Diskriminierung durch Tarifvertrag?

RA Dr. Hans-Peter Löw, Partner, Allen & Overy, Frankfurt/M.

Ein Urteil des LAG Düsseldorf hat am 18. 1. 2011 Düsseldorf (Az. 8 Sa 1274/10, DB0402780) für Aufsehen und eine entsprechende Berichterstattung in der Presse gesorgt: Sieht ein Tarifvertrag nach dem Lebensalter gestaffelte Urlaubsansprüche vor, so stellt dies eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Betroffene Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Angleichung nach oben und damit auf Urlaub nach der höchsten Altersstufe. Das folge aus dem Grundsatz der effektiven und wirksamen Durchsetzung von EU-Rechtsvorgaben. Konkrete Folge der Entscheidung ist zunächst, dass jeder einzelne Mitarbeiter einen Anspruch auf die höchste Zahl der Urlaubstagestaffelung im Tarifvertrag hat ganz egal, wie alt er ist.

Für 2010 können Arbeitnehmer noch entsprechend mehr Urlaubstage nachträglich verlangen, unabhängig von ihrem Alter. Das Urteil gilt zwar direkt nur für den von der Entscheidung betroffenen Tarifvertrag – namentlich den Manteltarifvertrag des Einzelhandels in NRW. Die Entscheidungsgründe sind aber verallgemeinerungsfähig: Immer dann, wenn ein Tarifvertrag Leistungen nach dem Alter differenziert, bedarf diese Unterscheidung einer Rechtfertigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Eine der unmittelbar durch die Entscheidung aus Düsseldorf betroffenen Tarifvertragsparteien – der Handelsverband Deutschland (HDE) – hat bereits angekündigt, gegen die Entscheidung vom 18. 1. 2011 vorzugehen und Revision beim BAG einzulegen. Das ist auch gut so: Soweit ersichtlich hatte bislang nur das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24. 3. 2010 – 20 Sa 2058/09) einen ähnlichen Fall zu entscheiden und war zu einem anderen Ergebnis gekommen: Es hatte in der tarifvertraglichen Staffelung der Urlaubsansprüche zwar auch eine Diskriminierung gesehen, diese aber für gerechtfertigt gehalten, da Arbeitnehmer mit zunehmendem Alter hinsichtlich ihres Erholungs- und Wiederherstellungsbedürfnisses schutzbedürftiger seien als jüngere Arbeitnehmer. Insofern wird sich alles auf die Frage zuspitzen, wann eine auf Grundlage des Lebensalters getroffene Unterscheidung gerechtfertigt ist und wann nicht.

Alle betroffenen Tarifvertragswerke werden bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die mitwirkenden Tarifvertragsparteien sicherlich einer Prüfung unterzogen. Nichts ist für Unternehmen, aber auch die betroffenen Mitarbeiter unerträglicher als eine unklare Rechtslage.

Und die Prognose? Das BAG hat in jüngster Vergangenheit bereits einige grundlegende Entscheidungen in Diskriminierungsfragen treffen müssen und teilweise ähnlich gelagerte Fragen an den EuGH weitergereicht. Zuletzt ging es um die Berechnung von Kündigungsfristen, die in Deutschland ebenfalls an das Lebensalter gekoppelt sind. Der EuGH und im Anschluss daran auch das BAG haben – wie von Experten im Vorfeld vermutet – die Diskriminierung solcher Regelungen bestätigt. Nachdem das BAG bereits im Mai vergangenen Jahres dem EuGH die Altersstufenregelung des früheren BAT zur Prüfung vorgelegt hat, wird sich das oberste deutsche Arbeitsgericht nun schon wieder mit der Diskriminierung durch Tarifvertrag beschäftigen müssen.

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