Brexit – Kann der englische Arbeitsmarkt eine Rekrutierungsquelle für deutsche Unternehmer sein?

RA Dr. Hans-Hermann Aldenhoff, Partner bei Simmons & Simmons, Düsseldorf/Frankfurt/München

Nichts ist so unsicher wie der Brexit – kommt er überhaupt, wann und in welcher Ausprägung. Sicher ist indes, dass viele Briten mit Sorge der weiteren Entwicklung auf dem heimischen Arbeitsmarkt entgegensehen, während in Deutschland zunehmender Fachkräftemangel herrscht. Damit stellt sich die Frage, wie im Falle eines zunehmend wahrscheinlichen harten Brexit mit Bewerbern aus UK umzugehen wäre.

Ein harter Brexit hätte zur Folge, dass das Unionsrecht keine Anwendung mehr auf das Vereinigte Königreich fände und für britische Staatsangehörige die EU-Freiheiten der Niederlassungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit der Vergangenheit angehören würden.

Für den Fall eines harten Brexit hat die Europäische Kommission zwar das Vereinigte Königreich mit in die Liste der Staaten aufgenommen, die von der Visumspflicht bei Einreise in die EU befreit sind. Sollte Großbritannien jedoch die Visumsfreiheit für ein EU-Land ablehnen, wäre die gesamte EU-Verordnung obsolet. Die Verordnung würde zudem eine Visumsfreiheit nur für jeweils 90 Tage innerhalb eines Zeitraumes von 180 Tagen gewähren, taugt also für eine dauerhafte Beschäftigung britischer Arbeitnehmer nicht. Ähnliches gilt für eine für den Fall des Scheitern dieser EU-Verordnung geplante deutsche Ministerverordnung, die bisher freizügigkeitsberechtigten britischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen auch ohne vorhanden Aufenthaltstitel eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis gewähren würde. Denn auch hier würde nur eine Übergangszeit von drei Monaten gelten.

Vielmehr würde für die erfolgreiche Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Vereinigten Königreich grundsätzlich wieder ein Aufenthaltstitel erforderlich sein.

Nach derzeitiger Rechtslage wird mit dem Aufenthaltstitel zugleich über den Umfang der zulässigen Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit entschieden. Einer gesonderten Arbeitserlaubnis bedarf es nicht mehr. Angehörige aus Drittstaaten dürfen nach § 4 Abs. 3 AufenthG eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt. Zuständig für die Beantragung des Titels ist die Ausländerbehörde, diese hat jedoch zur Beschäftigungsausübung eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit einzuholen.

Faktische Chancen nur für Gutqualifizierte

Entscheidend wäre damit die Praxis der Ausländerbehörde, die insbesondere bei gering qualifizierten Arbeitnehmern Angaben zur Rückkehrabsicht, Einkommen verlangen. Erleichterungen gelten bei der Beschäftigungsaufnahme für Hochqualifizierte, in der Forschung tätige Personen sowie für ausländische Staatsangehörige, die längere Zeit in Deutschland geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten haben. Akademiker, insbesondere die in den Mangelberufen Beschäftigten, wie z.B. Ärzte, Mathematiker und Ingenieure, können die Blaue Karte EU erhalten, die nur an geringe Voraussetzungen geknüpft ist.

Auch Personalabteilungen müssen im Hinblick auf aktuell bestehende und zukünftig zu schließende Beschäftigungsverhältnisse die erforderlichen Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnistitel prüfen, da das Fehlen von Aufenthaltstiteln zu einem absoluten Beschäftigungsverbot führt, wobei der Vergütungsanspruch des Mitarbeiters ggf. unberührt bleibt (also ohne Arbeit gezahlt werden muss).

Ein weiteres Problemfeld stellt der Verbleib bzw. Eintritt in soziale Sicherungssysteme dar. Innerhalb der EU ist ein Verbleib im Heimatsystem für einen Zeitraum einer bis zu fünfjährigen Auslandsbeschäftigung möglich. Hingegen würde infolge des Brexit wieder das uneingeschränkte Territorialprinzip gelten. Die Einzahlungen für britische Arbeitnehmer in die deutschen Sozialsysteme könnten nicht mehr begünstigend für die soziale Absicherung in ihrem Heimatland berücksichtigt werden. Der Arbeitnehmer wäre sodann bei Rückkehr nach Großbritannien in Bezug auf seine soziale Absicherung schlechter gestellt. Zwar spricht vieles dafür, dass im Fall des Brexit das deutsch-britische Sozialversicherungsabkommen von 1960 wieder gelten würde, dies ist aber nicht gewiss. Überdies böte es allenfalls eine rudimentäre soziale Absicherung.

Fazit

Die Rekrutierung von britischen Arbeitskräften ist nach alledem sichtbar an Herausforderungen geknüpft, aber diese sind nicht unüberwindbar. Mit einem erhöhtem Aufwand der Rekrutierung ist jedoch zu rechnen, da Aufenthaltstitel zu mindestens bei längerfristigen Beschäftigungen erforderlich werden und viele Fragen wie die Absicherung in den Sozialsystemen im Fall eines harten Brexit noch ungeklärt sind.

Kommentare sind geschlossen.