Das gesteigerte gesellschaftliche Bewusstsein gegenüber einer nachhaltigeren Lebensweise macht auch vor der Finanzwelt keinen Halt. Green Bonds & Co. gelten schon lange nicht mehr als esoterische Finanzprodukte, sondern bieten vielmehr attraktive Möglichkeiten, Investmentportfolios zu diversifizieren. Grüne Finanzierungen befinden sich auf dem Vormarsch: Unternehmen widmen sich vermehrt dem Thema.
Trotz dieser Entwicklung und der Vielzahl von nachhaltigen Finanzprodukten auf dem Markt stimmen Experten überein, dass die generelle Frage – was genau gilt als nachhaltig und grün? – noch nicht vollständig beantwortet und insbesondere nicht geregelt ist: Es fehlt das rechtlich verbindliche Rahmenwerk, insbesondere eine einheitliche Taxonomie von grüner bzw. nachhaltiger Finanzierung.
Rechtliches Rahmenwerk: ein erster Schritt in Richtung eines kohärenten Definitionswerks
Der große Vorreiter auf regulatorischer Ebene ist die Europäische Union. Bereits 2018 hat die Kommission im Rahmen des Sustainable Finance Actions Plans einen Entwurf zu einer Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen veröffentlicht. Art. 3 der Verordnung legt die entsprechenden Kriterien, wonach eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, fest. Demnach gilt eine Wirtschaftstätigkeit dann als nachhaltig, wenn sie u.a. mindestens eines der in der Verordnung definierten Umweltziele wesentlich fördert (wie z.B. Klimaschutz oder nachhaltige Nutzung von Wasser-/Meeresressourcen) und keines der anderen erheblich beeinträchtigt. Die Umweltziele werden in den Folgebestimmungen noch weiter definiert; delegierte Rechtsakte der EU-Kommission sollen technische Evaluierungskriterien festlegen. Art. 15 sieht überdies die Einrichtung einer Expertenplattform für ein nachhaltiges Finanzwesen durch die Europäische Kommission vor, die diese hinsichtlich der technischen Evaluierungskriterien beraten soll. Durch die Verordnung sollen auch Offenlegungspflichten für Vermögensverwalter und institutionelle Investoren vorgesehen werden, die ökologisch nachhaltige Investitionen anbieten.
Vergangenes Jahr hat eine von der Kommission einberufene Expert Group on Sustainable Finance einen Bericht zu einem „EU Green Bond Standard“ veröffentlicht, der die Einrichtung eines freiwilligen und unverbindlichen EU-weiten Green Bond Standards fordert, um die Effektivität, Transparenz, Vergleichbarkeit und Glaubhaftigkeit eines Green-Bond-Markts zu stärken und zudem zu verstärkten Investments in Green Bonds ermutigen soll. Der Green Bond Standard würde ebenso am Katalog ökologisch nachhaltiger Tätigkeiten angelehnt sein, wäre (vorerst) allerdings ebenso unverbindlich.
ESG-Ratings als Indikator für Nachhaltigkeit
Das gesteigerte Nachhaltigkeitsbewusstsein auf Investorenseite führt in weiterer Folge dazu, dass Anleger immer stärker daran interessiert sind, Fonds auch hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsperformance zu bewerten und miteinander zu vergleichen – ESG-Ratings (Environment, Social und Governance-Bewertungen) sind mittlerweile en vogue.
Im Rahmen der ESG-Ratings werden Unternehmen anhand diverser softer Faktoren bewertet. Dies können, wie der Name bereits vermuten lässt, bestimmte Nachhaltigkeits-KPIs sein, aber auch Corporate-Governance-Aspekte wie z.B. die Frauenquote in Führungsetagen. ESG-Ratings für Unternehmen werden aktuell von spezialisierten Nachhaltigkeitsagenturen durchgeführt. Viele dieser Agenturen haben sich bereits etablieren können – Unternehmen großer Indices werden mittlerweile automatisch von diesen bewertet und können diese für die Ansprache von Investoren nutzen.
Doch seit Kurzem drängen auch die klassischen Ratingagenturen in den ESG-Rating-Sektor vor. ESG-Ratings im engeren Sinne führen sie zwar noch nicht durch, jedoch beziehen sie immer stärker auch ESG-Kriterien in ihre Bewertung der Kreditwürdigkeit mit ein. Es bleibt abzuwarten, ob die Rating-Agenturen auch das Feld der ESG-Ratings zur Gänze für sich beanspruchen und die Nachhaltigkeitsagenturen verdrängen werden.
Letzten Endes führt aber auch das Thema ESG-Rating zur oben genannten Problematik zurück. Mangels rechtlichen Rahmenwerks ist das ESG-Rating letztlich davon abhängig, wer dieses erstellt und auf Basis welcher Kriterien. Um die nötige Vergleichbarkeit und zugleich auch Rechtssicherheit herzustellen, bedarf es allerdings eines einheitlichen rechtlichen Rahmenwerks, insbesondere in puncto Taxonomie und Bewertungskriterien. Denn das Verständnis, was letzten Endes tatsächlich als „grün“ einzustufen ist, basiert noch nicht auf objektivierbaren Kriterien.
Die erhöhte Nachfrage in Sachen nachhaltige Finanzinstrumente wird den Druck auf Politik und Regulatoren weiter erhöhen. So hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) am 06.02.2020 ihre „Sustainable Finance Strategy“ veröffentlicht, deren Prioritäten insbesondere auf einheitliche Regelungsmechanismen sowie Wettbewerbsbedingungen abzielen – nun soll auch nachhaltige Finanzierung ihren Niederschlag in einem Regelhandbuch finden, das die Aufsichtspraxis vereinheitlicht und technische Regulierungsstandards im ESG-Bereich implementiert, insbesondere auch in puncto der Bonitätsrankings.