Die Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex ist angelaufen. Bis Anfang März kann die „interessierte Öffentlichkeit“ zu den Änderungsplänen der Regierungskommission schriftlich Stellung nehmen. Die eingereichten Stellungnahmen werden in die abschließende Beratung der Regierungskommission im Mai 2012 einfließen, verspricht der Kommissionsvorsitzende. Ein Schwerpunkt der Kodexrevision liegt bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Der AR soll dafür konkrete Ziele benennen, u.a. künftig die „Anzahl der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder“. Diese Unabhängigkeit wird ausführlich umschrieben (Ziff. 5.4.2). Dabei ist die Mitbestimmung ausdrücklich ausgeklammert; die Abhängigkeit von einer Gewerkschaft wird also wegdefiniert. Nicht unabhängig soll sein, wer „mit 10 Prozent der Aktien oder mehr an der Gesellschaft beteiligt ist“. Das verwundert, denn von wem ist der Großaktionär abhängig? Er hat in die Gesellschaft investiert, insofern bestehen gewiss wirtschaftliche Interessen. Aber diese zu wahren ist doch legitim. Die Restriktion für größere Anteilseigner, an der Kontrolle ihres Investments mitzuwirken, ist schwerlich als gute Unternehmensverfassung zu verstehen.
Eine Klarstellung will die Kommission erreichen, indem sie den Passus zur Streichung vorschlägt, dass die Gesellschaft die Aktionäre bei der Briefwahl unterstützen soll (Ziff. 2.3.3). Das sei in der Praxis zum Teil als indirekte Empfehlung missverstanden, eine nach § 118 Abs. 2 AktG fakultative Briefwahl anzubieten. Künftig wird es nur noch die Empfehlung geben, die Stimmrechtsvertretung zu unterstützen (gesellschaftsbenannter Vertreter). Die Briefwahl ist freilich die moderne Variante. Als elektronische Stimmabgabe via Internet kommt sie ohne die Krücke aus, dass zunächst eine Person bevollmächtigt und ihr anschließend bindende Weisungen auferlegt werden müssen. Die Zukunft gehört der direkten Abstimmung ohne Umweg über eine von der Gesellschaft angebotene Vertretung (deren Zulässigkeit, daran sei erinnert, vor einem Jahrzehnt noch durchaus umstritten war). Die Kommission könnte es immerhin mit einer Anregung („sollte“) versuchen, dass eine entsprechende Satzungsklausel etabliert und von ihr Gebrauch gemacht werde.
Insgesamt sind die Änderungsvorschläge moderat und wenig spektakulär. Damit besteht die Chance, aus der aufgeregten Diskussion um den rechtspolitischen Eifer („Frauenförderung“) und um die grundsätzliche Legitimation des Kodex („Nebenaktienrecht“) zunächst herauszufinden. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben …