RA Peter Homberg, Partner bei Raupach & Wollert-Elmendorff
Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz –
AMNOG) ist am 1. 1. 2011 in Kraft getreten und zielt vordergründig darauf ab, den Preis eines Arzneimittels an dessen Nutzen zu koppeln und dadurch die steigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel einzudämmen. So soll ein Ausgleich zwischen innovativen Arzneimitteln einerseits und bezahlbaren Arzneimitteln andererseits erreicht werden, der insbesondere zu einem fairen Wettbewerb, aber auch zu einer stärken Orientierung am Wohl des Patienten führen soll.
Erreicht werden soll dieses Ziel der bezahlbaren, innovativen Arzneimittel beispielsweise dadurch, dass Hersteller für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen nunmehr aufgrund der Gesetzesänderungen durch das AMNOG direkt zur Markteinführung einen Nachweis über den Zusatznutzen des Produkts für Patienten (beispielsweise aufgrund einer besseren Behandlung einer Krankheit im Vergleich zu aktuell eingesetzten Arzneimitteln oder aufgrund der Vermeidung oder Reduzierung von Nebenwirkungen) vorlegen müssen. Ob dieser durch den Hersteller dargelegte Zusatznutzen anerkannt wird, darüber entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Der G-BA erstellt hierfür eine sog. Nutzenbewertung, wobei diesbezüglich durch den G-BA beispielsweise auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder Dritte beauftragt werden können. Diese Nutzenbewertung wird dann im Anschluss im Internet veröffentlicht, und der betroffene Arzneimittelhersteller sowie die entsprechenden Fachkreise und Verbände können zu den dargestellten Aspekten Stellung nehmen. Innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Nutzenbewertung entscheidet der G-BA – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der weiteren Stellungnahmen – abschließend, ob ein zusätzlicher Nutzen anerkannt wird. Das Ergebnis des G-BA ist dann Entscheidungsgrundlage dafür, zu welchem Preis ein neu zugelassenes Arzneimittel verkauft werden kann, und damit für den Arzneimittelhersteller von essentieller Bedeutung.
Anfang Oktober hatte das IQWiG eine erste Dossierbewertung veröffentlicht. Weitere Dossierbewertungen befinden sich derzeit beim IQWiG in der Bearbeitung. In seiner ersten Dossierbewertung kommt das IQWiG dabei zu dem Ergebnis, dass der innovative Wirkstoff des begutachteten Arzneimittels für eine spezifische Indikation einen beträchtlichen Zusatznutzen bietet, während für eine weitere Indikation (entgegen der Darlegung des Herstellers in seinem Dossier) kein Zusatznutzen belegt wurde. Zu dieser Bewertung durch das IQWiG kann nun – wie oben darstellt – von betroffenen Kreisen vor der endgültigen Entscheidung des G-BA über das Vorliegen eines Zusatznutzens Stellung genommen werden.
Welche Auswirkungen die Nutzenbewertung allgemein – aber auch im ersten konkreten Fall – haben wird, wird sich somit bereits in den nächsten Wochen zeigen. Aktuell lässt sich durch die betroffenen Kreise keine generelle Ablehnung der neuen Anforderungen aufgrund des AMNOG erkennen. Die ersten Nutzenbewertungen und deren Auswirkungen auf die Preisgestaltung der neuen Produkte werden allerdings in der Praxis zeigen, ob seitens des Gesetzgebers nachgebessert werden muss, oder ob bereits die aktuellen Regelungen ausreichen, um tatsächlich zu einem Ausgleich der Interessen der Beteiligten zu führen. Ziel muss es sein, durch die neuen strukturellen Veränderungen in der Praxis trotz der Eindämmung der Kosten im Gesundheitswesen Anreize für die Industrie, neue Produkte auf dem Markt zu platzieren, zu schaffen.