Die Reaktor-Katastrophe von Fukushima hat zu einem rasanten Anstieg der Nachfrage nach so genannten „Ökostrom“-Produkten geführt. Neben den reinen Grünstromhändlern, die die Nachfrage zeitweise gar nicht mehr decken konnten, haben vor allem auch regionale Anbieter von dem Nachfrageboom profitiert. Daher verwundert es nicht, dass Energieversorger diese Entwicklungen des Nachfragemarktes durch Direktvermarktungsmodelle aufgreifen. Die unmittelbare Belieferung aus einer lokalen, effizienten und regenerativen Erzeugungsanlage entspricht in besonderem Maße dem Bedürfnis nach Transparenz, Umweltschutz und lokaler Wertschöpfung.
In dem aktuellen Entwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG-RegE) wird das so genannte „Grünstromprivileg“ für Strom aus EEG-Anlagen zwar fortgeführt (§ 39 EEG-RegE). Dabei wurde es aber mit zahlreichen Einschränkungen versehen, sodass das einzige bisher bewährte Marktinstrument in der bisherigen Entwurfsfassung seiner Bedeutung weitgehend beraubt wurde.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung mit den §§ 33g und 33h EEG-RegE eine Marktprämie vorgeschlagen, mit der die Differenz zwischen erzielbarem Direktvermarktungserlös und dem Erlös aus der EEG-Vergütung ausgeglichen werden soll. Die aus der Lieferverpflichtung erforderlichen Aufwendungen zur Besicherung der Erzeugung durch die Vorhaltung von Kapazitätsreserven sollen durch die „Flexibilisierungsprämie“ nach § 33i EEG-RegE ausgeglichen werden. Auch die Förderung der Rückverstromung von Erdgas, welches zuvor durch Elektrolyse unter Einsatz regenerativ erzeugten Stroms hergestellt wurde (so genanntes „Wind-“ oder „Speichergas“ im Sinne von §§ 3 Nr. 9a, 27c, 64a Abs. 2 EEG-RegE) trägt zur Minderung der Strukturierungskosten der Direktvermarktung bei. Schließlich wird die Direktvermarktung auch durch die gesetzliche Klarstellung der Zulässigkeit des Angebots negativer Regelenergie aus EEG-Anlagen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 EEG-RegE) gestärkt.
Die nur vorübergehenden Lieferengpässe im Grünstrommarkt zeigen, dass der Wettbewerb um regenerative Erzeugungskapazitäten begonnen hat. Die verstärkte Förderung der Direktvermarktung durch die EEG-Novelle 2012 wird diesen Wettbewerb nochmals verschärfen. Nur wer sich rechtzeitig bestehende Erzeugungskapazitäten gesichert hat, wird hier zukünftig im Wettbewerb bestehen können. Aufgrund der langfristigen Refinanzierungszyklen für Erzeugungsanlagen von 10 – 20 Jahren kommt es hier aber besonders auf eine nachhaltige rechtliche und betriebswirtschaftliche Gestaltung an. Trotz des Zeitdrucks, der neben dem Wettbewerb vor allem auch den sich ständig wandelnden rechtlichen Rahmenbedingungen geschuldet ist, muss hier deshalb eine sorgfältige Vertragsgestaltung sichergestellt werden.
Dabei kollidiert der Wunsch der Verbraucher nach einer einfachen und transparenten Energieversorgung mit der Wirklichkeit einer komplexen Energiewirtschaft. Selten fallen regenerative Erzeugungskapazitäten, die Fähigkeit zur Herstellung einer Deckung zwischen schwankender Erzeugung und schwankendem Verbrauch, der Transport von den regenerativen Primärenergiequellen zu den Verbrauchern in den industriellen Ballungsräumen und die Abwicklung von Massenkundengeschäften in einem Unternehmen zusammen. Direktvermarktungsmodelle erfordern deshalb regelmäßig Kooperation zwischen den verschiedenen Marktakteuren. Hierzu müssen die Leistungsbeziehungen durch Verträge geregelt werden.
Dabei spielen Direktvermarktungsdienstleister zunehmend eine zentrale Rolle. Sie mindern das Ausfallrisiko durch Zusammenfassung möglichst vieler Erzeugungsanlagen, verfügen über das Kow-how der komplexen betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen und bilden ein oft unerlässliches Bindeglied zwischen Unternehmen mit Zugang zu regenerativen Primärenergieressourcen und Unternehmen mit Zugang zu Absatzmärkten.
Der gesetzliche Rahmen für Stromprodukte mit ideellem Mehrwert und die Direktvermarktung ist verbesserungsfähig – ob die zahlreichen Neu-Regelungen die Energiewende durch den Nachfragemarkt unterstützen, muss deshalb bezweifelt werden. Dennoch will die Politik und der Markt eine Umstrukturierung der Erzeugungslandschaft mehr als je zuvor. Insofern gilt es hier – unter sorgfältiger Prüfung der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Risiken und einer Risikominimierung durch nachhaltige vertragliche Gestaltung – sich jetzt Wettbewerbsvorteile in dem noch jungen Markt durch einen rechtzeitigen Markteinstieg mit innovativen Energieprodukten und der Beteiligung in Direktvermarktungsmodellen zu sichern. Dabei müssen Energieversorger – notfalls auch ohne oder sogar gegen die weitgehend untauglichen gesetzlichen Rahmenbedingungen – die Energiewende durch den Markt vorantreiben.