzeit gehen wollen, lässt sich leicht vorstellen. Die Lösung dieses Konkurrenzproblems liegt beim Arbeitgeber. Er muss entscheiden, mit welchen Arbeitnehmern er Teilzeitverträge abschließt und bei welchen er den Abschluss ablehnt. Maßstäbe für diese Auswahlentscheidung enthält der Koalitionsvertrag nicht. Nach geltender Rechtslage muss sich der Arbeitgeber zwar an die Diskriminierungsverbote des AGG halten, ist im Übrigen aber in der Abwägung frei.

So bleiben muss das nicht. Der Gesetzgeber könnte Maßstäbe setzen, etwa wie bei der Festlegung des Urlaubszeitpunkts vorschreiben, dass Teilzeitwünsche zurückstehen müssen, wenn diejenigen anderer Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen. Oder er könnte die Entscheidung nach dem Vorbild der Entscheidung über die Teilnahme an Berufsbildungsmaßnahmen Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam übertragen –was freilich im Konfliktfall die Einschaltung der Einigungsstelle notwendig machte.

Verhältnis zum Haushaltsrecht im Öffentlichen Dienst?

Als Bestimmung des Teilzeit- und Befristungsrechts gälte der neue Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit mit Rückkehrrecht auch für Arbeitnehmer des Öffentlichen Dienstes. Wie sich dieser Anspruch zum Haushaltsrecht verhält, ist nicht geklärt. Für den bisher schon bestehenden Teilzeitanspruch hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass der öffentliche Arbeitgeber die Erfüllung ablehnen kann, wenn sein Kostenträger nur Mittel für Vollzeitbeschäftigte zur Verfügung stellt (LAG Düsseldorf vom 02.07.2003 – 12 Sa 407/03). Dass die Gerichte Teilzeitansprüche im Öffentlichen Dienst auch sonst unter den Vorbehalt des Haushaltsrechts stellen, ist nicht ausgeschlossen. Dem sollte durch eine ausdrückliche Vorschrift vorgebeugt werden. Sonst erweist sich der neue Rechtsanspruch als einseitige Benachteiligung der privaten Wirtschaft.

Fazit

Der Gesetzgeber hat durchaus noch Arbeit vor sich. Das sich abzeichnende „Augen zu und durch“ wäre unverantwortlich.

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