Aufträge zwischen öffentlichen Auftraggebern, wie z. B. Kommunen, sind nicht automatisch von den Bestimmungen des europäischen Vergaberechts ausgenommen. Allerdings erkennt der EuGH bestimmte Formen der öffentlich-öffentlichen Partnerschaft (ÖÖP) an, bei denen Vergaberecht nicht anzuwenden ist. Die Frage, ob im Einzelfall ein öffentliches Vergabeverfahren durchgeführt werden muss, ist wegen der vielfältigen EuGH-Rechtsprechung oftmals schwierig. Das Europäische Parlament hat deshalb die Europäische Kommission aufgefordert, einen umfassenden Überblick über die einschlägige Rechtsprechung allgemein zu verbreiten.
Die Europäische Kommission hat dies zum Anlass genommen, eine sog. „Arbeitsunterlage über die Anwendung des EU-Vergaberechts im Fall von Beziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern (öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit)“ zu veröffentlichen. Mit dieser nicht bindenden Arbeitsunterlage werden ausdrücklich keine neuen Vorschriften oder Anforderungen festgelegt. Ziel dieses „Leitfadens“ ist es, zu einem besseren Verständnis und einer leichteren Anwendung des EU-Vergaberechts aller beteiligten Akteure beizutragen.
Die Europäische Kommission zeigt in ihrem Arbeitspapier nicht nur das seit langem von der Rechtsprechung anerkannte sog. Inhouse-Geschäft auf, sondern beleuchtet auch Kooperationen auf der Grundlage von Vereinbarungen näher. Im Rahmen eines Inhouse-Geschäftes besteht eine Vergaberechtsfreiheit nur dann, wenn der öffentliche Auftraggeber über das auftragnehmende, ohne private Kapitaleigner bestehende Unternehmen eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt und der Auftragnehmer zudem im Wesentlichen für die Vergabestelle tätig ist. Das Vorliegen des Kontroll- und Wesentlichkeitskriteriums bereitet in der Beschaffungspraxis oftmals Probleme, erfordert es doch eine „institutionalisierte“ Beteiligung (bspw. GmbH-Beteiligung) der öffentlichen Hand an dem jeweiligen Auftragnehmer. Deshalb werden im Beschaffungsalltag vor allem rechtsgeschäftliche, „nichtinstitutionalisierte“ Formen der Zusammenarbeit von Städten und Gemeinden favorisiert.
Um eine Ausschreibungspflicht zu vermeiden, so die Europäische Kommission, darf sich die Vereinbarung aber nur auf öffentliche Auftraggeber beziehen, und es darf kein privates Kapital beteiligt sein. Ferner muss die Vereinbarung auf einer echten Zusammenarbeit beruhen, mit dem gemeinsamen Ziel einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung. Schließlich darf die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit nur durch Überlegungen in Zusammenhang mit einem öffentlichen Interesse bestimmt sein. Immer dann also, wenn es zwischen den öffentlichen Kooperationspartnern zu einem Finanztransfer kommt, abgesehen von einer tatsächlichen Kostenerstattung, bleibt europäisches Vergaberecht weiter anwendbar. An einer vergaberechtsfreien Kooperation sollten auch nur Einrichtungen beteiligt sein, die nicht hauptsächlich auf einem Markt mit einem kommerziellen Zweck tätig sind. Rein kommerzielle Überlegungen dürften einer vergaberechtsfreien Kooperation deshalb entgegenstehen, so die Europäische Kommission.
Die Idee, öffentlichen Auftraggebern einen Leitfaden über die Möglichkeiten vergaberechtsfreier Kooperationen an die Hand zu geben, ist zwar begrüßenswert. Allerdings darf der praktische Nutzen für die Zielgruppe der öffentlichen Beschaffungsstellen eingeschränkt sein. Bereits die Zielsetzung und letztlich auch der Inhalt dieser Arbeitsunterlage verdeutlichen die Schwäche des Leitfadens. Zum einen wird „nur“ eine Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit dargestellt. Hierbei werden zwar einige Praxisprobleme der interkommunalen Zusammenarbeit gestreift, aber nicht entscheidend konkret weiterentwickelt.
Zu den unterschiedlichen in der öffentlichen Auftragsvergabe denkbaren Inhouse-Szenarien (z. B. im „Tochter-Mutter-Verhältnis“ oder Aufträge zwischen „Schwesterunternehmen“) enthält die Arbeitsunterlage nur bruchstückhafte Ausführungen. Gleiches gilt für viele Fragen der „horizontalen“ Zusammenarbeit von öffentlichen Stellen auf der Grundlage von Vereinbarungen. Zum anderen zeigt die Arbeitsunterlage „lediglich“ das Rechtsverständnis der Europäischen Kommission auf, ohne dass dem eine bindende Außenwirkung zukommt. Letztlich entscheiden die Luxemburger Richter, nicht die Europäische Kommission in Brüssel. Es darf daher bezweifelt werden, ob die Arbeitsunterlage ihren Zweck, ein besseres Rechts- und Anwendungsverständnis bei den öffentlichen Vergabestellen zu erzielen, tatsächlich gerecht werden kann.