Die steuerlich brisanten Cum-/Ex-Geschäfte der Vergangenheit werden derzeit auch zivilrechtlich aufgearbeitet. Je nach Konstellation könnten den Vertragsparteien Schadensersatzansprüche zustehen. Angesichts der mehrstelligen Millionenbeträge sollten etwaige Ansprüche und Verjährungsfristen untersucht werden. Anderenfalls könnten sich Geschäftsleitungen selbst einem Vorwurf treuwidrigen Verhaltens aussetzen.
Anerkannter Schadensersatzanspruch
Im April 2018 sprach erstmals ein Gericht einer Bank als Vertragspartei eines Cum-/Ex-Geschäfts Schadensersatz zu (LG Frankfurt a.M. vom 25.04.2018 – 2-12 O 262/16, Berufung eingelegt). Wie bei vergleichbaren Transaktionen üblich, hatte ein Kauf über Aktien deutscher Gesellschaften kurz vor dem Dividendenstichtagvorgelegen. Der Schadensersatzanspruch bezog sich auf Kapitalertragsteuer, die die Käuferin nachentrichten musste. Nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. hatte eine Depotbank, die als Verkäuferin im Cum-/Ex-Geschäft auftrat, eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Sie hätte Kapitalertragsteuer für Zwecke der Abführung an das Finanzamt einbehalten müssen. Presseberichten zufolge hat nunmehr eine weitere Bank Klage erhoben und bezieht sich dabei auf dieses Urteil des LG Frankfurt a.M.
Zivilrechtliche Ansprüche noch durchsetzbar?
Die Finanzverwaltung untersucht derzeit offenbar Cum-/Ex-Geschäfte aus den kritischen Veranlagungszeiträumen bis 2012. Eine Reihe weiterer Akteure haben entsprechende Steuerbescheide bereits erhalten oder müssen im Zuge der laufenden Untersuchungen noch mit ihnen rechnen. Bei diesen Akteuren kann es sich um Banken oder sonstige an Cum-/Ex-Geschäften beteiligte Unternehmen der Finanzbranche handeln. Es drängt sich die Frage auf, ob etwaige zivilrechtliche Ansprüche angesichts einer regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren überhaupt noch durchsetzbar sind. Geht es um Schadensersatzansprüche aufgrund einer geänderten steuerlichen Behandlung, ist nach der BGH-Rechtsprechung frühestens auf die Zustellung eines nachteiligen Steuerbescheides abzustellen. Die Frist beginnt zu laufen, sobald das Vermögen des Betroffenen tatsächlich geschädigt wird. Dies tritt erst mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Steuerbescheides ein und nicht bereits durch die Geschehnisse im Vorfeld. Als Folge werden der Fristbeginn und daher der Eintritt der Verjährung hinausgeschoben. Somit haben Geschädigte in vergleichbaren Fällen grundsätzlich mindestens drei Jahre nach Zustellung des Steuerbescheides Zeit, Ansprüche zu prüfen. Darüber hinaus können die Beteiligten durch die Aufnahme von Verhandlungen mit der Gegenseite oder eine Klageerhebung den Fristlauf hemmen.
Frage nach Haupt- oder Nebenpflicht ist entscheidend
Die Dreijahresfrist gilt jedoch nur dann, wenn der Einbehalt der Kapitalertragsteuer als eine sogenannte Nebenpflicht und nicht etwa als Teil der Hauptpflicht des Kaufvertrags verstanden wird. Hauptpflicht in einem Kaufvertrag ist die mangelfreie Lieferung. Das LG Frankfurt a.M. ging von der Verletzung einer Nebenpflicht aus und wählte eine für die Käuferseite unter Verjährungsaspekten günstige Variante.
Das Fehlverhalten auf Verkäuferseite ließe sich allerdings auch als Verletzung einer Hauptflicht nach der kaufvertraglichen Gewährleistung beurteilen. Dann stellte die unterbliebene Abführung von Kapitalertragsteuer einen kaufrechtlichen Mangel dar, für den die Verkäuferseite einzustehen hat. Im Ergebnis führt auch dieser Weg zu einem Schadensersatzanspruch. Ein relevanter Unterschied liegt in der dann geltenden zweijährigen Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Die Zweijahresfrist beginnt grundsätzlich bereits mit Ablieferung einer Sache oder der Abtretung eines Rechts zu laufen. Bei Aktienkäufen in derartigen Konstellationen würde grundsätzlich bereits die Umbuchung im Rahmen der Girosammelverwahrung und nicht etwa erst die Zustellung der Steuerbescheide den Fristlauf auslösen.
Die vom LG Frankfurt a.M. angewendete Dreijahresfrist des § 195 BGB beginnt stattdessen erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Im laufenden Jahr 2019 könnten demnach noch zivilrechtliche Ansprüche auf Grundlage von Steuerbescheiden geltend gemacht werden, die im Jahr 2016 zugestellt wurden. Bei Anwendung der zweijährigen Verjährungsfrist stünde diesen Ansprüchen mittlerweile die Einrede der Verjährung entgegen. Die vorgenannte strengere Zweijahresfrist gilt jedoch nicht uneingeschränkt.
Wird einem Käufer ein Mangel arglistig verschwiegen, so ordnet § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB an, dass stattdessen die Dreijahresfrist des § 195 BGB gilt. Der Fristbeginn wird entsprechend hinausgeschoben. Diese Arglist hat der Käufer jedoch zu beweisen. In der Praxis dürfte dies angesichts der komplexen Sachverhalte bei Cum-/Ex-Geschäften oft schwierig sein. Die Komplexität besteht unter anderem darin, dass den einzelnen Käufen und Verkäufen ihr Zusammenhang als Cum-/Ex-Geschäft nicht ohne weiteres anzusehen ist.
Strengere Maßstäbe für Kaufleute
Da es sich bei den Vertragsparteien regelmäßig um Kaufleute im Sinne des HGB handelt, könnte zudem die strikte Rügeobliegenheit nach § 377 HGB zur Anwendung kommen. Sie bestimmt, dass der Käufer bei Kaufverträgen die Ware nach der Ablieferung unverzüglich zu untersuchen und einen Mangel dem Verkäufer zu melden hat. Anderenfalls gilt die Ware als genehmigt. Der Verkäufer kann sich auf diese Vorschrift nicht berufen, wenn er selbst den Mangel arglistig verschwiegen hat. Inwieweit die Vorschrift zur Rügeobliegenheit auf Cum-/Ex-Geschäfte anwendbar ist, ist noch nicht entschieden. Sie stellt jedenfalls ein weiteres Risiko für den Käufer dar, wenn der unterbliebene Einbehalt von Kapitalertragsteuer nach den Regeln der Gewährleistung zum Kauf beurteilt wird.
Vereinbarung im Einzelfall maßgeblich
Wie ein unterlassener Einbehalt von Kapitalertragsteuer jeweils zivilrechtlich zu beurteilen ist, hängt in hohem Maße von der individuellen Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien ab. Absprachen zur Aufteilung des Gewinns zwischen den handelnden Personen auf beiden Seiten lassen darauf schließen, dass die Käuferseite vom Fehlverhalten der Verkäuferseite wusste. Schadensersatzansprüche wären dann schwerlich durchsetzbar. In zahlreichen Konstellationen mögen derartige Absprachen getroffen worden sein, so dass Schadensersatzansprüche gegenüber der Verkäuferseite nur schwerlich geltend gemacht werden können. Gleichwohl hat sich die Geschäftsleitung einer Vertragspartei über das Bestehen etwaiger zivilrechtlicher Handlungsmöglichkeiten Klarheit zu verschaffen. Anderenfalls droht ein Verlust der Ansprüche. Dies könnte letztlich zum Vorwurf treuwidrigen Verhaltens und zur Organhaftung einer Geschäftsleitung führen.