Versetzungsklauseln, die eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort vorsehen, sind in der Praxis ein probates Mittel, um auf in Ungnade gefallenen Arbeitnehmer Druck aufzubauen. Die Veränderung des Arbeitsortes führt nämlich im Regelfall dazu, dass der Arbeitnehmer dadurch in die Bredouille gerät, dass er entweder an oder in die Nähe des neuen Arbeitsortes umziehen muss oder aber – sollte er Familie haben oder anderweitig gebunden sein – wird pendeln müssen. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes führt daher regelmäßig zu Streit und endet nicht selten in der vollständigen meist einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vor diesem Hintergrund lässt eine nunmehr veröffentlichte Entscheidung des LAG Nürnberg (Urt. v. 12. Mai 2021 – 2 Sa 29/21) unternehmensweite Versetzungsklausel auch bei einer Versetzung ins Ausland für wirksam erachtet, aufhorchen. Ist dies tatsächlich richtig? Der folgende Beitrag soll dies einordnen und bewerten.
Der Fall
Die 2. Kammer des LAG Nürnberg hatte über die Wirksamkeit einer konzernweiten Versetzungsklausel einer Fluggesellschaft mit einem Piloten zu entscheiden. Der Rechtsstreit dreht sich um die Wirksamkeit einer Versetzung, hilfsweise um die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Änderungskündigung sowie um Weiterbeschäftigung.
Der seit dem 1. März 2017 bei der beklagten Fluggesellschaft bzw. deren Rechtsvorgängerin als Captain auf dem Muster Boing 737-800 beschäftigte Kläger war von Beginn an am Flughafen in Nürnberg stationiert. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 1. Januar 2020 im Weg des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese ist eine zu einer irischen Gruppe gehörende Fluggesellschaft mit Sitz in Malta und Heimatbasis auf dem Flughafen von Malta, die an verschiedenen Flughäfen in Deutschland sowie in Italien, Frankreich, Malta und Rumänien internationale Flüge durchführt.
Im dem irischen Recht unterstellten Arbeitsvertrag vom 30. Januar 2017 ist in Ziff. 6.1 eine Versetzungsklausel enthalten, die wie folgt lautet:
„R…’s aircraft are registered in the Republic of Ireland and as you will perform your duties on these Irish aircraft your employment is based in the territory of the Republic of Ireland. You will be located principally at Nuremberg Airport and at such other place or places as the Company reasonably requires for the proper fulfilment of your duties and responsibilities under this Agreement. It is a condition of your employment that you comply with any such requirement. This would include, for the avoidance of doubt, transfer to any of the Company’s bases without compensation. It must be understood that should you be transferred to another base you will be paid in accordance with the prevailing salary and flight pay system at that base.”
Mit zweisprachigem Schreiben vom 20. Januar 2020 wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Mai 2020 nach Bologna/Italien versetzt. Vorsorglich wurde das bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. April 2020 gekündigt und ihm gleichzeitig angeboten, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Mai 2020 in Bologna fortzusetzen. Der Kläger widersprach der Versetzung mit Schreiben vom 11. Februar 2020 und nahm hierin die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Der tatsächliche Beginn der Tätigkeit des Klägers in Italien wurde zwischenzeitlich aufgrund der COVID-19-Pandemie einvernehmlich auf den 1. Juli 2020 verschoben.
Mit seiner Klage vom 18. Februar 2020 machte der Kläger die Unwirksamkeit der Versetzung und Änderungskündigung geltend, begehrte Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen und beantragte des Weiteren die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstat-bestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. April 2020 hinaus fortbesteht.
Nach Auffassung des Klägers ist die Versetzung unzulässig, da die im Arbeitsvertrag vereinbarte Versetzungsklausel intransparent sei und ihn massiv benachteilige, wenn es dort heiße, dass bei dem Transfer zu einer anderen Basis die Vergütung auf Basis des geltenden Vergütungssystems erfolgen solle. Die Möglichkeit einer internationalen Versetzung auch außerhalb der Europäischen Union gehe weit über das nach § 106 GewO existierende Weisungsrecht hinaus, zumal der Kläger nach dem Arbeitsvertrag grundsätzlich am Nürnberger Flughafen stationiert sei.
Die beklagte Fluggesellschaft hält dem entgegen, dass die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag mangels Anwendbarkeit deutschen Rechts nicht der AGB-Kontrolle, sie ungeachtet dessen aber auch inhaltlich der Regelung des § 106 Satz 1 GewO entspreche deshalb gar keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB darstelle. Die Klausel sei hinreichend klar und verstoße weder gegen das Transparenzgebot noch gegen die Unklarheitenregelung. Der Tätigkeit von Flugpersonal seien eine gewisse Volatilität und Flexibilität immanent.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2020 – 15 Ca 834/20 – abgewiesen mit der Begründung, die Versetzung des Klägers nach Bologna sei wirksam. Das vertragliche Weisungsrecht umfasse die Befugnis, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen, auch wenn er in einem anderen EU-Land, liegt.
Die Entscheidung
Mit Urteil vom 12. Mai 2021 hat die 2. Kammer des LAG Nürnberg die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen.
Die Versetzung nach Bologna ist nach Ansicht des Berufungsgerichts vom Direktionsrecht der Beklagten nach § 106 GewO in Verbindung mit dem Tarifsozialplan gedeckt. Die Frage, ob die Versetzungsklausel in Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages wirksam ist oder nicht, sei hingegen nicht entscheidungserheblich. Die Wirksamkeit der Versetzung von Nürnberg nach Bologna sei zwar in Bezug auf die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag als auch für die Frage, ob die Versetzung billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspricht, nach deutschem Recht zu überprüfen. Nach der Auslegung der Klausel ergebe sich, dass diese auch Versetzungen ins Ausland erfasse.
Der Arbeitsvertrag enthalte nach seinem Wortlaut weder eine Festlegung des Arbeitsortes noch eine örtliche Begrenzung etwa auf Deutschland oder Europa. Auch mit Blick auf den Umstand, dass es sich um einen Arbeitsvertrag mit fliegendem Personal einer irischen Fluggesellschaft handelt, sei keine einschränkende Auslegung geboten. Schließlich verstoße die das Ausland erfassende Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag auch nicht gegen zwingendes deutsches Arbeitnehmerschutzrecht. Die wendete Klauseln verstoße als echte das Direktionsrecht erweiternde Klausel nicht gegen die Vorschriften über die AGB-Kontrolle der §§ 305 ff BGB.
Bewertung
Der Streit darüber, ob eine Versetzungsklauseln, welche eine Versetzung auch in das Ausland vorsieht, nach deutschem Recht standhalten würde, ist somit letztlich gar nicht entschieden worden. Insoweit wird einerseits vertreten, dass die Befugnis zu einer Versetzung ins Ausland grundsätzlich direkt aus arbeitgeberseitigen Weisungsrecht (§ 106 GewO) folge (vgl. ErfK-Preis, 21. Aufl. 2021, § 106 GewO Rdnr. 18 mwN). Nach anderer Ansicht soll eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf der Grundlage von § 106 Satz 1 GewO in der Regel ausgeschlossen sein, wobei dies zumindest vereinbart werden könne (KR-Kreft, 12. Aufl. 2019, § 2 KSchG, Rdnr. 66). Auch das BAG hat bereits entscheiden, dass es für die Möglichkeit der Versetzung (im dortigen Fall von Berlin nach Lyon wegen Betriebsverlagerung) auf die vertraglichen Vereinbarungen ankomme (Urt. v. 20.04.1989 (2 AZR 431/88, Rn 20). Der Meinungsstreit konnte vorliegend dahingestellt bleiben, da die Parteien im Arbeitsvertrag eine andere, nämlich eine die Versetzung ins Ausland umfassende Versetzungsklausel vereinbart haben.
Es scheint sich letztlich ohnehin um eine den Besonderheiten der Luftfahrtbranche geschuldete Einzelfallentscheidung zu halten. Anders als „normale“ Arbeitnehmer erbringen Piloten die von Ihnen geschuldete Hauptarbeitsleistung in der Luft und sind allein deshalb im Wesentlichen standortunabhängig tätig. Es bestehen zudem vielfach Regelungen, die ihnen die kostenlose Rückkehr an den Heimat- und Wohnort ermöglichen. Der Frage des Arbeitsortes kommt letztlich damit im Vergleich zum Normalarbeitsverhältnis eine nachrangigere Bedeutung zu. Sie vermag gleichwohl das Arbeitsverhältnis in vielfacher Hinsicht zu beeinflussen. So wirkt sich die Versetzung an einen anderen Arbeitsort im Ausland möglicherweise auf die nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts zu beantwortende Frage des anwendbaren Rechts ebenso aus wie auf die Bestimmung des Gerichtsstandes für Klagen aus dem Arbeitsverhältnisses.
Die Auffassung des LAG Nürnberg dürfte allein vor diesem Hintergrund kaum verallgemeinerungsfähig sein, so dass von der Verwendung von konzernweiten Versetzungsklauseln, die auch eine Versetzung in das Ausland vorsehen, nur abgeraten werden kann. Ich habe selbst in meinem ersten Anstellungsvertrag als Rechtsanwalt bei einer der (nun nur noch) vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eine solche Klausel gezeichnet, sie aber schon damals für unwirksam gehalten. Von der Aufnahme der Tätigkeit hat mich dies gleichwohl nicht abgehalten. Heutzutage könnte die Verwendung derartiger Klauseln indes abschrecken und der Anwerbung und Einstellung von Bewerbern entgegenstehen. Ungewöhnlich arbeitgeberfreundliche Klauseln werden nämlich heutzutage von Bewerberseite zunehmend hinterfragt. Es besteht die Erwartungshaltung in Bezug auf die Verwendung eines ausgewogenen und fairen Arbeitsvertragsentwurfes. Daher könnte sich die Verwendung einer solchen Klauseln sogar als kontraproduktiv erweisen.