Lex Wirecard: Das FISG auf der Zielgeraden

RA Dr. Tim Johannsen-Roth/RA Dr. Klaus von der Linden, Linklaters LLP, Düsseldorf

Der spektakuläre Kollaps von Wirecard im Juni 2020 hat hohe Wellen geschlagen. Seine Aufklärung ist noch in vollem Gange. Trotzdem haben Gesetzgeber, Regulatoren und Börsenbetreiber längst begonnen, neue Regeln festzulegen. Ihr gemeinsames Ziel lautet, enttäuschtes Anlegervertrauen schnellstmöglich wiederherzustellen. Der größte und wichtigste Baustein für dieses ambitionierte Vorhaben ist das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität, das sogenannte FISG. Es bringt weitreichende Neuerungen im Handels-, Aktien- und Kapitalmarktrecht, insbesondere eine beschleunigte interne und externe Prüferrotation, eine schärfere Haftung des Abschlussprüfers, den obligatorischen Prüfungsausschuss für Aufsichtsräte sämtlicher Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs) sowie mehr Biss und Kompetenzen für die Finanzaufsicht.

Das FISG ist in Rekordzeit entstanden, trotz seines Umfangs und seiner Komplexität. Nach überschaubarer Funkpause im ausklingenden Frühjahr hat der Finanzausschuss am 19.05.2021 seine Empfehlungen vorgelegt. Gleich am nächsten Tag hat der Bundestag das FISG in eben dieser Fassung in zweiter und dritter Lesung beraten und verabschiedet. Auch die Behandlung im Bundesrat am 28.05.2021 war offenbar Formsache. Es ist daher absehbar, dass das FISG in wesentlichen Teilen schon zum 01.07.2021 in Kraft tritt. Die Eckpunkte lauten wie folgt:

Abschlussprüfer

Für den Abschlussprüfer haben sich gegenüber dem Regierungsentwurf nur moderate Änderungen ergeben. Es bleibt dabei, dass spätestens nach zehn Jahren eine externe Rotation ansteht, d.h. ein Austausch der Prüfungsgesellschaft, nicht nur ihres Personals. Letzteres muss berufsrechtlich nunmehr schon nach fünf Jahren wechseln. Auch an der Idee einer verschärften Haftung des Abschlussprüfers hält das FISG im Grunde fest. Nur wird es an dieser Stelle noch etwas komplizierter: Haftungsschranken bei 1,5, 4, 12, 16 oder 32 Mio. Euro, je nach der Bedeutung der betroffenen Gesellschaft und der Schwere des Verschuldens, unbeschränkte Haftung ab grober Fahrlässigkeit bei kapitalmarktorientierten Unternehmen, ansonsten erst bei Vorsatz.

Corporate Governance

Es bleibt dabei, dass die Aufsichtsräte sämtlicher PIEs künftig einen Prüfungsausschuss bilden müssen – mit mindestens zwei Finanzexperten. Hierzu stand die Frage im Raum, ob für dreiköpfige Aufsichtsräte nicht eine Ausnahme greifen muss. Das finale FISG sieht dies nicht vor. Stattdessen bestimmt es, dass das Plenum nunmehr sein eigener Prüfungsausschuss ist. Eine kuriose Regelung, die in der Praxis noch manche Folgefrage aufwerfen könnte, etwa zur Rollenverteilung und Interaktion bei der Auswahl eines neuen Abschlussprüfers. Außerdem erhalten nun sämtliche Mitglieder des Prüfungsausschusses das Recht, Informationen bei den Leitern des Risikomanagements, der internen Revision und ähnlicher Fachbereiche einzuholen – vorbei am Vorstand, wenn auch stets vermittelt über den Prüfungsausschussvorsitzenden.

Bilanzkontrolle

Die behördliche Bilanzkontrolle wird auf ein einstufiges System umgestellt. Die alleinige Hoheit darüber hat nunmehr die BaFin – mit weitreichenden Prüfungs-, Informations- und Eingriffsrechten. Die Prüfstelle für Rechnungslegung wird abgewickelt. Ihre Mitarbeiter gehen auf die BaFin über.

Fazit: Das FISG ist ein mit heißer Nadel gestricktes Aktionsgesetz. Das politische Bestreben war offenbar, das sensible und konfliktträchtige Thema noch vor dem Bundeswahlkampf zu erledigen. Das ist umso bemerkenswerter, als die Causa Wirecard längst noch nicht aufgeklärt ist. Die Behörden ermitteln noch, Strafverfahren stehen aus, und auch der parlamentarische Untersuchungsausschuss liefert erst in diesen Tagen seine ersten Befunde. Kurzum: Das FISG ist eine Therapie ohne belastbare Diagnose. Schon jetzt ist klar, dass es die Unternehmen, aber auch die Abschlussprüfer und die BaFin vor manche neue Herausforderung stellen wird.

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