Fachkräfteeinwanderungsgesetz – eine Bestandsaufnahme

RA Dr. Gunther Mävers, Maître en droit (Aix-en-Provence), michels.pmks Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Köln

Am 19.12.2018 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes verabschiedet, der am 04.01.2019 dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet worden ist (BR-Drucks. 7/19). Bereits im Koalitionsvertrag vom 04.03.2018 hatte sich die Große Koalition unter der Überschrift „Wir regeln die Zuwanderung von Fachkräften“ folgendes vorgenommen: „Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das den steigenden Bedarf an Fachkräften durch Erwerbsmigration neu und transparent regelt. Orientierung sowohl an volkswirtschaftlichen Erfordernissen als auch an Qualifikation, Alter, Sprache, Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes und Sicherung des Lebensunterhalts.“ Nach der Vorlage von ersten konkreten Vorschlägen in einem Eckpunktepapier im August 2018 durch das federführende Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (unter dem Titel „Eckpunkte zum kohärenten Ansatz Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“) und einer sich in den Folgemonaten anschließenden kontroversen Diskussion kommt der Gesetzgeber diesem Regelungsauftrag nun nach.

Statt der Schaffung eines Einwanderungsgesetzbuches hat sich der Gesetzgeber – was durchaus sinnvoll ist – für die punktuelle Lockerung und Ergänzung der bestehenden Regelungen entschieden. Die Neuregelungen sollen die Attraktivität des Standortes Deutschland für Fachkräfte sowohl durch einige materiell-rechtliche Änderungen als auch durch zahlreiche Verfahrenserleichterungen steigern helfen.

Materiell-rechtliche Änderungen

In materiell-rechtlicher Hinsicht sind die folgenden wesentlichen Änderungen beabsichtigt:

  • Verzicht auf Vorrangprüfung und Engpassbetrachtung

Entsprechend dem grundsätzlichen Verzicht auf die Vorrangprüfung und die Engpassbetrachtung sollen Fachkräfte fortan bei Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebotes beschäftigt werden können, wenn die erworbene Qualifikation sie zur Ausübung der Beschäftigung befähigt. Dies gilt sowohl für Fachkräfte mit Berufsausbildung als auch für solche mit akademischer Ausbildung.

  • Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte

Die Möglichkeiten des Aufenthalts zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte sind nun in einer Norm (§ 20 AufenthG-E) zusammengefasst und ausgeweitet worden, so dass fortan – analog zur Regelung für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung – auch für Fachkräfte mit Berufsausbildung die Möglichkeit zur befristeten Einreise zur Arbeitsplatzsuche von bis zu sechs Monaten bei Vorliegen bestimmter weiteren Voraussetzungen (u.a. Sprachkenntnisse; gesicherter Lebensunterhalt; mindestens gleich langer vorheriger Aufenthalt im Ausland) besteht. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt in beiden Fällen zur Ausübung von Probearbeiten bis zu 10 Stunden je Woche. All dies soll ausweislich der Gesetzesbegründung für fünf Jahre befristet erprobt werden.

  • Fachkräfte mit Berufsausbildung / akademischer Ausbildung

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft (mit Berufsausbildung oder akademischer Ausbildung) setzt gem. § 18 Abs. 2 AufenthG-E voraus, dass

  1. ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt,
  2. die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat
  3. eine Berufsausübungserlaubnis erteilt oder zugesagt wurde, soweit diese erforderlich ist, und
  4. die Feststellung der Gleichwertigkeit der Qualifikation vorliegt, soweit dies erforderlich ist.

Einer Fachkraft mit Berufsausbildung kann gem. § 18a AufenthG-E eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erteilt werden, wenn die erworbene Qualifikation sie zur Ausübung der Beschäftigung befähigt. Im Rahmen der Anwendung der Vorschrift ist die in der allgemeinen Regelung des § 18 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG-E enthaltene Legaldefinition der Fachkraft mit beruflicher Ausbildung zu beachten. Hiernach ist Fachkraft ein Ausländer, der eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzt (Fachkraft mit Berufsausbildung).

Auch einer Fachkraft mit akademischer Ausbildung kann nach dem Grundsatz des § 18b Abs. 1 AufenthG-E eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung in den Berufen erteilt werden, zu der sie ihre Qualifikation befähigt. Im Rahmen der Anwendung der Vorschrift ist die in der allgemeinen Regelung des § 18 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG-E enthaltene Legaldefinition der Fachkraft mit akademischer Ausbildung zu beachten. Hiernach ist Fachkraft ein Ausländer, der einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzt (Fachkraft mit akademischer Ausbildung).

Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Beschäftigung neben den Voraussetzungen, die sich aus § 18 AufenthG-E ergeben, nicht nur in Berufen ausgeübt werden können, die einen Hochschulabschluss voraussetzen, sondern auch in Berufen, die im bestehenden fachlichen Kontext üblicherweise eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen. Damit wird akademischen Fachkräften der Berufseinstieg auch unterhalb ihrer Qualifikation ermöglicht. Grundsätzlich – so lautet es in der Gesetzesbegründung weiter – sollte es jedoch das Ziel sein, dass auch diese akademischen Fachkräfte langfristig tatsächlich als Fachkräfte einen der Qualifikation angemessenen Arbeitsplatz haben, was angesichts des Fachkräftemangels in der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung sei. Ob die Fachkraft eine Beschäftigung ausüben wird, zu der ihre Qualifikation befähigt, prüft die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Zustimmung (§ 39 Abs. 2 Nummer 2 AufenthG-E). Nur bei der Blauen Karte EU (§ 18b Abs. 2 AufenthG-E) bleibt der strengere Maßstab der Angemessenheit der Beschäftigung im Verhältnis zur Ausbildung erhalten.

Des Weiteren kann einer Fachkraft mit akademischer Ausbildung gem. § 18b Abs. 2 AufenthG-E unter bestimmten Voraussetzungen eine Blaue Karte EU zum Zweck einer der Qualifikation angemessenen Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden. Die Regelung entspricht zu großen Teilen inhaltlich den bisherigen (derzeit in § 19a AufenthG / § 2 BeschV enthaltenen) Vorschriften.

 

  • sonstige Änderungen

Weitere Änderungen des Gesetzentwurfes würden folgende Themen betreffen: Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte mit beruflicher Ausbildung; Aufenthaltserlaubnis für Ausländer mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen in bestimmten Berufen (Positivliste); Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung von ergänzenden Qualifizierungsmaßnahmen und zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Diese können hier nur benannt, nicht aber inhaltlich im Einzelnen vorgestellt werden.

Verfahrensrechtliche Änderungen

Des Weiteren enthält der Gesetzesentwurf einige Änderungen das Verfahren betreffend.

  • Errichtung einer zentralen Ausländerbehörde

Nach der neugefassten Vorschrift des § 71 AufenthG-E soll eine zentrale Ausländerbehörde errichtet werden. Anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen, soll diese indes nur zuständig sein für das Visumsverfahren und nicht für das sich anschließende Verfahren zur Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis. Dies ist ausgesprochen misslich, da auch und gerade hier oft Engpässe durch unverhältnismäßig lange Wartezeiten (von mehreren Monaten) auftreten.

  • beschleunigtes Fachkräfteverfahren

81a AufenthG-E sieht ferner die Einführung eines beschleunigten Fachkräfteverfahrens vor. Während die Antragstellung grundsätzlich dem Ausländer obliegt (§ 81 Abs. 1 AufenthG), soll dieser den (zukünftigen) Arbeitgeber hiernach u.a. für die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bevollmächtigen können, ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren zu beantragen (§ 81a Abs. 1 AufenthG-E). Sodann sollen die Ausländerbehörde und der (bevollmächtigte) Arbeitgeber eine Vereinbarung (!) schließen, die u.a. folgenden Inhalt umfassen soll:

  1. Kontaktdaten des Ausländers, des Arbeitgebers und der Behörde,
  2. Bevollmächtigung des Arbeitgebers durch den Ausländer,
  3. Verpflichtung des Arbeitgebers, auf die Einhaltung der Mitwirkungspflicht des Ausländers hinzuwirken,
  4. vorzulegende Nachweise,
  5. Beschreibung der Abläufe einschließlich Beteiligter und Erledigungsfristen,
  6. Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers und
  7. Folgen bei Nichteinhalten der Vereinbarung

Ungeachtet dieser Einbindung des Arbeitgebers bleibt die Ausländerbehörde (natürlich) Herrin des Verfahrens im Übrigen und soll gem. § 81a Abs. 3 AufenthG-E den Arbeitgeber zum Verfahren und zu den einzureichenden Nachweisen beraten, ggf. die Prüfung der Anerkennung eines Abschlusses in die Wege leiten, die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit – so erforderlich – einholen und die zuständige Auslandsvertretung über die bevorstehende Visumsantragstellung zu informieren sowie der Visumserteilung vorab unverzüglich zuzustimmen.

  • Fortgeltung der Vorrangprüfung

Hierneben bleibt die bisherige Möglichkeiten zur Beschleunigung des Verfahrens nach § 36 Abs. 3 BeschV durch die Einleitung einer Vorabprüfungsanfrage bei der Bundesagentur für Arbeit für den Fall einer erforderlichen Zustimmung unmittelbar durch den Arbeitgeber (§ 36 Abs. 3 BeschV) bestehen.

Fazit und Ausblick

Durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz würden die Regelungen für den Aufenthalt und die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaat dem wirtschaftlichen Bedarf entsprechend gezielt geöffnet sowie neu systematisiert und insgesamt klarer und transparenter gestaltet. Der von vielen geforderte Systemwechsel (von einer Einwanderung nach Beschäftigungskategorien hin zu einem points-based-System) ist indes ebenso ausgeblieben wie – das Arbeitsmigrationsrecht steht auch insoweit dem Arbeitsrecht nicht nach – die Zusammenführung sämtlicher Vorschriften in einem Einwanderungsgesetzbuch. Flankiert werden diese Regelungen durch zahlreiche, inhaltlich auch sehr weitreichende Verfahrensreglungen. Auch wenn dies einen Schritt in die richtige Richtung bedeutet, werden die Neuerungen wohl kaum ausreichen, um der in der Praxis als Haupthemmnis empfundenen Länge der Bearbeitungsdauer entgegenzuwirken. Insgesamt wird ein ausgewogenes Ergebnis erzielt, welches dem selbsterklärten Ziel, Deutschland für die Zuwanderung von Fachkräften attraktiver zu machen, ein Stück weit gerechter wird.

Es bleibt abzuwarten, ob der Entwurf des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren weiteren inhaltlichen Änderungen unterzogen werden wird. Die politische Diskussion kurz vor Verabschiedung der Kabinettsfassung kurz vor Weihnachten hat sehr deutlich gezeigt, dass die Einflussnahme (natürlich) der Parteien und Lobbyisten, aber insbesondere auch der betroffenen Länder und Behörden (Auslandsvertretungen wie Ausländerbehörden) erheblich ist. Dies zeigt sich auch daran, dass die Neuregelungen erst nach Ablauf eines Übergangszeitraumes von 6 Monaten überhaupt in Kraft treten würden, um den Behörden einen entsprechenden Vorlauf für die erforderlichen Anpassungen zur Verfügung zu stellen. Die weitere Entwicklung wird mit Spannung zu verfolgen sein.

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