Grenzüberschreitende Formwechsel vor Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie

RA/Notar Dr. Cédric Müller, Partner / RA/Notar Dr. Philipp Honisch, Counsel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Am 31.01.2023 soll das UmRUG in Kraft treten, mit welchem die EU-Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen (Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln) in deutsches nationales Recht umgesetzt wird. Bis dahin bestehen gesetzliche Regelungen nur für die grenzüberschreitende Verschmelzung (§§ 122a ff. UmwG). Gleichwohl ist anerkannt, dass auch grenzüberschreitende Formwechsel – d.h. die Sitzverlegung einer Gesellschaft von einem EU-Staat in einen anderen unter identitätswahrender Wandlung der Rechtsform in eine Gesellschaft nach dem Recht des Zuzugsstaats – möglich sind. Dieser Beitrag zeigt auf, wie dies auch schon vor Inkrafttreten der Neuregelungen umgesetzt werden kann.

Zulässigkeit

Durch die EuGH-Entscheidungen „Cartesio“, „Vale“ und „Polbud“ ist klargestellt, dass eine grenzüberschreitende Sitzverlegung unter identitätswahrendem Rechtsformwechsel zulässig ist, sofern in dem Zielstaat ein Formwechsel für nationale Unternehmen möglich ist. Zwar hat sich der BGH bisher nicht zum grenzüberschreitenden Formwechsel geäußert; jedoch liegen mehrere dessen Zulässigkeit bestätigende OLG-Entscheidungen vor. Auch das rechtswissenschaftliche Schrifttum nimmt die Zulässigkeit grenzüberschreitender Formwechsel einheitlich an.

Verfahren

Welche Verfahrensschritte einzuhalten sind, wird uneinheitlich bewertet. Fest steht, dass es eines Gesellschafterbeschlusses der formwechselnden Gesellschaft bedarf, der Eintragung der neuen Rechtsform im Register des Zuzugsstaats und der Löschung aus dem Register des Wegzugsstaats. Zudem sind die Gründungsvorschriften im Zuzugsstaat einzuhalten. Die Details sind jedoch umstritten. Aus der OLG-Rechtsprechung sind im Wesentlichen drei verschiedene Ansätze ableitbar:

  • analoge Anwendung der Regeln zum nationalen Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG (OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. 6. 2013 – 12 W 520/13, vgl. dazu Bungert/de Raet, DB 2014 S. 761; KG vom 21.03.2016 – 22 W 64/15, DB 2016 S. 1627; OLG Frankfurt/M., vom 03.01.2017 – 20 W 88/15, DB 2017 S. 779).
  • neben dem Rückgriff auf die §§ 190 UmwG sollen die Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung nach §§ 122a ff. UmwG entsprechend angewendet werden (OLG Saarbrücken,  vom 07.01.2020 – 5 W 79/19, DB 2020 S. 671)
  • analoge Anwendung der §§ 190 ff. UmwG in Kombination mit der entsprechenden Anwendung der Regelungen zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung der SE (OLG Düsseldorf, vom 19.07.2017 – I-3 Wx 171/16, DB 2017 S. 2539).

Welcher Ansicht man folgt, hat insbesondere Bedeutung für folgende Fragen, die sich weitreichend auf die Umsetzungsdauer auswirken:

  • Pflicht zur Aufstellung eines Umwandlungsplans (nach §§ 190 ff. UmwG nicht erforderlich; analog § 122c UmwG zu erstellen und einen Monat vor der Gesellschafterversammlung beim Handelsregister einzureichen und offenzulegen; analog Art. 8 Abs. 2, 6 Satz 1 SE-VO zu erstellen und zwei Monate vor der Gesellschafterversammlung beim Handelsregister einzureichen und offenzulegen)
  • Pflicht zur Erstellung eines Umwandlungsberichts (nach §§ 190 ff. UmwG Verzicht möglich [§ 192 Abs. 2 UmwG], nach § 122e Satz 3 UmwG oder Art. 8 SE-VO kein Verzicht)
  • Erfordernis der Einholung einer Vorabbescheinigung durch die zuständige Stelle des Wegzugsstaats (nach §§ 190 ff. UmwG nicht erforderlich; analog § 122k UmwG erforderlich).

Praxishinweise

Relativ kurzfristig könnte sich ein Herausformwechsel von Deutschland in einen anderen EU-Staat ggf. noch entsprechend der Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main (OLG Frankfurt/M. vom 03.01.2017 – 20 W 88/15) umsetzen lassen. Dabei wird zunächst die Neueintragung im ausländischen Zuzugsstaat herbeigeführt, die dann in analoger Anwendung von § 202 UmwG Verfahrensmängel des deutschen Procedere heilt und das deutsche Handelsregister zur Austragung verpflichtet. Da dieser Ansatz aber keine besonderen Gläubigerschutzvorschriften vorsieht, wird seine Anwendbarkeit kritisch beurteilt, weshalb dieses Vorgehen in jedem Fall mit dem zuständigen Handelsregister abgestimmt sein sollte.

Überhaupt empfiehlt sich die genaue Verfahrensabstimmung mit den zuständigen Registern im In- und Ausland. Denn der grenzüberschreitende Formwechsel – sei es der Herein- oder Herausformwechsel – ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Mangels gesetzlicher Regelungen und aufgrund der Uneinigkeit in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte gibt es aktuell keine einheitlichen und klaren Verfahrensvorgaben. Diesen Unsicherheiten wird erst das Inkrafttreten der UmwG-Novelle im Januar 2023 abhelfen.

Redaktionelle Hinweise

Vgl. zu diesem Thema u.a. auch:

Brandi/Schmidt, Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG, DB 2022 S. 1880

Bungert/Strothotte, Die Regierungsentwürfe zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln, DB 2022 S. 1818

 

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