Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Mit anderen Worten: Die Durchführung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl ist in Zusammenhang mit dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung unabdingbare Voraussetzung.
Allerdings räumt § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG dem Arbeitgeber das Recht ein, die Sozialauswahl u.a. zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur einzuschränken. So sind nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
Konkret bedeutet dies, dass dem Arbeitgeber das Recht zusteht, davon abzusehen, die Sozialauswahl zwischen sämtlichen in Betracht kommenden Arbeitnehmern durchzuführen. Vielmehr kann und darf er vergleichbare Arbeitnehmer in verschiedene Altersgruppen einsortieren, um dann eine Auswahl innerhalb der gebildeten Altersgruppen durchzuführen.
Das BAG hat bereits in früheren Entscheidungen eine derartige Altersgruppenbildung – etwa der 21 – 30 Jahre alten, der 31 – 40 Jahre alten Arbeitnehmer usw. – für zulässig erklärt. Eine solche Gruppenbildung biete eine besondere Gewähr für eine sachgerechte Lösung unter Berücksichtigung der betrieblichen und arbeitnehmerseitigen Interessen. Auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei die Bildung von Altersgruppen zulässig.
Nunmehr stellt das BAG mit seinem Urteil vom 15. 12. 2011 klar, dass die angesprochene Möglichkeit der Altersgruppenbildung auch nicht gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, insbesondere dessen Ausgestaltung durch die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. 11. 2000, verstößt. In der zitierten Entscheidung, von der derzeit nur eine Pressemitteilung vorliegt, nicht jedoch der Volltext, begründet das BAG seine Rechtsauffassung wie folgt:
Das Erfordernis der Sozialauswahl ziele darauf ab, ältere Arbeitnehmer bei Kündigungen zu schützen. Im Rahmen der angesprochenen Altersgruppenbildung sei das Lebensalter nur im Rahmen der jeweiligen Gruppe von Bedeutung. Der Altersaufbau der Belegschaft bleibe im Wege der Altersgruppenbildung weitgehend erhalten.
Zwar führe die gesetzliche Regelung zur Altersgruppenbildung zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters, diese sei jedoch durch rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt i. S. des Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt. Einerseits trüge die Regelung den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung. Andererseits wirkten sie durch die Möglichkeit der Bildung von Altersgruppen der ausschließlich linearen Berücksichtigung des ansteigenden Lebensalters und einer mit ihr einhergehenden Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen. Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer sicher zu stellen, würden zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies diene zugleich der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung.
Mit dieser Begründung wies der 2. Senat des BAG die Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin ab, die u. a. die Bildung und den Zuschnitt von Altersgruppen in einer Auswahlrichtlinie von Arbeitgeberin und Betriebsrat gerügt hatte. Eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH nach Art. 267 AEUV habe es nicht bedurft, da die europarechtliche Lage durch mehrere Entscheidungen des EuGH aus den letzten Monaten hinreichend geklärt sei, so das BAG.