Das Bundesministerium der Justiz hat vor wenigen Tagen den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vorgelegt. Auf das besondere Interesse des Wirtschaftsrechtlers stößt dabei der Vorschlag zur Neuregelung der „Insolvenzfestigkeit von Lizenzen“, mit der – so die Pressemitteilung des BMJ – es einem Lizenznehmer ermöglicht werden soll, eine Lizenz auch in der Insolvenz des Lizenzgebers fortzunutzen, indem die Interessen der Gläubiger des Lizenzgebers mit den Interessen des Lizenznehmers in angemessenen Ausgleich gebracht werden, um damit zugleich den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland zu stärken.
Ob dieses Ziel mit der vom BMJ nun zur Diskussion gestellten Neuregelung erreicht wird, ist allerdings mehr als fraglich. Dafür bedarf es zunächst einer Rückbesinnung auf die Vorgeschichte der Regelung. Denn bis zum Inkrafttreten der InsO waren Lizenzen insolvenzfest; das hat sich durch die InsO (genauer: durch die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats hierzu, die in diesem entscheidenden Punkt von derjenigen des für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen I. Zivilsenats abweicht!) möglicherweise geändert: Denn nach der Auffassung des IX. Zivilsenats sollen Lizenzverträge wohl dem Wahlrecht des § 103 Abs. 1 InsO unterliegen. Das kann – wie es in der Begründung des Entwurfs zu Recht heißt – für den Lizenznehmer die „ruinöse“ Auswirkung haben, dass jedwede Lizenz eines deutschen Lizenzgebers (und das kann auch der „kleine“ Softwareentwickler sein, über dessen Vermögen ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wird) – und damit die Grundlage des Geschäftsbetriebs – in der Insolvenz des Lizenzgebers zur Disposition steht.
Der Referentenentwurf will hier einerseits jetzt zwar das Wahlrecht des Insolvenzverwalters beibehalten, der Sache nach aber eine „Neuverhandlungslösung“ einführen, um „für die Masse ungünstige Vertragsverhältnisse zu beenden“. Das ist zunächst schon im Ausgangspunkt unzutreffend: Denn nach der (wirtschaftlichen) Vorstellung der Parteien, wie sie auch der I. Zivilsenat teilt, ist mit der Lizenzeinräumung der darin steckende wirtschaftliche Wert endgültig auf der Lizenznehmer übergegangen, und die Vorstellung eines gegenseitigen Dauerschuldverhältnisses ist fehl am Platz. Mit Insolvenzvorrechten hat der Schutz des Lizenznehmers daher – entgegen teilweise erhobenen Behauptungen – nichts zu tun. Das impliziert zweitens, dass es der Sache nicht um die Korrektur unangemessener Vertragsverhältnisse gehen kann, sondern um die Bekämpfung von „Vermögensverschleuderungen“ zu unangemessenen Bedingungen; dafür aber stellen die Regelungen über die Insolvenzanfechtung in §§ 129 ff. InsO den Rahmen bereit.
Tatsächlich erreicht die vorgeschlagene Neuregelung daher nicht das Ziel, Lizenznehmer insolventer Lizenzgeber zu schützen. Vielmehr geht es ihr, wie § 108a Abs. 1 Satz 2 InsO-RefE deutlich sagt, (in erster Linie?) darum, eine „angemessene Beteiligung der Insolvenzmasse an den Vorteilen und Erträgen des Lizenznehmers aus der Nutzung des geschützten Rechts sicherzustellen“. Das ist wirtschaftlich nicht anders, als wenn ein Verkäufer nach vollzogenem Verkauf noch eine Gewinnbeteiligung an den durch den Käufer mit der Kaufsache erzielten Erträgen geltend machen könnte. Die Regelung statuiert damit einen unangemessenen „windfall profit“ für die Masse.
Die vorgeschlagene Neuregelung erinnert in ihrem Regelungskonzept an die Neuordnung der (früher: kapitalersetzenden) Nutzungsüberlassung durch § 135 Abs. 3 InsO (n.F. durch das MoMiG). Dort darf der Verwalter auch den einem Dritten (dem Gesellschafter) gehörenden Gegenstand für ein Jahr ab Verfahrenseröffnung (gegen Entschädigung!) nutzen, wenn er für die Fortführung des Schuldnerunternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Diese Wertung, dass ein (dinglich) Berechtigter einen ihm gehörenden Vermögenswert der Insolvenzmasse überlassen muss, aber allenfalls zeitweise, wird hier in ihr Gegenteil verkehrt: Denn die in § 108a InsO-RefE vorgeschlagene Neuregelung bewirkt, dass ein Berechtigter (Lizenznehmer), der nicht auf Neuabschluss seines Vertrages klagt, seine Rechte verliert, und zwar endgültig – ein wegen des Widerspruchs zu § 135 Abs. 3 InsO auch vor dem Hintergrund von Art. 3 GG problematisches Ergebnis.
Ähnliche Widersprüche ergeben sich zu dem im selben Gesetz verfolgten Ziel, die Mitgliedschaft in einer (Wohnungs‑)Genossenschaft vor einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter zu schützen, soweit sie mit der Stellung eines Mieters vergleichbar ist, also insbesondere das Geschäftsguthaben nicht den Umfang der sonst üblichen Kaution übersteigt. Denn auch hier geht es darum, mit der Wohnung einem „Gläubiger“ einen „Wert“ zu erhalten, der nicht in klassisch-dogmatischer Weise „verdinglicht“ ist.
Konzeptionell immer noch überzeugender ist daher der in der letzten Legislaturperiode vorgelegte Entwurf zur Regelung der Problematik, der eine „echte“ Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vorgesehen hatte und auch mit der Rechtslage vor allem in den USA in Einklang gestanden hätte. Mit der jetzigen Regelung riskiert der deutsche Gesetzgeber nämlich, wie dies erste US-Gerichtsentscheidungen zeigen, dass seine Regelung im Ausland nicht akzeptiert wird. Zugleich und vor allem werden von deutschen Unternehmen eingeräumte Lizenzen künftig nicht mehr als „vollwertig“ angesehen – ein Desaster für den Forschungsstandort Deutschland. Es ist wie mit dem Schatzfund aus dem gesunkenen Schiff, den die Spanier vor einigen Tagen aus Florida heimgeholt haben: So wie dort die Rückführung den Anreiz für neue Tauchexpeditionen zur Suche nach Schiffswracks beseitigen wird, wird es mit der im Referentenentwurf vorgeschlagenen Neuregelung künftig auch keine „Schätze“ in Form von Erfindungen mehr geben.