BAG: Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen werden durch vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen gehemmt

RA Andreas Börding, Dentons Europe LLP, Berlin

Ausschlussfristen sind ein bewährtes Mittel in vielen Arbeitsverträgen, um angesichts der in der Regel dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist schnell Rechtsfrieden zu schaffen. Zum Teil sind sie einstufig formuliert und verlangen, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist bei der anderen Vertragspartei geltend zu machen sind. Üblich sind aber auch zweistufige Ausschlussfristen, welche zusätzlich im Falle der Ablehnung oder des Ausbleibens einer Antwort verlangen, dass der auf erster Stufe geltend gemachte Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist eingeklagt wird.

Nach einer bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.06.2018 (Az. 5 AZR 262/17) hemmen Vergleichsverhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Ablauf einer Ausschlussfrist – die Ausschlussfrist wird im Ergebnis um die Dauer der Verhandlungen verlängert.

Arbeitgeber äußerte Verhandlungsbereitschaft

In dem zugrundeliegenden Fall wollte sich der klagende Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses offen gebliebene Urlaubstage und Überstunden von dem beklagten Arbeitgeber auszahlen lassen. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine zweistufige Ausschlussklausel mit Fristen von jeweils drei Monaten. Der Arbeitnehmer machte den Anspruch rechtzeitig auf erster Stufe geltend. Der Arbeitgeber lehnte ab, äußerte aber Verhandlungsbereitschaft. Die anschließenden Verhandlungen über ca. zwei Monate blieben ohne Erfolg. Erst ca. zwei Monate später erhob der Arbeitnehmer Klage. Arbeits- und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab, letztlich wegen Nichteinhaltung der zweiten Stufe der Ausschlussklausel. Vorliegend habe es der Arbeitnehmer versäumt, die Ansprüche rechtzeitig gerichtlich einzufordern. Insbesondere hätten die Vergleichsgespräche zwischen den Parteien im Vorfeld des Prozesses nicht zu einer Hemmung der dreimonatigen Ausschlussfrist geführt.

Das Bundesarbeitsgericht sah dies anders und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sei während der Vergleichsgespräche die Ausschlussfrist gehemmt und damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen. Zur Begründung verwies das Bundesarbeitsgericht auf vergleichbare Grundsätze des gesetzlichen Verjährungsrechts, konkret nach §§ 203 Satz 1, 209 BGB. Diese seien auf Ausschlussfristen im Arbeitsverhältnis entsprechend anwendbar.

Das Landesarbeitsgericht muss nun erneut über die Ansprüche des Klägers befinden und ggf. Beweis darüber erheben, ob sie begründet sind. Sie scheitern jedenfalls nicht an der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Arbeitnehmer dieses Mal vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg hat, vorbehaltlich des Ergebnisses einer ggf. durchzuführenden Beweisaufnahme.

Urteil mit Signalwirkung

Die Entscheidung ist höchst praxisrelevant, finden sich schließlich in vielen aktuellen Arbeitsverträgen zweistufige Ausschlussklauseln. Sie mag rechtlich vertretbar sein. Ob sie aber dem Sinn solcher Klauseln gerecht wird und dem Rechtsfrieden dient, muss die künftige Praxis zeigen, darf jedoch bezweifelt werden.

Viele werden die Entscheidung begrüßen, da sie die Bereitschaft fördere, außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zu führen, ohne den Ablauf der Ausschlussfrist unmittelbar „im Nacken“ zu haben. Damit können Verhandlungsspielräume ausgeschöpft werden, die andernfalls aus zeitlichen Gründen unterblieben.

Andere werden – nicht ganz zu Unrecht – einwenden, dass die Entscheidung nun von all denen als Einfallstor genutzt werden könnte, welche zwar Ansprüche einfordern und diesbezüglich korrespondieren, eine geltende Ausschlussklausel aber verkannt oder aus anderen Gründen nicht oder nicht rechtzeitig beachtet haben. Wer dies als Anspruchsgegner verhindern oder zumindest Planungssicherheit haben möchte, muss außergerichtliche Vergleichsgespräche ausdrücklich ablehnen – sei es von Vorherein oder nach Absehbarkeit des Scheiterns – und dies im Interesse der Nachweisbarkeit möglichst auch schriftlich und unmissverständlich tun. Sonst könnte sich später nach Klageerhebung eine Diskussion mit ungewissem Ausgang entwickeln, ob tatsächlich Vergleichsverhandlungen geführt wurden und wann sie spätestens beendet waren.

Sorgfältiges Abwägen ist gefragt

Die juristischen Berater werden hierauf möglicherweise reagieren und die Formulierung arbeitsvertraglicher Ausschlussklauseln anpassen, etwa im Wege des Ausschlusses der Hemmung des Fristablaufs durch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen. Damit würde aber die nächste, naturgemäß bislang nicht höchstrichterlich entschiedene Frage aufgeworfen, ob dies wirksam wäre.

Wer als Anspruchsteller nach wie vor auf Nummer sichergehen will, sollte Ausschlussfristen wahren. Diese Möglichkeit hätte hier übrigens auch der Kläger in dem Streitfall gehabt – nach dem Ende der Verhandlungen war noch ca. ein Monat Zeit bis zum Ablauf der Ausschlussfrist auf zweiter Stufe. Aus Sicht des Anspruchsgegners ist anzuraten, das Führen von Vergleichsverhandlungen sorgfältig abzuwägen und ggf. deren Ende unmissverständlich zu dokumentieren.

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