Diskriminierungsvorwürfe bei Nichteinstellung: Auskunftsansprüche abgelehnter Bewerber?

 

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Mit den viel beachteten Schlussanträgen vom 12. 1. 2012 verneint der Generalanwalt des EuGH in der Rechtssache Galina Meister (C 415/10) einen allgemeinen Auskunftsanspruch für abgelehnte Bewerber über den erfolgreichen Konkurrenten, weil sich der abgelehnte Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) benachteiligt fühlt. Kann die Praxis jetzt aufatmen? Dafür besteht leider kein Grund. Die Sache ist nämlich komplizierter: Das Schweigen des Arbeitgebers bleibt nicht notwendig ohne rechtliche Folgen.

Vor dem BAG geklagt hatte eine in Russland geborene Softwareentwicklerin, die sich erfolglos auf eine Stelle beworben und dann versucht hatte, Anhaltspunkte dafür zu finden, dass sie lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden war. Die unterlegene Bewerberin beabsichtigte eine Diskriminierung zu belegen, um eine Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fordern zu können. Mit Beschluss des BAG vom 20. 5. 2010 (8 AZR 287/08 (A) = DB0362644) legte das BAG nun dem EuGH die Frage vor, ob es das Gemeinschaftsrecht gebietet, einem Bewerber, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, dessen Bewerbung jedoch nicht berücksichtigt wurde, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft einzuräumen, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist.Nach Ansicht von Generalanwalt Mengozzi verlangen die einschlägigen EU-Richtlinien nicht, dass einem Stellenbewerber im Fall seiner Nichtberücksichtigung ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Auskunft eingeräumt wird, ob und aufgrund welcher Kriterien er einen anderen Bewerber eingestellt hat. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Bewerber darlegt, dass er die Voraussetzungen für die vom Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt.

Im Einzelfall könne allerdings doch ein Auskunftsanspruch bestehen. Das Ausbleiben einer Reaktion des Arbeitgebers auf ein Auskunftsbegehren eines Bewerbers müsse differenziert beurteilt werden, je nachdem, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil der Stelle offensichtlich nicht entspreche, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei oder sich unaufgefordert um die Stelle beworben habe, so der Generalanwalt weiter.

Die Unternehmen sollen also nicht zur Auskunft verpflichtet sein. Wenn sie aber diese Auskunft nicht geben, wozu sie schon mit Blick auf Persönlichkeitsrechte des ausgesuchten Kandidaten gar nicht berechtigt sind, kann dies dennoch dazu führen, dass sie entschädigungspflichtig werden. Denn zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Bewerber und Arbeitgeber, das nach Auffassung des Generalanwalts durch die – berechtigte – Verweigerung der Auskunft gestört sein soll, muss das Gericht die Anforderungen an die Vermutungstatsachen für eine Benachteiligung absenken. Dann aber kommt es zu einer Umkehr der Beweislast und der Arbeitgeber kann eine Entschädigung nur dadurch abwehren, dass er die tatsächlich angewandten Entscheidungskriterien offenlegt und nachweist, dass eine Benachteiligung nicht vorliegt oder diese gerechtfertigt ist.

Im Ergebnis steht der Arbeitgeber in manchen Konstellationen schlechter als wenn ein genereller Auskunftsanspruch bejaht würde. Der Generalanwalt drückt sich durch diese Methode auch vor der Auseinandersetzung mit den Persönlichkeitsrechten des ausgewählten Kandidaten.

Und schließlich: Er gab die Antwort auf eine Frage, die gar nicht gestellt wurde. Das BAG wollte nämlich nur für den Fall, dass ein Auskunftsrecht bejaht wird, wissen, welche Schlussfolgerungen aus der Auskunftsverweigerung zu ziehen seien. Da der Generalanwalt einen Auskunftsanspruch ablehnt, hat sich die Frage nach den Konsequenzen einer Ablehnung eigentlich nicht mehr gestellt. Noch nicht geklärt ist die Frage, welche Verbindlichkeit einer Antwort zukommt, deren zugehörige Frage im verfahrensrechtlichen Sinne gar nicht gestellt wurde.

Mit einem Urteil des EuGH, der in vielen Fällen den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt, ist ab März zu rechnen.

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