Kein Interessenkonflikt bei Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

RA/StB/FBIStR Prof. Dr. Christian Rödl, Geschäftsführender Partner bei Rödl & Partner, Nürnberg

Wurde im Konzern zwischen zwei GmbHs ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen und ist die durch diesen Vertrag begünstigte GmbH Mehrheitsgesellschafterin der anderen, war lange Zeit unklar, ob die Entscheidung über die Kündigung des Vertrages der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung obliegt und ob die herrschende Gesellschafterin im letzteren Fall stimmberechtigt ist. Aus ihrem Eigeninteresse als begünstigte Partei wurde teilweise geschlossen, dass sie dem Stimmverbot aus § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG unterliegt. In der Praxis wurde die Entscheidung bisher aber häufig den Geschäftsführern überlassen.

§ 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG schreibt vor, dass ein Gesellschafter bei der Beschlussfassung u. a. dann nicht mitwirken darf, wenn es um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts ihm gegenüber geht. Zur Verhinderung eines Interessenkonflikts soll der Gesellschafter nicht zum Richter in eigener Sache werden dürfen.

Da durch das weite Verständnis des Begriffs des Rechtsgeschäfts eine Ausuferung des Stimmverbots drohte, wurde § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG restriktiv ausgelegt. Es wurde unterschieden zwischen Rechtsgeschäften mit „individualrechtlichem Charakter“ und welchen mit „sozialrechtlichem“ bzw. „körperschaftsrechtlichem Charakter“.

Rechtsgeschäfte mit individualrechtlichem Charakter betreffen den Gesellschafter nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied der Gesellschaft, sondern genauso wie einen Außenstehenden, so dass das Stimmverbot stets eingreifen sollte. Rechtsgeschäfte mit körperschaftlichem Charakter sind innergesellschaftliche Maßnahmen, bei denen in der Regel nur Interessen des Gesellschafters in seiner Funktion als Mitglied der Gesellschaft betroffen sind, aber nicht seine privaten. Das Stimmverbot sollte nur gelten, wenn ausnahmsweise private Interessen im Vordergrund ständen.

Die Abgrenzung war seit jeher schwer zu treffen. Neuere Stimmen befürworten daher eine rein wertende Betrachtung der Interessenlage. Vieles liegt immer noch im Unklaren. So war in der untergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur lange umstritten, wie der speziellen Fall der Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages einzuordnen ist. Die Ergebnisse und Begründungen waren vielfältig.

Die Kündigung wurde teilweise als reine Geschäftsführungsmaßnahme verstanden, ohne dass es überhaupt der Mitwirkung der Gesellschafterversammlung bedürfe. Andere sahen darin ein Außengeschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, bei dem der herrschende Gesellschafter nicht stimmberechtigt sei. Teilweise wurde auch eine Parallele zur Aktiengesellschaft gezogen, bei der gemäß §§ 296 Abs. 2, 297 Abs. 2 AktG die außenstehenden Aktionäre der Aufhebung oder Kündigung eines Unternehmensvertrages zustimmen müssen. Bei der GmbH bestünde ebenso ein Zustimmungsbedürfnis. Andere sahen darin einen innergesellschaftlichen Organisationsakt, der als körperschaftsrechtliches Geschäft keinem Stimmverbot unterliege.

Der BGH hat diesem Streit nun mit Urteil vom 31. 5. 2011 (Az. II ZR 109/10, DB 2011 S. 1682) ein Ende gesetzt. Er bejahte im Fall der ordentlichen Kündigung einen innergesellschaftlichen Organisationsakt, da ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kein gewöhnlicher schuldrechtlicher Vertrag sei, sondern als gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft ändere. Es handele sich um eine innere Angelegenheit der Gesellschaft, so dass dem Gesellschafter seine Mitwirkung nicht versagt werden könne. Auch stünden typischerweise keine Sonderinteressen des herrschenden Gesellschafters im Vordergrund, da die im Vertrag enthaltene Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens durch seinen Einfluss in der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft erhalten bleibe. Der Wegfall der Gewinnabführungspflicht sei letztlich neutral, da damit der Wegfall der Pflicht zum Verlustausgleich bei der beherrschten Gesellschaft und ggf. zur Leistung von Ausgleichszahlungen korrespondiere.

Damit ist nun die bisherige Praxis der Entscheidung durch die Geschäftsführung unzulässig. Der notwendige Beschluss der Gesellschafterversammlung unterliegt gewissen formellen Anforderungen (Stimmmehrheiten, notarielle Beurkundung, Eintragung ins Handelsregister etc.), wobei auch diese Einzelheiten noch nicht abschließend geklärt sind. Wie sich das Fehlen eines solchen Beschlusses auf die Wirksamkeit früherer Kündigungen auswirkt, ist ebenfalls unklar. Wer mehr Rechtssicherheit möchte, kann eventuell durch einen nachträglichen Beschluss der Gesellschafterversammlung eine Genehmigung der früheren Kündigung herbeiführen.

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