Trotz der jüngeren Rechtsprechung des BGH, die die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als eigenes Rechtsubjekt anerkannt hat, ist im Verhältnis zwischen Gesellschafterin und Gesellschaft – jedenfalls im Prozess – noch längst nicht alles geklärt. Bereits Anfang des Jahres hat der BGH Gläubigern einer GbR quasi eine zweite Chance eingeräumt, wenn ein Anspruch gegen die GbR-Gesellschafter aus persönlicher Haftung für eine Gesellschaftsschuld abgelehnt wird.
Hintergrund des Urteils vom 22. 3. 2011 (Az.: II ZR 249/09 = DB0422771) war die Nichterfüllung eines Grundstückskaufvertrages der mit einer GbR und ihren vier Gesellschaftern geschlossen worden war. Die Klägerin hatte zunächst die vier Gesellschafter als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns aus einem ihr möglichen Weiterverkauf des Grundstückes in Anspruch genommen. Diese Klage war in der Berufungsinstanz rechtskräftig abgewiesen worden. Daraufhin verfolgte die Klägerin den Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft. Das Berufungsgericht hatte die Klage als unzulässig abgewiesen, weil über denselben Streitgegenstand bereits im Vorprozess zur Lasten der Klägerin entschieden worden sei.
Zu Unrecht, meinte der BGh und erklärte die Klage für zulässig. Wenn jemand in einem Rechtstreit die Gesellschafter einer GbR aus ihrer persönlichen Haftung für eine Gesellschaftsschuld in Anspruch nehme, entfalte die Rechtskraft eines in diesem Prozess ergangenem Urteils keine Wirkung in einem weiteren Prozess, in dem die klagende Partei nunmehr den Anspruch gegen die Gesellschaft verfolgt. Dies gelte auch dann, wenn alle Gesellschafter im Vorprozess beteiligt waren. Der BGH stützt sich dabei auf § 325 ZPO, wonach die Rechtskraft eines Urteils grundsätzlich nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits wirkt, in dem das Urteil ergangen sei. Die beklagte GbR war jedoch am Vorprozess nicht beteiligt gewesen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei der GbR und ihren Gesellschaftern um verschiedene Rechtssubjekte. Daher sei die Gesellschaft auch nicht am Verfahren beteiligt, wenn sich eine Klage ausschließlich gegen ihre Gesellschafter richtet.
Von diesem Grundsatz gebe es zwar Ausnahmen. Dafür würde aber nicht bereits ausreichen, wenn einem Dritten zumutbar sei, die rechtskräftige Entscheidung über ein vorgreifliches Rechtsverhältnis gegen sich gelten zu lassen. Eine Durchbrechung des Grundsatzes sei nur dann in Betracht zu ziehen, wenn dies entweder vom Gesetz im Einzelfall ausdrücklich angeordnet oder zumindest nach dem Sinn einer Gesetzesvorschrift geboten sei. Nach Ansicht des BGH war dies jedoch vorliegend nicht der Fall. Weder § 129 Abs. 1 HGB noch § 736 ZPO bildeten hierfür eine Grundlage. Auch der Sonderfall, dass ein gegen die Gesellschafter ergangenes Urteil dann für die Gesellschaft bindend sei, wenn darin über die Grundlagen der Gesellschaft entschieden wurde, war hier nicht einschlägig.
Im Ergebnis bedeutet das, dass ein Kläger sich dadurch eine „zweite Chance“ verschaffen kann, indem er zunächst nur die Gesellschafter nicht aber die GbR in Anspruch nimmt. Falls sich dieser Anspruch nicht gerichtlich durchsetzen lässt, kann die klagende Partei in einem zweiten Verfahren ihr Glück erneut gegen die Gesellschaft selbst versuchen. Dieses Ergebnis, das möglicherweise zu unterschiedlichen Beurteilungen des gleichen Sachverhaltes führt, ist laut BGH hinzunehmen.
Es mag dahinstehen, ob diese Option in der Praxis – schon aus Kostengründen – Beliebtheit erlangen wird. Die Existenz dieser Möglichkeit ist jedoch dem Aspekt der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht förderlich.