In ihrem Koalitionsvertrag für die zu Ende gehende 19. Legislaturperiode haben CDU/CSU und SPD auch eine Quote sachgrundloser Befristungen vereinbart: Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten sollen nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen dürfen. Mit Bearbeitungsstand vom 14.04.02021 hat das Bundesarbeitsministerium den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts vorgelegt. Die darin enthaltene Neuregelung der sachgrundlosen Befristung normiert auch die Quote:
Nach einem neu in § 14 TzBfG einzufügenden Absatz 5 soll bei Arbeitgebern, die unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung in der Regel mehr als 75 Arbeitnehmer beschäftigten, die Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2, Abs. 2a oder Abs. 4 TzBfG oder deren Verlängerung zusätzlich voraussetzen, dass zum Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme nicht mehr als 2,5 Prozent der Arbeitnehmer aufgrund eines geschlossenen oder verlängerten kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes beschäftigt sind. Anders als nach dem Koalitionsvertrag vorgesehen, soll Stichtag für die Berechnung der Quote aber nicht der Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund sein, sondern der erste Kalendertag des dem Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme vorangegangenen Quartals.
Mit der Regelung wäre beträchtlicher Verwaltungsaufwand verbunden. Private wie öffentliche Arbeitgeber müssten ein Register sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse anlegen und fortlaufend auf den Stand des ersten Kalendertags jeden Quartals bringen. Dazu meint die Entwurfsbegründung, je Arbeitsverhältnis reichten für die Überprüfung der Sachgrundlosigkeit der Befristung und deren Erfassung jeweils zwei Minuten aus. Schon das ist zweifelhaft. Ausgeblendet ist in der Rechnung aber vor allem der Personalaufwand für die Steuerung der sachgrundlosen Befristungen. Will der Arbeitgeber das Überschreiten der Quote vermeiden, muss er die Zahl sachgrundloser Befristungen in seinen Betrieben und Verwaltungen abstimmen. Das kann, nicht zuletzt auch im öffentlichen Dienst, aufwendig sein. So müssten die Bundesländer allen ihren Verwaltungen und Einrichtungen vorgeben, wie viele sachgrundlose Beschäftigungen sie eingehen dürfen. Auch müsste die Übertragung nicht ausgeschöpfter Deputate auf andere Einrichtungen ermöglicht werden. Mit Minuten ist da nicht auszukommen.
Ihren Zweck, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis der Unternehmen nach Flexibilität und dem Bestandschutz der Arbeitsverhältnisse herzustellen, verfehlte die Regelung zu einem guten Teil. Die Rückverlagerung der Quotenberechnung auf den ersten Kalendertag des vorangegangenen Quartals blendet notwendig die Entwicklung des Personalbestands zwischen diesem Zeitpunkt und dem vorgesehenen Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme aus. In diesem mindestens ein Vierteljahr, je nach vorgesehenem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme aber auch bis zu einem halben Jahr betragenden Zeitraum können sachgrundlos befristete Beschäftigungsverhältnisse in größerer Zahl ausgelaufen oder sonst beendet worden sein, so dass die ursprünglich erreichte Quote von 2,5 Prozent nicht überschritten ist. Gleichwohl könnten trotz eines entsprechenden Bedarfs keine neuen sachgrundlos befristeten Beschäftigungsverhältnisse begründet werden. Umgekehrt könnten seit einem Stichtag, an dem die Quote nicht erreicht war, in diesem langem Zeitraum solche Arbeitsverhältnisse ohne Obergrenze wirksam begründet werden. War die Quote am 1. Januar und am 1.April nicht überschritten, können in der Zeit zwischen 1. April und 30. September sachgrundlos befristete Einstellungen erfolgen. Das mag dem Arbeitgeber zu Pass kommen, lässt die betroffenen Arbeitnehmer aber ohne den beabsichtigten Bestandsschutz.
Der Entwurf will die Quotenregelung durch ein Zitiergebot ergänzen (§ 14 Abs. 6 TzBfG neu): Danach ist in der schriftlichen Vereinbarung der Befristung anzugeben, ob die Befristung auf § 14 Abs. 2, Abs. 2a oder Absatz 4 TzBfG beruht. Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nicht auf eine dieser Rechtsgrundlagen gestützt werden. Ist sie hingegen enthalten, kann die Befristung nicht auf einen Sachgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG gestützt werden.
Das Zitiergebot soll die gerichtliche Überprüfung der Einhaltung der Quote erleichtern, indem nur Arbeitsverträge, die § 14 Abs. 2, Abs. 2a oder Abs. 4 TzBfG zitieren, bei der Ermittlung der Quote mitzählen. Den Preis für diese Erleichterung würden auch kleinere und mittlere Unternehmen mit bis zu 75 Arbeitnehmern zahlen. Wollen sie sachgrundlos befristen, müssten künftig auch sie schriftliche Arbeitsverträge abschließen und darin die Vorschrift nennen, nach der die sachgrundlose Befristung zulässig sein soll. In Abkehr vom bisherigen Rechtszustand wäre ausgeschlossen, dass eine unwirksame Sachgrundbefristung doch als sachgrundlose Befristung wirksam sein kann.
Noch gravierender ist der zweite Teil des Zitiergebots. Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine kalendermäßige Befristung und nimmt die entsprechende Vorschrift in den Arbeitsvertrag auf, kann er sich, anders als nach der bisherigen Rechtslage, nicht mehr auf das Vorliegen eines Sachgrunds für die Befristung berufen. Arbeitnehmer zu Erprobungszwecken erst einmal sachgrundlos zu befristen, würde riskant, weil bei einer Fehleinschätzung die Erprobungsbefristung des § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG nicht mehr als Auffangposition zur Verfügung stünde.
Rechtliche Klarheit kann das Zitiergebot ohnehin nur teilweise schaffen. Ob sachgrundlose Befristungen wirksam sind, kann zweifelhaft sein. Das kann zu Unsicherheiten bei der Berechnung der Quote führen. Zwar lässt sich das Abstellen auf den abgeschlossenen kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrag mit dem Entwurf dahin verstehen, dass eine nachträglich gerichtlich festgestellte Unwirksamkeit nicht zu einer rückwirkenden Veränderung des Anteils von 2,5 Prozent führt. Was aber, wenn schon vor dem Stichtag die Unwirksamkeit gerichtliche festgestellt wird? Soll es dann auf deren Rechtskraft ankommen oder genügt die Entscheidung der ersten oder der zweiten Instanz? Jedenfalls steht nichts entgegen, mit Blick auf die Quote die Anzahl der kalendermäßig befristeten Verträge vor dem Stichtag einvernehmlich zu verringern – sei es, dass die für das Unterschreiten der Quote notwendige Anzahl solcher Verträge in sachgrundbefristete oder unbefristete Verträge umgewandelt oder auch gegen Abfindung aufgehoben wird.
Der im zweiten Teil des Zitiergebots vorgesehene wechselseitige Ausschluss von Sachgrundbefristung und sachgrundloser Befristung lässt außer Acht, dass das Arbeitsrecht weitere Befristungstatbestände kennt. Auf diese kann eine fehlgeschlagene sachgrundlose Befristung nach wie vor gestützt werden. Von Bedeutung ist das insbesondere für den Wissenschaftsbereich. Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG und Befristung nach § 2 Abs. 2 und 3 WissZeitVG stünden dort weiter nebeneinander und könnten deshalb gemäß § 14 Abs. 6 TzBfG und § 2 Abs. 4 WissZeitVG auch beide zitiert werden.
Der Quotierung sachgrundloser Befristungen kann durch den teilweisen Übergang auf Leiharbeitsverhältnisse ausgewichen werden. Sollte der Entwurf Gesetz werden, läge das umso näher, als dann die Höchstdauer sachgrundloser Befristungen und die Höchstdauer der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern mit 18 Monaten gleich wären. Die Begründung des Entwurfs meint einem solchen Ausweichen die Rechtsprechung des BAG zu § 23 KSchG entgegenhalten zu können, nach der bei der Bestimmung der für das Eingreifen des Kündigungsschutzes maßgebenden Betriebsgröße Leiharbeitnehmer mitzuzählen sind, soweit mit ihnen ein regelmäßiger Personalbedarf abgedeckt wird (BAG vom 24.01.2013, 2 AZR 140/12). Abgesehen davon, dass diese Rechtsprechung höchst umstritten ist: Sie ist nur Maßstab für die Betriebsgröße und könnte deshalb allenfalls in die Berechnung der Zahl der in der Regel von einem Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer eingehen. Mit der Berechnung der Quote hätte sie nichts zu tun. Deren Zweck, die Zahl der sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse ohne Bestandsschutz zu begrenzen, wird trotz Ausweichens auf Leiharbeitnehmer erreicht. Diese aber genießen Bestandsschutz in ihren Arbeitsverhältnissen mit dem verleihenden Arbeitgeber.
Fazit: Der Vorschlag des Entwurfs ist teuer, verfehlt weitgehend sein Ziel und enthält zahlreiche Ungereimtheiten. Er ist so praxisfern, dass auf ihn verzichtet werden sollte.