In jedem Unternehmenskaufvertrag müssen die Parteien festlegen, ob sie spätere Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht oder einem staatlichen Gericht austragen. Bei größeren Unternehmenskäufen fällt die Wahl regelmäßig zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit aus. Die Parteien versprechen sich davon eine kürzere Verfahrensdauer sowie eine höhere Sachkenntnis der Schiedsrichter und möchten oft in englischer Sprache verhandeln. Nicht zuletzt spielt die Vertraulichkeit eines Schiedsverfahrens eine wichtige Rolle – viele Unternehmen befürchten die Verbreitung von Interna in der Öffentlichkeit.
Institutionelle Vorteile staatlicher Gerichte
Demgegenüber bietet auch die staatliche Gerichtsbarkeit Vorteile. So kommt es bei Verfahren im einstweiligen Rechtschutz zu keinem Nebeneinander von staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten (vgl. § 1033 ZPO). Die Vollstreckung eines Urteils ist bei nationalen Sachverhalten einfacher, da kein gesondertes Verfahren durchgeführt wird (§ 1060 ZPO). Auch erfordert die Beweisaufnahme vor Schiedsgerichten häufig die Einbeziehung staatlicher Gerichte (§ 1050 ZPO). Ein wichtiger Pluspunkt staatlicher Gerichtsverfahren ist die Möglichkeit der Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO) gegenüber Dritten. Demgegenüber ist in der Schiedsgerichtsbarkeit stets zu fragen, ob die Schiedsvereinbarung auch den Dritten bindet. Ferner können die Parteien Urteile staatlicher Gerichte durch Rechtsmittel überprüfen lassen. Und schließlich garantiert die staatliche Gerichtsbarkeit vollständige Neutralität.
Neue Kammer für Streitigkeiten aus Unternehmenstransaktionen am LG Düsseldorf
An dieser Stelle kommt in NRW die neue M&A-Spezialgerichtsbarkeit ins Spiel: Nach einer Verordnung vom 22.11.2021 ist für M&A-Streitigkeiten, deren Streitwert mehr als EUR 500.000 beträgt und die ab dem 01.01.2022 in NRW anhängig gemacht werden, ausschließlich das LG Düsseldorf zuständig. Solche Streitigkeiten sollen dort vor einer neu eingerichteten Spezialkammer (als allgemeine Zivilkammer sowie als Kammer für Handelssachen) durch eine besondere Verfahrensstrukturierung mit einem „Case Management“ zügig durchgeführt werden. Auf Wunsch kann auch auf Englisch und per Videoübertragung verhandelt werden. Dies soll die Vorteile beider Systeme verbinden.
Die Entwicklung in NRW steht dabei in einer Reihe mit weiteren ähnlichen Bestrebungen. Insbesondere wurde beim LG Stuttgart ein „Commercial Court“ eingerichtet, der ebenfalls – neben anderen wirtschaftsrechtlichen Streitverfahren – auf Streitigkeiten beim Kauf von Unternehmen bzw. Unternehmensanteilen spezialisiert ist.
Fazit: Ernsthafte Alternative
Auf dem Papier bietet das Angebot vor dem LG Düsseldorf eine echte Alternative zur Schiedsgerichtsbarkeit. Viel wird nun davon abhängen, ob die Justiz das Versprechen halten kann, die häufig internationalen M&A-Streitigkeiten zügig, effizient, kompetent, mit modernen Mitteln und wenn erforderlich englischsprachig durchzuführen. Gelingt es der M&A-Spezialkammer in NRW, die Beobachtung, dass sich staatliche Gerichte mit Umfang und Komplexität solcher Streitigkeiten häufig schwer tun, zu widerlegen, dürfte sich schon bald eine ernsthafte Konkurrenz für die Schiedsgerichtsbarkeit herausbilden. Dies wäre sehr zu begrüßen, zumal aufgrund der Transparenz gerichtlicher Entscheidungen für die Öffentlichkeit viele diffizile rechtliche Zweifelsfragen bei Unternehmenstransaktionen beseitigt würden. Auch aus diesem Grund kann man der neuen M&A-Spezialkammer beim LG Düsseldorf nur die Daumen drücken.