Mit seinem Urteil vom 22. 11. 2011 (AZ C-214/10, Rs „KHS“, DB0462342) hat der EuGH eine zeitliche Beschränkungsmöglichkeit für die Ansammlung wegen Krankheit nicht genommenen Urlaubs bejaht. Dieses begrüßenswerte Urteil dürfte bundesweit zu einem erleichterten Aufatmen unter Arbeitgebern geführt haben.
Als zeitlichen Richtwert für eine Beschränkung halten die Richter in Luxemburg 15 Monate für angemessen, d.h. ein Verfall nicht genommenen Urlaubs nach 15 Monten würde nach Auffassung der EuGH nicht gegen europäische Grundsätze verstoßen.
Begründet wurde das Urteil insbesondere damit, dass eine unbegrenzte Anhäufung von Urlaubsansprüchen mit dem Zweck des Jahresurlaubs nicht vereinbart werden könne. Zweck sei es nämlich, dass sich der Arbeitnehmer von der Arbeit erholen kann und ihm „Zeitraum für Entspannung und Freizeit“ zur Verfügung steht. Grundsätzlich solle Urlaub daher auch in dem Jahr genommen werden, für den er gewährt wurde. Ist dies aus krankheitsbedingten Gründen nicht möglich, verlöre die Urlaubsgewährung nach einer gewissen Zeit ihren Zweck. Hierneben bedürfte es auch eines Schutzes des Arbeitgebers, der die Arbeitsorganisation nur schwer planen könne, wenn er mit mehrmonatiger urlaubsbedingter Abwesenheit eines Arbeitnehmers nach dessen Genesung zu rechnen hätte.
Im dem zugrunde liegenden Fall, der nun vom EuGH entscheiden wurde, war ein langjährig als Schlosser beschäftigter Mitarbeiter dauerhaft erkrankt und bezog von 2003 bis 2008 eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie eine Invalidenrente von seinem Arbeitgeber. Aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit, und da nicht zu erwarten war, dass er seine Tätigkeit wieder aufnehmen würde, vereinbarte er im Jahr 2008 mit seinem Arbeitgeber die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Hinsichtlich seiner Urlaubsansprüche sah der auf sein Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag vor, dass aufgrund Krankheit nicht genommener Urlaub nach 15 Monaten ersatzlos verfallen solle. Anfang 2009 entschied der EuGH jedoch zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt, dass ein gesetzlich angeordneter Verfall von wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommenem Urlaub gegen Europarecht verstoße und langzeiterkrankte Arbeitnehmer ihre Urlaubsansprüche somit gegebenenfalls auch über Jahre anhäufen können (Rs. Schultz-Hoff, DB 2009 S. 234). Im März 2009 klagte der Mitarbeiter beim ArbG Dortmund somit Abgeltungszahlungen für den Urlaub ein, den er in den Jahren 2006 bis 2008 aufgrund seiner Erkrankung nicht nehmen konnte.
Das ArbG Dortmund bejahte den geltend gemachten Anspruch teilweise. In zweiter Instanz legte das LAG Hamm dem EuGH die Frage vor, ob eine nationale Regelung ebenfalls gegen Europarecht verstoße, wenn der maximale Ansammlungszeitraum im Fall einer Langzeiterkrankung auf 18 Monate begrenzt würde, ob es im Ergebnis also zulässig sei, das grenzenlose Ansammeln von nicht genommenen Urlaub zu beschränken.
Der vorliegende Fall war nicht der einzige Rechtsstreit, der im Nachgang zum berüchtigten „Schultz-Hoff Urteil“ des EuGH im Januar 2009 anhängig gemacht wurde. So hatte das LAG Schleswig-Holstein im Dezember 2010 über einen extremen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer Abgeltungsansprüche für fast 90 Urlaubstage geltend machte, die er in den Jahren 2005 bis 2009 aufgrund Erkrankung nicht nehmen konnte. Das LAG Schleswig-Holstein bejahte den Anspruch und verurteilte das beklagte Unternehmen zur Zahlung eines fünfstelligen Betrags. In der Urteilsbegründung betonte das norddeutsche Gericht aber, dass es sich um ein „skurriles Ergebnis“ handele, das „rechtspolitisch bedenklich“ sei und „Missbehagen verursache“.