Verdi-Streiks bei Amazon dürften sich fortsetzen

RAin Aziza Yakhloufi, Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht, Rödl & Partner, Eschborn

Fast haben die Aufrufe Tradition. Während der US-Versandhändler Amazon seinen traditionellen Schnäppchentag ausruft, macht das auch die Gewerkschaft Verdi, die zeitgleiche Streiks in den großen Logistikzentren Deutschlands anstrebt. Arbeitsniederlegungen finden bevorzugt zu besonders umsatzstarken Zeiten statt, ob es das Weihnachtsgeschäft ist, der nun auch in Europa vermarktete „Black Friday“ oder zuletzt am „Schnäppchentag“, dem „Amazon Prime Day“. Der ist einer der verkaufsstärksten Tage des Unternehmens.

Hintergrund der regelmäßigen Konfrontation ist der seit 2013 bestehende Konflikt zwischen dem Versandhandelsriesen Amazon und der Gewerkschaft Verdi. Verdi fordert die Einführung des Tarifvertrags für den Einzelhandel für die rund 16.000 in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter. Amazon lehnt dies ab. Der Druck wurde erhöht, zuletzt wurde zeitgleich neben Deutschland auch in Spanien und Polen bestreikt, und auch für die Zukunft sind international gewerkschaftlich synchronisierte Streiks für umsatzstarke Tage geplant.

Aufgrund der Heftigkeit des seit 2013 schwelenden Konflikts und dessen Aktualität stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie ist dieses kontroverse Thema aus arbeitsrechtlicher Perspektive einzuordnen?

Das Streikrecht als garantiertes Mittel der Tarifautonomie

Der Streik ist das primäre Arbeitskampfmittel der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften. Durch die planmäßige und gemeinschaftlich durchgeführte Arbeitsniederlegung soll kollektiver Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt werden. Das Streikrecht ist, wie das ganze Arbeitskampfrecht, ein Ausfluss der verfassungsrechtlich garantieren Koalitionsfreiheit bzw. Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 GG.

Arbeitskampfrecht ist im wesentlichen Richterrecht. Die Rahmenbedingungen hierfür haben sich aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BAG entwickelt und setzen für einen rechtmäßigen Streik verschiedene Bedingungen voraus.

So dürfen Streiks nur durch die Träger der Tarifautonomie im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG, § 2 TVG ausgerufen werden. In der Praxis wird der Streik i.d.R. von einer Gewerkschaft getragen. Der Streik muss eine Regelung zum Ziel haben, die Gegenstand eines Tarifvertrags sein kann. Nicht erlaubt sind folglich politische Streiks, die das Ziel haben, Druck auf den Gesetzgeber auszuüben. Ferner darf kein Verstoß gegen die Friedenspflicht bestehen. So sind zum Beispiel Streiks für höheren Lohn während der Laufzeit eines Tarifvertrags unzulässig.

Und letztlich sollte ein Streik verhältnismäßig sein. Aufgrund der grundgesetzlich geschützten Stellung des Streiks kann von Unverhältnismäßigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn der Streik eine für das Unternehmen existenzvernichtende Dimension annimmt.

Der Konflikt zwischen Amazon und Verdi – ein gewöhnlicher Arbeitskampf

Legt man diese allgemeinen Grundsätze zugrunde, zeigt sich, dass auch der Konflikt zwischen Amazon und Verdi auf dem klassischen Spannungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht. Die Besonderheit liegt in diesem Fall in der Dimension des Streiks. Beide Parteien streiten schon im fünften Jahr. Das länderübergreifende Vorgehen, aufgrund Amazons europäischen Logistiknetzes, der Gewerkschaften wirft überdies weitere betriebsverfassungsrechtliche Fragen auf, die sicherlich noch Gegenstand weiterer Prüfung sein werden.

Hiervon unabhängig muss die Frage betrachtet werden, ob überhaupt der Tarifvertrag des Einzelhandels begehrt werden kann. Hierfür müssten die Tätigkeiten in den Versandzentren mit denen im Einzelhandel vergleichbar sein.

Betrachtet man alle diese Aspekte zusammen, liegt eine Einigung in weiter Ferne. Es spricht viel dafür, dass dieser Streik nicht der Letzte gewesen ist.

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