Nicht nur bei der Übertragung von Geschäftsanteilen, sondern auch bei gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen stellt sich in der Praxis vielfach die Frage, ob die Beurkundung der Dokumentation durch einen Notar in der Schweiz vorgenommen werden kann. Insbesondere bei hohen Gegenstandswerten erscheint es reizvoll, die Gebühren des BNotKG zu umgehen und die günstigere Variante in der Schweiz zu wählen. Das Kammergericht in Berlin hat sich nunmehr vor dem Hintergrund einer Verschmelzung zu dieser Frage geäußert (Beschluss vom 26.07.2018 – 22 W 2/18).
Hintergründe
Die zentrale Frage bei einer Beurkundung durch einen schweizerischen Notar ist, ob – insbesondere durch die Registergerichte in Deutschland – die Beurkundung anerkannt wird. Wird eine Anerkennung verweigert, drohen unerwünschte Verzögerungen.
Die relevante Rechtsgrundlage für diese Frage ist Art. 11 Abs. 1 EGBGB, welcher – im gesellschaftsrechtlichen Kontext – das auf die notwendige Form anwendbare Recht regelt. Ein Rechtsgeschäft ist danach formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Alt. 1, sog. Wirkungs- beziehungsweise Geschäftsstatut), oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (sog. Ortsstatut).
Die heute herrschende Meinung geht davon aus, dass bei gesellschaftsrechtlichen Grundlagengeschäften beziehungsweise statusrelevanten gesellschaftsrechtlichen Vorgängen (etwa Gründung oder Satzungsänderung) Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB, also das Ortsstatut, nicht anwendbar sein soll. Bei Grundlagengeschäften gilt demnach stets das Wirkungsstatut, mithin bei Gesellschaften deutschen Rechts die Formerfordernisse nach deutschem Recht. Dies schließt aber nicht aus, dass die Formerfordernisse nach deutschem Recht (insbesondere die notarielle Beurkundung) durch die Beurkundung vor einem ausländischen Notar erfüllt werden können. In der Praxis relevant ist vor allem die Beurkundung vor schweizerischen Notaren. Nach der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung kommt es auf die Gleichwertigkeit der ausländischen Beurkundung an. Eine solche Gleichwertigkeit mit einer deutschen Beurkundung ist dann gegeben, wenn sowohl die ausländische Urkundsperson nach Vorbild und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt als auch das anzuwendende Verfahrensrecht den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Diese Grundsätze gehen zurück auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1981 (Beschluss vom 16.02.1981 – II ZB 8/80). Das Notariatswesen ist in der Schweiz von Kanton zu Kanton unterschiedlich geregelt, weshalb eine Gleichwertigkeit der Beurkundung durch schweizerische Notare nicht pauschal angenommen werden kann. Jeder Kanton muss unabhängig voneinander betrachtet werden. Mittlerweile existieren soweit ersichtlich Entscheidungen deutscher Gerichte für die Kantone Zürich (u.a. BGH, Beschluss vom 16.02.1981 – II ZB 8/80), Basel-Stadt (u.a. BGH, Beschluss vom 17.12.2013 – II ZB 6/13) und Bern (KG, Beschluss vom 24.01.2018 – 22 W 25/16).
Zuletzt hatte das Kammergericht in seinem Beschluss vom 24.01.2018 die Beurkundung der Gründung einer GmbH durch einen Notar aus dem Kanton Bern für mit der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig erkannt. Sowohl die Urkundsperson in Gestalt des bernischen Notars als auch das für die Errichtung einer notariellen Urkunde anwendbare Verfahrensrecht entspreche deutschem Beurkundungsrecht. Insbesondere stützte sich das Kammergericht auf die Tatsache, dass die Urkunde im konkreten Fall verlesen worden war.
Neue Entscheidung des Kammergerichts
In seiner jüngsten Entscheidung vom 26.07.2018 (22 W 2/18) hat das Kammergericht zur Zulässigkeit der Beurkundung einer Verschmelzung zweier deutscher GmbHs durch einen Notar im Kanton Basel-Stadt Stellung genommen. Das Registergericht hatte zuvor die Eintragung der Umwandlung abgelehnt, da die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags und des Verschmelzungsbeschlusses durch einen Notar des Kantons Basel-Stadt die Formerfordernisse der §§ 6, 13 UmwG nicht erfülle.
Das Kammergericht hält die Formerfordernisse bei Beurkundung im Kanton Basel-Stadt für erfüllt und hält sich dabei eng an die Grundsätze, welche der 22. Zivilsenat bereits in seiner Entscheidung vom 24.01.2018 ausgeführt hat. Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass bei statusrelevanten gesellschaftsrechtlichen Vorgängen (wozu eine Verschmelzung im Einklang mit der herrschenden Meinung zählt) allein das Wirkungsstatut nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB maßgeblich sei. Die Beurkundung durch einen ausländischen Notar sei jedoch möglich, wenn im Einzelfall eine Gleichwertigkeit der ausländischen Beurkundung vorliege. Das Kammergericht prüft sodann die Vorschriften des Notariatsgesetzes des Kantons Basel-Stadt und bejaht die Gleichwertigkeit der Urkundsperson und des anwendbaren Verfahrensrechts. Das Verfahrensrecht sei sowohl hinsichtlich solcher Verfahren gleichwertig, bei denen es um die Beurkundung von Willenserklärungen geht (Verschmelzungsvertrag) als auch in Bezug auf sog. Sachbeurkundungen (etwa Vorgänge in Gesellschafterversammlungen und darin gefasste Beschlüsse). Das Gericht nimmt erneut explizit die ausländischen Vorschriften zur Verlesung der Urkunde ins Auge, wonach die Urkunde entweder verlesen werden muss oder den Beteiligten zur Selbstlesung vorzulegen ist. Dabei könne offen bleiben, ob die Selbstlesung ausreiche, da im konkreten Fall eine Verlesung der Urkunde stattgefunden hatte. Beachtenswert ist, dass das Kammergericht dennoch zu erkennen gibt, dass es dazu neige, auch eine Selbstlesung für ausreichend zu erachten.
Im Anschluss daran setzt sich das Gericht noch mit der – in der Literatur vielfach geäußerten – Ansicht auseinander, dass eine Gleichwertigkeit bereits deswegen abzulehnen sei, weil dem Beurkundungserfordernis nach §§ 6, 13 UmwG auch der Zweck der materiellen Richtigkeitsgewähr zugrunde liege. Auch bestehe stets eine Beratungs- und Belehrungspflicht des Notars. Ein solcher Zweck beziehungsweise eine solche Pflicht könnten durch einen ausländischen Notar ohne ausreichende Kenntnisse des deutschen Rechts nicht erfüllt werden. Das Kammergericht verneint eine solche Einschränkung des Art. 11 Abs. 1 EGBGB mit der Begründung, dass § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG (Beratungs- und Belehrungspflicht) lediglich eine Sollvorschrift sei und darüber hinaus die eigentliche Prüfungspflicht weiterhin dem Registergericht obliege.
Fazit
Die jüngste Entscheidung des Kammergerichts lässt hoffen, dass sich in der praxisrelevanten Frage der Zulässigkeit einer notariellen Beurkundung in der Schweiz oder anderweitig im Ausland bald eine einheitliche Rechtsprechung einstellt. Am Kammergericht in Berlin scheint dies mit der in ihren Grundsätzen nunmehr bestätigten Linie des 22. Zivilsenats der Fall zu sein. Bemerkenswert ist, dass das Kammergericht sich an mehreren Stellen seiner Entscheidung zu der Aussage hinreißen lässt, dass eine Beurkundung eher durch einen deutschen Notar vorgenommen werden sollte, da eine solche Beurkundung deren Richtigkeit nahe lege. Trotz dieses dictums bleibt das Gericht auf seiner bisherigen Linie und betreibt Rechtsfortbildung insoweit, dass nunmehr auch für die Zulässigkeit der Beurkundung umwandlungsrechtlicher Vorgänge im Ausland eine – bejahende – obergerichtliche Rechtsprechung existiert. Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis auf diese neue Entwicklung reagiert. In jedem Fall wird die Entscheidung für oder gegen eine Beurkundung in der Schweiz eine Frage des Einzelfalls bleiben, im Rahmen dessen alle Chancen und Risiken einer solchen Vorgehensweise gegeneinander abzuwägen sind.