Die Europäische Zentralbank (EZB) hat heute beschlossen, ihr gezeichnetes Kapital mit Wirkung vom 29. 12. 2010 um 5 Mrd. € von 5,76 Mrd. € auf 10,76 Mrd. € zu erhöhen. Eine solche Erhöhung ist schon in den vergangenen Tagen in Zusammenhang mit den Risiken aus den Staatsanleihen gebracht worden, welche die Bank in den letzten Monaten erworben hat. Zugleich soll eine derartige Maßnahme als Warnung an die EU-Regierungschefs verstanden werden, dass diese Käufe zu Ende gehen müssten und der Europäische Stabilisierungsfonds in Luxemburg (EFSF) künftig derartige Stützungskäufe durchzuführen habe. Weiter wird auf die Forderung von EZB-Präsident Trichet und Bundesbankpräsident Weber hingewiesen, das Volumen des europäischen „Sicherheitsschirms“ zu erhöhen.
In diesem Zusammenhang ist auf einige Grundtatsachen hinzuweisen, die in den Medien nicht immer zutreffend dargestellt werden:
- Die EZB hat kein „Grundkapital“. Die Verwendung dieses Begriffs ist irreführend. Art. 28 des Statuts der EZB, das zum Primärrecht der EU gehört, legt die Höhe ihres „Kapitals“ fest, wie es zu ändern ist und wer es hält. Zeichner und Inhaber des Kapitals sind nicht etwa die Mitgliedstaaten, sondern die nationalen Zentralbanken. Inhaber des deutschen Kapitalanteils an der EZB ist also nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern die Deutsche Bundesbank, die rechtlich und wirtschaftlich selbständig ist. Die Berechnung der Anteile ist in der Vorschrift im Übrigen detailliert geregelt.
- Entsprechend dieser Vorschrift hat der Rat der Europäischen Union eine Verordnung erlassen (vom 8. 5. 2000, 1009/2000), die es dem EZB-Rat erlaubt, das Kapital der EZB um bis zu 5 Mrd. € zu erhöhen. Diese Ermächtigung ist nun ausgeschöpft worden. Eine Verpflichtung hierzu hat es nicht gegeben, da das Kapital der EZB keine bestimmte Relation zum Bilanzvolumen haben muss.
- Das Kapital der EZB ist in keiner Weise mit dem Grundkapital einer Aktiengesellschaft oder dem Stammkapital einer GmbH zu vergleichen. Es muss deshalb auch nicht in irgendeiner Form „angemessen“ im Verhältnis zu ihrer Geschäftstätigkeit sein. In diesem Zusammenhang von einem „Geschäftsmodell“ der EZB zu sprechen, des möglicherweise mehr Kapital erfordert, ist abwegig. Die EZB hat kein Geschäftsmodell, sondern hat hoheitliche Aufgaben zu erfüllen. Die Deutsche Bundesbank ist deshalb ausdrücklich von den Vorschriften des Kreditwesengesetzes einschließlich seiner Kapitaladäquanzregeln ausgenommen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 1).
- Problematisch sind die angekauften Wertpapiere aber aus einem anderen Grunde und deshalb wird die Weiterführung dieser Geschäfte immer fragwürdiger. Die Europäische Zentralbank und die Zentralbanken der Mitgliedstaaten dürfen nach Art. 123 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den Mitgliedstaaten und allen anderen Einrichtungen des öffentlichen Sektors dieser Staaten keine Kredite gewähren. Dieses Verbot gilt lediglich nicht, wenn Schuldtitel auf dem Sekundärmarkt erworben werden. Ein solcher Erwerb darf aber nur aus markttechnischen Gründen erfolgen, da andernfalls das grundsätzliche Verbot leicht unterlaufen werden könnte. Derartige markttechnische Gründe können aber immer weniger angenommen werden je länger die Stützungskäufe andauern.Es handelt sich also nicht um eine Frage der persönlichen Präferenzen oder politischen Meinungen des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, sondern darum, ob ein offener Rechtsbruch begangen werden soll. Die Maßnahmen der EZB waren insoweit von Anfang an rechtlich nicht über jeden Zweifel erhaben, werden aber mit fortlaufender Zeit immer schwerer zu rechtfertigen. Es bestehen daher dringende Gründe, sie zu beenden.
- Die Staatsanleihen sind nur zu einem kleinen Teil von der EZB angekauft worden. Überwiegend sind sie von den nationalen Notenbanken nach einem vereinbarten Schlüssel erworben worden. Sie werden in deren Bilanzen ausgewiesen. Wenn also Ausfälle erfolgen, sind sie zunächst einmal dort zu verbuchen.
Es ist nicht sicher, dass Verluste letztlich vom Steuerzahler zu tragen wären. Zunächst einmal kann eine Notenbank ihre Schulden mit Geld bezahlen, das sie in unbegrenzter Höhe schaffen kann. Im Übrigen ist es ihr auch nicht verwehrt, langfristig Verluste auszuweisen. Ob die Bundesrepublik Deutschland für endgültige Verluste der Bundesbank haften würde, ist ebenfalls ungewiss, da weder Anstaltslast noch Gewährträgerhaftung angeordnet sind.