Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das in weiten Teilen am 1. 3. 2012 in Kraft tritt, schafft mehr Freiräume für eine Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens. Die Rahmenbedingungen für eine Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens bleiben von den Reformbemühungen unberührt. Die außergerichtliche Sanierung kann von den Beteiligten im Ausgangspunkt unverändert mit den Mitteln des Vertragsrechts frei gestaltet werden, insbesondere können die Beteiligten ihre eigenen Sanierungsbeiträge durch vertragliche Vereinbarungen weitgehend frei bestimmen. Die Unternehmenssanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens verspricht daher ein äußerstes Maß an Flexibilität und Effizienz. Gelingt die Sanierung, lösen sich die für Sanierungssituationen typischen Interessengegensätze der Beteiligten in Wohlgefallen auf.
Der Sanierungsversuch kann aber auch scheitern. Dann gilt im Ausgangspunkt: Der (Sanierungs-)Zweck heiligt nicht die Mittel, zumindest nicht alle Mittel. Im Nachhinein werden der Freiheit der Beteiligten hinsichtlich der Gestaltung der Sanierung nämlich sehr wohl Grenzen gezogen, insbesondere mögliche Gläubigerbenachteiligungen geraten ins Visier des Insolvenzverwalters. Dabei stecken die sanierungswilligen Gläubiger in einem Dilemma: Mit Blick auf die Sanierung und vor allem mit Blick auf den von ihnen erwarteten Sanierungsbeitrag wollen sie möglichst viele Informationen über den wirtschaftlichen status quo ihres Schuldners und die geplanten Sanierungsmaßnahmen erhalten, nicht zuletzt auch über die Sanierungsbeiträge der übrigen Gläubiger. Nach fehlgeschlagener Sanierung wird dieses Wissen dann zum anfechtungsrechtlichen Bumerang.
In diesem Zusammenhang hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 8. 12. 2011 (Az.: IX ZR 156/09, DB 2012 S. 173) die bisherige „Grenzziehung“ durch das Insolvenzanfechtungsrecht bestätigt, wobei die sog. Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO im Mittelpunkt steht. Der Schuldner hatte an seine Gläubigerbank aufgrund eines Vergleichsvertrags ein Darlehen zu einem (geringen) Teil zurückgeführt und dadurch einen Verzicht der Gläubigerbank auf den Restbetrag erwirkt. Zu einem vergleichbaren Schuldenschnitt durch andere Gläubiger kam es indes nicht. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners war nicht mehr zu verhindern. Die teilweise Befriedigung der Gläubigerbank wollte der Insolvenzverwalter mit Hilfe der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO in die Masse zurückholen.
Grundsätzlich ist die Vorsatzanfechtung ein scharfes Schwert: Eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte, seine Gläubiger zu benachteiligen. Die Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Hier wird sich der Insolvenzverwalter die Informationen, die der Gläubiger im Zuge der Sanierungsverhandlungen über die wirtschaftliche Situation des Schuldners und die Befriedigung anderer Gläubiger gewonnen hat, genauer anschauen.
Darüber hinaus verweist der BGH auch auf seine bisherige Rechtsprechung, nach der ein erhebliches Beweisanzeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gegeben ist, wenn der Gläubiger eine Befriedigung erhält, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, mithin eine inkongruente Befriedigung erlangt. Im Streitfall hatte die Gläubigerbank aufgrund des Vergleichsvertrags zwar einen Anspruch auf die geleistete Zahlung. Die im Vergleich von dem Schuldner eingegangene Zahlungsverpflichtung war jedoch ihrerseits inkongruent, weil die Gläubigerbank aus dem ungekündigten Darlehen keine Zahlung verlangen können sollte. Das führt nach Ansicht des BGH zu einem „Dominoeffekt“, nach dem auch die Zahlung aufgrund des Vergleichs inkongruent ist.
Wird die Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO damit zum Hemmschuh für alle Sanierungsverhandlungen? Der BGH zeigt auf, in welchen Grenzen die Sanierung möglich bleibt: Die Indizwirkung der Inkongruenz für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann durch die Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen sein, wenn die angefochtene Rechtshandlung von einem anderen, „anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen“ bestimmt wird. Eine gute „Gesinnung“ allein ist aber nicht etwa ausreichend. Der Wille zur Sanierung muss vielmehr Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs sein. Die bloße Hoffnung des Schuldners reicht nach dem Maßstab des BGH nicht aus, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht hinausgekommen sind. Der BGH verlangt vielmehr „ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt“. Aus einem früheren Urteil des BGH vom 10. 2. 2011 (Az.: IX ZR 176/08, DB0408078) wissen wir, dass der Ernsthaftigkeit nicht entgegensteht, wenn nicht alle Gläubiger dem Sanierungsvergleich zugestimmt haben, solange die erreichte Zustimmungsquote im Einzelfall die Aussicht auf Erfolg noch trägt.
Ob ein solches schlüssiges Sanierungskonzept im zu entscheidenden Fall vorlag, blieb nach den Feststellungen der Vorinstanz offen, weshalb der BGH die Sache zum Zweck der Sachverhaltsaufklärung zurückverweisen musste. An den aufgezeigten Grenzen der außergerichtlichen Sanierung kann sich die Praxis gleichwohl schon heute orientieren.