Die Fälle, in denen beleidigende Facebook-Beiträge oder der Klick auf den Gefällt-mir-Button zur Abmahnung oder Kündigung führen, häufen sich. Erstmals hat nun ein Gericht klären müssen, ob der Arbeitgeber wegen Bemerkungen auf einer privaten Facebook-Pinnwand fristlos kündigen darf.
Die Arbeitnehmerin war als Sicherheitsmitarbeiterin beschäftigt. Der Arbeitgeber setzte sie in der Filiale eines Mobilfunkunternehmens („X“) ein. Sie schrieb auf ihrer Facebook-Pinnwand:
„Boah kotzen die mich an von X, da sperren sie mir einfach das Handy, obwohl man schon bezahlt hat. Und dann behaupten die es wären keine Zahlungen da. Solche Penner. Naja ab nächsten Monat habe ich einen neuen Anbieter.“
Ob die Arbeitnehmerin diese Aussagen nur ihren „Freunden“ oder allen Facebook-Nutzern zuganglich gemacht hatte, blieb im Prozess streitig. Binnen 5 Stunden leitete ein Facebook-„Freund“ die Bemerkung an X weiter, der sich beim Arbeitgeber beschwerte. Dieser wollte eine fristlose Kündigung aussprechen. Da die Mitarbeiterin schwanger war, bedurfte die Kündigung der behördlichen Zustimmung, die nur in einem „besonderen Fall“ erteilt werden kann. Das Gewerbeaufsichtsamt erteilte die Zustimmung. Dagegen erhob die Mitarbeiterin vor dem Verwaltungsgericht Klage. Gleichzeitig beantragte sie Prozesskostenhilfe, die nur gewährt wird, wenn die Klage Aussicht auf Erfolg hat.
Das VG Ansbach lehnte Prozesskostenhilfe ab, da die Kündigung wahrscheinlich wirksam sei. Der Kunde X, quasi der „Co-Arbeitgeber“, sei beleidigt worden und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Auch wenn die Aussage auf der privaten Pinnwand erfolgt sei, könne der Arbeitgeber sie verwerten. Facebook sei kein vertrauliches Kommunikationsmittel.
Die Mitarbeiterin legte gegen diesen Beschluss Beschwerde vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) ein. Der Bayerische VGH hob mit Urteil vom 29.2.2012 – 12 C 12.264 die Entscheidung auf. Der Vorfall sei nicht ausreichend, um die Kündigung einer Schwangeren zu rechtfertigen. Die Prozesskostenhilfe wurde der Arbeitnehmerin zugesprochen.
Einerseits sei die Bemerkung keine Schmähkritik, sondern die „pointierte Bewertung“ eines Problems bei der Vertragsabwicklung. Als solche sei sie „noch“ von der Meinungsfreiheit gedeckt. Zudem dürfe der Arbeitgeber die Bemerkungen auf der privaten Facebook-Pinnwand ohnehin nicht zur Kündigung verwerten. Die Äußerungen seien vertraulich und durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Nach Rechtsprechung des BAG sei dieses verletzt, wenn Beleidigungen, die im Kollegenkreis erfolgen, vom Arbeitgeber zur Kündigung verwendet werden. Laut VGH sei eine Bemerkung auf der Facebook-Pinnwand ebenso zu behandeln.
Der VGH sieht die Pinnwand als geschützten Raum an, der für den Arbeitgeber tabu ist. Aussagen auf der Facebook-Pinnwand sollen wie Bemerkungen im vertraulichen Kollegenkreis nicht zu einer Kündigung führen. Arbeitnehmer sollten Facebook jedoch weiterhin umsichtig nutzen. Ob sich die Arbeitsgerichte dem VGH uneingeschränkt anschließen, ist nämlich fragwürdig. Die Vertraulichkeit einer Bemerkung ist zu bezweifeln, wenn der Nutzer mehrere hundert „Freunde“ hat oder seine „private“ Pinnwand durch eine entsprechende Privacy-Einstellung öffentlich macht, so dass theoretisch 840 Mio. Nutzer darauf zugreifen können. Gefahr droht für Arbeitnehmer auch bei bedenklichen Aussagen auf „offenen Facebook-Gruppen“. Auch in diesen Diskussionsräumen kann jeder mitlesen, so dass eine Abmahnung oder Kündigung nicht an der Vertraulichkeit der Aussage scheitern sollte. Arbeitnehmer sollten im Rahmen der Privacy-Einstellungen den Zugriff auf die Pinnwand nur Freunden ermöglichen. Arbeitgebern ist zu raten, durch einen Social Media-Leitfaden Problembewusstsein für die Risiken unbedachter Beiträge zu schaffen. Kommt es zu einer schwerwiegenden Beleidigung in öffentlichen Facebook-Bereichen, kann der Arbeitgeber Sanktionen in Betracht ziehen. Es könnte kurzfristig auch zu einer gesetzlichen Regelung kommen, wenn der Entwurf des „Beschäftigtendatenschutzgesetzes“ verabschiedet wird. Dieser sieht vor, dass dem Arbeitgeber pauschal verboten ist, auf Facebook-Informationen zuzugreifen. Damit wäre auch eine Sanktionierung von Facebook-Posts ganz ausgeschlossen.