Es klang gut: Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz fand bereits 2018 die reine Beitragszusage ihren Weg in die deutsche betriebliche Altersversorgung. Ziel war und ist, damit die Attraktivität der Betriebsrente zu stärken und deren Verbreitung zu fördern. Ganz nach angelsächsischem Vorbild soll in dieser Variante die Beitragszahlung die zentrale, aber auch erschöpfende Verpflichtung des Arbeitgebers sein. Mit diesem Weg des „pay and forget“ wird er also durch Beitragszahlungen an bspw. einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse von seiner Verpflichtung aus der Versorgungszusage pro rata temporis frei sein. Chancen und Risiken der Mittelverwendung am Kapitalmarkt durch den Pensionsfonds trägt also der Arbeitnehmer.
Dogmatisch bedeutet dies einen Bruch in der Geschichte der betrieblichen Altersversorgung, die immerhin bereits Ende des 19. Jahrhunderts ihren Ursprung hat. Seit ihrer Kodifzierung 1974, stellte das Betriebsrentengesetz („BetrAVG“) ausschließlich Leistungszusagen als Gestaltungsmittel des Arbeitgebers zur Verfügung, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Mit diesen Leistungsversprechen des Arbeitgebers schützte das Betriebsrentengesetz Arbeitnehmer vor den Risiken des Kapitalmarktes. Dies gilt für die Leistungszusage und die beitragsorientierte Leistungszusage (nahezu) uneingeschränkt und bei der Beitragszusage mit Mindestleistung immerhin noch mindestens für den Erhalt der Beitragssumme. Flankiert wird dies durch die sogenannte Subsidiärhaftung in § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG, nach der der Arbeitgeber „(…) für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein[steht], wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.“. Durch diese Klarstellung befreit auch die Wahl des Durchführungswegs den Arbeitgeber nicht von seiner Verpflichtung, dem Arbeitnehmer die Betriebsrente zu verschaffen. Diese – auch im internationalen Vergleich rare – Systematik geriet in den letzten Jahrzehnten zunehmend in Kritik und wurde als Hemmschuh für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung erkannt.
Die Ergänzung der Leistungszusagen um die reine Beitragszusage wurde also von der Praxis lange gefordert und mit Spannung erwartet. Allerdings sieht das Gesetz nun zur Sicherstellung ausgewogener Lösungen ein sogenanntes Sozialpartnermodell vor, wonach den Prozess der Einführung, Implementierung und Durchführung der Betriebsrente auf Basis einer reinen Beitragszusage zwingend die Tarifvertragsparteien begleiten müssen. Dies ist bedauerlich, schließt es doch den häufig nicht tarifgebundenen Mittelstand zumindest so lange von der reinen Beitragszusage aus, bis sich Sozialpartnermodelle etabliert haben und entsprechende Tarifverträge umgesetzt sind. So mutig der Schritt hin zur reinen Beitragszusage auch ist, könnte diese Form eines Sozialpartnermodells deren Verbreitung erheblich erschweren. Gleichzeitig werden die Sozialpartner für die Durchführung und Steuerung der betrieblichen Altersversorgung verantwortlich.
Entsprechend schwer tat sich die Praxis dann auch mit der Entwicklung eines Produktes nach den Vorstellungen des Gesetzes, so dass es mehr als drei Jahre gedauert hat, bis das erste Sozialpartnermodell zumindest kurz vor der Einführung steht. Erst im März 2021 entstand schließlich in Kooperation der Versicherer Talanx und Zurich das erste Konsortium mit dem vielversprechenden und ambitionierten Namen „Die Deutsche Betriebsrente“, das ein Sozialpartnermodell umsetzt. Dieses mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di verhandelte Modell setzt auf eine Finanzierung der Beiträge durch Entgeltumwandlung. Der Arbeitgeber steuert einerseits einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung bei und baut andererseits einen Sicherheitspuffer für das Kapital auf, der Wertstabilität und -sicherheit gewähren und es den Pensionsfonds ermöglichen soll, stärker in Aktien zu investieren, um so langfristig eine vergleichsweise hohe Rendite zu erwirtschaften.
„Die Deutsche Betriebsrente“ sollte bereits ab dem 01.07.2021 den Mitarbeitern der Talanx AG angeboten werden und deutschlandweit den Weg in die Zukunft der reinen Beitragszusage weisen. Zuvor allerdings muss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) das Produkt prüfen und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung geben. Und genau hier stockt nun die Einführung des ersten Sozialpartnermodells: Da die BaFin ihre Freigabe nicht wie geplant bis Juni 2021 erteilte, sondern bis heute die Prüfung nicht abgeschlossen hat, verzögert sich der Start. Wann mit einem Abschluss der Prüfungen zu rechnen ist, ist nicht bekannt, die BaFin äußert sich nicht zu Einzelfällen. Klar ist allerdings, dass auch die Aufsichtsbehörde, die ihrerseits spätestens seit der Insolvenz der Wirecard AG unter Druck steht, bei ihrer Prüfung Neuland betritt. Die Talanx AG geht inzwischen von einem Start nach den Sommerferien aus, um möglichst vielen Mitarbeitern gleichzeitig das Angebot unterbreiten zu können. Die Branche blickt gespannt zur BaFin…