Gelockerter Kündigungsschutz für Risk Taker?

RA/FAArbR Dr. Till Hoffmann-Remy, KLIEMT.Arbeitsrecht, Frankfurt/M.

Die Planungen der Bundesregierung für eine Lockerung des Kündigungsschutzes für bestimmte, als wenig schutzwürdig empfundene Personengruppen im Bankensektor schreiten voran. Nunmehr liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vor – der mehr Fragen aufwirft, als er sie beantwortet.

Koalitionsvertrag und Referentenentwurf

Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition vom 14.03.2018 (Rn. 3189 ff. / S. 70) ist die Absicht festgeschrieben, den Kündigungsschutz für sogenannte Risk Taker in Banken zu lockern und diese den leitenden Angestellten gleichzustellen. Mehr oder weniger offenkundiger Hintergrund dieser Regelungsabsicht war es, die Attraktivität des Standortes Deutschland für die Finanzindustrie im Zuge des „Brexit“ zu stärken, um dadurch den zu erwartenden Exodus verschiedener Kreditinstitute vom Standort London gezielt an den Finanzplatz (insbesondere) Frankfurt umzulenken.

Nunmehr liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) für ein „Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über steuerliche Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Steuerbegleitgesetz – Brexit-StBG)“ vor. Trotz der eher abschreckenden Betitelung verbergen sich darin für Arbeitsrechtler spannende Erkenntnisse.

So sieht der Referentenentwurf eine Anpassung des § 25a Kreditwesengesetz (KWG) vor. In diesem soll es zukünftig heißen:

„(5a) Auf Risikoträger und Risikoträgerinnen bedeutender Institute, deren jährliche fixe Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung im Sinne des § 159 SGB VI überschreitet und die keine Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte sind, die

zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, findet § 9 Absatz 1 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf. § 14 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes bleibt unberührt.“

Die Übergangsbestimmung des § 64m KWG sieht vor, dass diese Änderung „erstmals für Kündigungen anzuwenden [ist], die nach Ablauf von acht Monaten nach [dem Inkrafttreten des Gesetzes] zugehen.“

Was genau soll also in Zukunft gelten?

Für wen gilt die Neuregelung?

Die Regelung erfasst dem Grundsatz nach Risikoträger im Sinne des § 2 Abs. 8 InstVgV, welche bei bedeutenden Instituten im Sinne von § 17 InstVgV beschäftigt sind, ohne Leitende Angestellte zu sein. Weiterhin muss der oder die Betroffene eine jährliche regelmäßige Grundvergütung erzielen, die das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet – also derzeit EUR 234.000 brutto (West) bzw. EUR 208.000 brutto (Ost – sofern überhaupt relevant). Die Begründung hierfür: Es sei „davon auszugehen, dass [der Arbeitnehmer] einen hohen Beitrag zu den Geschäftszielen des Instituts leistet, und dass seine berufliche Tätigkeit wesentliche Auswirkungen auf das Risikoprofil des Instituts hat.“ Das BMF geht davon aus, die Regelung werde deutschlandweit nicht mehr als 5.000 Personen betreffen.

… und für wen gilt sie nicht?

Für Risk Taker mit einem Gehalt unter der vorbenannten Grenze verbliebe es ebenfalls bei den derzeit geltenden Regelungen. Gleiches gilt für einen Risk Taker, der schon jetzt (echter) Leitender Angestellter im Sinne des KSchG ist.

Mechanismus

Die Neuregelung soll Risk Taker im vorgenannten Sinne leitenden Angestellten „gleich stellen“. Gemeint ist: Ihnen soll nicht mehr der allgemeine Bestandsschutz zu Gute kommen, sondern nur noch der in den §§ 14 Abs. 2 S. 2, 9 Abs. 1 S. 2 KSchG niedergelegte begrenzte Abfindungsschutz – selbst dann, wenn sie keine Befugnis zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern besitzen. Arbeitgeber sollen dann im Nachgang einer (sozial ungerechtfertigten) Kündigung nicht mehr darlegen müssen, aus welchen Gründen eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden kann, um dennoch gegen Zahlung einer Abfindung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewirken zu können.

Die Regelung soll erstmalig für Kündigungen gelten, die acht Monate nach Inkrafttreten der Neuregelung ausgesprochen werden. Eine Begründung für diese Frist findet sich im Gesetzesentwurf nicht – ob dies einem Zusammenhang zum erwarteten Zeitplan für den „Brexit“ oder einem bloßen Formelkompromiss der Koalitionspartner geschuldet ist, bleibt also nebulös.

Unzureichender Begründungsansatz

Festzuhalten ist zunächst: Der Ansatz, den Kündigungsschutz von bestimmten „Risk Takern“ unter den Aspekt der Finanzmarktstabilität zu fassen, ist ein offensichtliches Feigenblatt. In der Sache geht es um eine wirtschaftspolitische Maßnahme, um den Standort Deutschland für ausländische Kreditinstitute attraktiver zu gestalten. Ob dieses Ziel rein durch die Lockerung des Kündigungsschutzes für einen relativ überschaubaren Kreis von Personen erreichen lässt, mag dahingestellt bleiben.

Gleichbehandlungsprobleme

Soweit hier maßgeblich, ergibt sich jedoch die Frage, weshalb ein branchenspezifischen „Sonderrecht“ gerechtfertigt sein soll, wenn und weil die gesamte Argumentation des Gesetzesentwurfes an der Systemrelevanz von Banken und deren Beitrag zur Finanzmarktstabilität aufgehängt ist. Eine Einschränkung des Kündigungsschutzes kann schlicht nicht durch aufsichtsrechtliche Erfordernisse gerechtfertigt werden; es kann allein um die Bedeutung von Risk Takern im Verhältnis zu ihren Arbeitgebern (Instituten) gehen.

Und hier bricht die Logik des Entwurfes: Was ist mit Risk Takern im Versicherungsbereich? (Die Argumentation des Gesetzesentwurfes, Versicherungen würden sich häufiger gegen Risiken rückversichern und seien daher nicht so stark gefährdet, überzeugt jedenfalls nicht.) Was gilt für Risikoträger nach § 37 Abs. 1 S. 1 KAGB und wieso sollen diese anders zu bewerten sein? Weshalb soll der Kündigungsschutz für Risk Taker in Banken anders angelegt werden als – beispielsweise – der Kündigungsschutz von Profi-Fußballspielern oder Schlüsselpersonen in der Industrie außerhalb des Leitenden Angestellten-Status?

Der Referentenentwurf setzt sich zwar mit einer möglichen Einschränkung von Art. 12 GG und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip auseinander, erschöpft sich aber im Wesentlichen in der Feststellung, weil man sich vor dem Hintergrund der Finanzmarktstabilität auf Banken (und dort bedeutende Institute) beschränke, sei die Einschränkung hinnehmbar. Das ist bestenfalls zirkelschlüssig. So, wie er derzeit verfasst ist, verstößt der Referentenentwurf relativ offenkundig gegen Art. 3 GG.

Regelungstechnisch fraglich ist zudem die Frage, inwieweit eine Reduzierung des gesetzlichen Kündigungsschutzes durch Anknüpfung an eine Verordnung (InstVgV) ohne Gesetzesqualität erfolgen kann und darf.

Sinnvolles Ziel – aber mangelhafte Ausgestaltung

Das heißt nicht, dass eine vergütungsbezogene Differenzierung des Kündigungsschutzes (oder gar eine vollständige Wandlung des Kündigungsschutzes weg von einem Bestandsschutz und hin zu einem Abfindungsschutz) nicht möglich oder sogar wünschenswert wäre, wollte man einen echten Versuch unternehmen,  die bestehenden wirtschaftlichen Standortnachteile auszugleichen.

Dies müsste dann jedoch übergreifend und einheitlich geschehen – was mit deutliche mehr politischen Widerständen verbunden wäre als „nur“ die Änderung des Kündigungsschutzes für eine kleine Gruppe von Personen, die „im Auge der Allgemeinheit“ als wenig schutzwürdig angesehen werden. Der Referentenentwurf versucht, genau diese Problematik zu umgehen, krankt aber erwartungsgemäß an erheblichen rechtlichen Problemen.

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