Die Revolution blieb aus – Arbeitgeber kommen nicht ohne Weiteres aus zu teuren Pensionszusagen heraus. Das BAG lässt auch exponentiell gestiegene Pensionsrückstellungen nicht als Ausweg gelten.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 8. Dezember 2020 entschieden, dass Arbeitgeber in Pensionszusagen versprochene Leistungserhöhungen (Anknüpfung an Tarifgehaltserhöhungen) nicht unter Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) beenden können. Selbst eine Rückstellungserhöhung von mehr als 40 Prozent in vier Jahren und die Verdopplung des Barwerts der Zusage, seit Erteilung rechtfertigen keinen Ausstieg des Arbeitgebers aus der versprochenen Anpassung. Im Vorfeld hatten einige Beobachter aufgrund eines Urteils aus Mai 2020 gehofft, das BAG würde Arbeitgebern, die unter der seit 2010 geänderten handelsbilanziellen Bewertung von Pensionszusagen durch das BilMoG sowie der anhaltenden Niedrigzinsphase leiden, mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage einen Rettungsring zur Korrektur zu teurer Pensionssysteme zuwerfen.
Geklagt hatte eine 87-jährige Witwe, die aufgrund einer Pensionszusage des beklagten Arbeitgebers an ihren verstorbenen Ehemann (Jahrgang 1928), von dem Arbeitgeber eine Witwenrente bezog. Die Pensionszusage aus dem Jahr 1976 sah vor, dass sich die Renten im Gleichschritt mit der höchsten tariflichen Stufe des anwendbaren Tarifvertrags entwickeln. Im Jahr 2016 stellte der Arbeitgeber die Anpassung ein. Stattdessen sollten Erhöhungen der Witwenrente nur noch nach der gesetzlichen Vorgabe in § 16 BetrAVG (Anpassungsprüfungspflicht) vorgenommen werden. Grund dafür seien erheblich erhöhte Rückstellungen, die der Arbeitgeber nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes 2010 (BilMoG) in seiner Handelsbilanz aufgrund erheblich gestiegener Barwerte der Versorgungszusage einzustellen habe. Auch führe die anhaltende Niedrigzinsphase zu immer höheren Rückstellungen. Das sei eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die zur Beendigung der Tarifgehaltsanpassung berechtige. Diese Punkte hätten die Parteien bei Zusage der Pension im Jahr 1976 nicht vorhersehen können und eine weitere Steigerung der Renten könne dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden. Die Opfergrenze sei überschritten.
Niedrigzins und durch BilMoG gesteigerte Rückstellungen – ein Wegfall der Geschäftsgrundlage?
Mit seiner Argumentation und Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage traf der Arbeitgeber den Nerv vieler Unternehmen, die aktuell – befeuert durch COVID-19 – unter Pensionsverbindlichkeiten ächzen. Aber auch in der Fachliteratur gab es einige Experten, die eine solche These unterstützten. Das beruht wesentlich darauf, dass das BAG selbst im Jahr 2020 im Pensionskassenurteil (Az.: 3 AZR 157/19) beiläufig erwähnte, dass Arbeitgeber sich auch bei Eintritt des Versorgungsfalls noch auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berufen können. Diese Aussage deuteten einige Experten dahingehend, dass sich das BAG selbst den Weg für eine tiefgreifende Rechtsprechungswende zu Eingriffen in Versorgungsordnungen wegen zu hoher Kosten ebnen wollte. Dies hätte eine Revolution im deutschen Betriebsrentenrecht bedeutet. Galt doch seit einer Gesetzesänderung im Jahre 1999, dass nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage (!) des Arbeitgebers einen (Teil-)Widerruf von Versorgungszusagen nach dem Betriebsrentengesetz rechtfertigen kann, selbst wenn ein solcher Widerrufsvorbehalt in der Versorgungszusage enthalten ist.
BAG begräbt Hoffnungen – Kosten von Betriebsrenten bleiben Arbeitgeberrisiko
Den Hoffnungen der Arbeitgeber zum Trotz entschied das BAG, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht vorliege, trotzt stark gestiegener Pensionsrückstellungen. Das begründet das Gericht so: Die Geschäftsgrundlage sei gestört, wenn sich außerhalb des Vertrags liegende Faktoren derart ändern, dass die Parteien den Vertrag nicht abgeschlossen hätten, hätten sie die Veränderungen bei Vertragsschluss gekannt (oder eine Partei die erkennbaren Vorstellungen der anderen Partei unwidersprochen gelassen). Das habe die Arbeitgeberin aber gerade nicht getan, sondern zum einen die Verteuerung der Witwenrente auf Umstände gestützt, die unverändert Inhalt der erteilten Versorgungszusage sind. Zum anderen stelle der Anstieg der bilanziellen Rückstellungen des Arbeitgebers aufgrund gestiegener Barwerte nach gesetzlicher Änderung durch das BilMoG in 2010 keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage dar. Rückstellungen, so das BAG, seien ein Instrument der Innenfinanzierung. Sie hätten zwar Auswirkungen auf Gewinn und Verlust eines Unternehmens, könnten allerdings keine Grundlage für Eingriffe in Betriebsrentenzusagen darstellen. Die Beendigung einer zugesagten Anpassungsregelung für Renten sei auf diesem Wege nicht zu rechtfertigen.
Es bleibt wie es ist – oder?
Damit bleibt zunächst alles beim Alten. Weder das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel entlastet den Arbeitgeber mit Pensionsverbindlichkeiten noch externe Teuerungsfaktoren wie anhalten Niedrigzinsen oder geänderte handelsbilanzielle Vorgaben. Nach der Risikoverteilung des Betriebsrentengesetzes kommt in diesen Fällen eine Störung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Das hilft allerdings weder den Arbeitgebern noch der dringend nötigen weiteren Verbreitung von Betriebsrentenzusagen. Stattdessen häufen sich bereits seit einiger Zeit die Anfragen der Arbeitgeber zur Restrukturierung oder Schließung ihrer Versorgungssysteme. COVID-19 verschärft die Lage.
Zur Schaffung von Liquidität gibt es bereits praktische Ansätze, in Contractual-Trust-Arrangements (CTA) zu Gunsten von Anwärtern und Rentnern gesicherte Mittel wieder an den Arbeitgeber zurück fließen zu lassen. Es bedarf zeitnah eines Rechtsrahmens, wie Arbeitgeber korrigierend in ihre Betriebsrentensysteme eingreifen können, bevor es den Unternehmen an die Substanz geht. Das erwartete Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) bietet für vorinsolvenzliche Sanierungen eine solche Chance.