Auf die Klagen zweier früherer Wella-Aktionäre hat der BGH eine Grundsatzentscheidung zum Schicksal von Ausgleichszahlungen bei einem Squeeze-out gefällt. Nach dem Urteil können die Minderheitsaktionäre bei einem Squeeze-out neben der angemessenen Barabfindung nicht auch noch den festen Ausgleich beanspruchen, soweit die Ausgleichsansprüche bis zum Zwangsausschluss nicht mehr fällig werden.
Mit ihren Klagen waren die Wella-Aktionäre gegen den US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble vorgegangen. Dieser hatte Wella 2003 zunächst zu ca. 80% übernommen. Im Jahr 2004 wurde sodann zwischen beiden Unternehmen ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Nach dem Vertrag schuldete Procter & Gamble den außenstehenden Aktionären eine jährliche Ausgleichszahlung von 3,83 € je Vorzugsaktie. Der Ausgleich sollte jeweils am Folgetag der ordentlichen Hauptversammlung für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig werden.
Nachdem Procter & Gamble seinen Anteil an Wella auf über 95% ausgebaut hatte, beschloss die Hauptversammlung der Wella AG im Dezember 2005 den Zwangsausschluss der verbliebenen Wella-Aktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung von 80,37 € je Aktie. Aufgrund gerichtlicher Angriffe gegen den Hauptversammlungsbeschluss verzögerte sich die Eintragung – und damit die Wirksamkeit – des Squeeze-outs um knapp zwei Jahre bis zum November 2007. Die ordentliche Hauptversammlung für das vom Kalenderjahr abweichende Geschäftsjahr 2006/2007 fand am 23. 1. 2008 statt.
Die Kläger verlangten mit ihren Klagen den festen Ausgleich für das Geschäftsjahr 2006/2007 und – in einem Verfahren – für das Geschäftsjahr 2007/2008 zeitanteilig bis zum Tag ihres Ausschlusses aus der AG.
Auch wenn es bei den konkreten Entscheidungen nicht um große Beträge ging – in dem einen Fall betrug der Streitwert ca. 75.000 € und in dem anderen ca. 37.000 € –, hat die Streitfrage erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Schuldete nämlich der Hauptaktionär allen ausgeschlossenen Aktionären zusätzlich zur Barabfindung noch den festen Ausgleich für mehr als ein Geschäftsjahr, würde dies den Squeeze-out beträchtlich verteuern. Vor diesem Hintergrund wurde bis zu der aktuellen BGH-Entscheidung vor Gericht und in der juristischen Literatur heftig über die Frage gestritten und diskutiert.
Mit seinen Urteilen vom 19. 4. 2011 (II ZR 237/09, DB 2011 S. 1385 und II ZR 244/09, DB0422646) hat der BGH nun für Klarheit gesorgt. Der Hauptaktionär muss nur solche Ansprüche auf festen Ausgleich befriedigen, die vor Eintragung des Squeeze-outs noch fällig geworden sind. Begründet hat das Revisionsgericht das Urteil im Wesentlichen damit, dass bei einer vertraglich beherrschten Gesellschaft der Anspruch auf den festen Ausgleich an die Stelle der Dividende tritt. Wie die Dividende entsteht der Anspruch auf festen Ausgleich (vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelung zugunsten der außenstehenden Aktionäre) regelmäßig mit dem Ende der auf ein Geschäftsjahr folgenden ordentlichen Hauptversammlung. Sind die Minderheitsaktionäre zu diesem Zeitpunkt schon wirksam ausgeschlossen, kommt der Ausgleichsanspruch nicht mehr zur Entstehung.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist diese Entscheidung gerechtfertigt. Denn die erst zukünftig fällig werdenden Ausgleichszahlungen werden mit der Barabfindung angemessen abgegolten, weil sie in deren Berechnung mit einfließen. Die Barabfindung entspricht mindestens dem Börsenwert (in dem die zukünftig zu erwartenden Erträge vorweg berücksichtigt sind) oder einem höheren, nach der Ertragswertmethode ermitteltem Aktienwert. Bei Bestehen eines Gewinn- und Beherrschungsvertrages wird der Ertragswert aber gerade durch Kapitalisierung und Diskontierung der künftigen Ausgleichszahlungen berechnet.
Zu Recht haben die Kläger allerdings darauf hingewiesen, dass es dadurch zu einer Verzinsungslücke kommt, dass der Bewertungszeitpunkt für die Barabfindung die den Squeeze-out beschließende Hauptversammlung ist, der Abfindungsbetrag nach den gesetzlichen Regelungen aber erst ab Eintragung des Squeeze-outs zu verzinsen ist. Allerdings ist dies die Folge einer nach dem BGH verfassungskonformen Gesetzesregelung. Diese kann sich bei längeren Verzögerungen auch zugunsten der Minderheitsaktionäre auswirken. Dann können in der Barabfindung „eingepreiste“ Ausgleichszahlungen nämlich zusätzlich noch zur Auszahlung fällig werden.