Zu den im Oktober 2011 vorgelegten Vorschlägen der EU-Kommission für eine Neufassung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID2) sowie einer ergänzenden, unmittelbar anwendbaren Verordnung (MiFIR) liegen mittlerweile Entwürfe der Stellungnahmen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) vor. Der „Draft Report“ zu MiFID2 datiert vom 16. 3. 2012, der „Draft Report“ zu MiFIR vom 27. 3. 2012. Federführender Berichterstatter („Rapporteur“) für dieses Regulierungsvorhaben ist der deutsche Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU). Die beiden Draft Reports sind am 25. 4. 2012 im ECON-Ausschuss diskutiert worden, eine Frist für das Einbringen etwaiger weiterer Änderungsvorschläge läuft bis 10. 5. 2012. Voraussichtlich Anfang Juli 2012 soll dann im ECON-Ausschuss über die Stellungnahmen abgestimmt werden.
Wie bereits die Kommissionsvorschläge betreffen auch die vorliegenden Änderungsvorschläge in der Fassung der beiden Draft Reports sowohl die Regulierung von Finanzgeschäften und Handelsaktivitäten (vor allem professioneller Marktteilnehmer) als auch das Wertpapierdienstleistungsgeschäft (insbesondere mit Privatkunden) bzw. den Anlegerschutz.
Die beabsichtigten Neuregelungen zu Handelssystemen und –techniken, Derivatgeschäften sowie Transparenz- bzw. Berichtspflichten sind Gegenstand anhaltender kontroverser Diskussionen. Diese Regelungskomplexe bereiten Marktteilnehmern auch deshalb Kopfzerbrechen, weil es vielfach Überschneidungen und teilweise Inkonsistenzen mit ähnlichen aktuellen Gesetzgebungsvorhaben gibt (dies gilt etwa für die EMIR-Verordnung auf europäischer Ebene und Teile des US-amerikanischen Dodd-Frank-Act).
Nachfolgend soll es nur um diejenigen Änderungsvorschläge gehen, die den Bereich des Anlegerschutzes betreffen. Es handelt sich dabei um einen kursorischen Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit, mit dem Ziel, einige maßgeblich erscheinende Aspekte herauszugreifen.
Markus Ferber hat zu zentralen Punkten der Kommissionsvorschläge wesentliche Änderungen angeregt. Zu dem seit einiger Zeit die Diskussion (nicht nur in Deutschland) beherrschenden Fragenkreis der fairen und transparenten Vergütung der Anlageberatung und des richtigen Umgangs mit einschlägigen Interessenkonflikten (Stichworte: honorar- oder provisionsbasierte Beratung, Offenlegung von Zuwendungen etc.) nimmt der Draft Report zu MiFID2 eine dezidierte Position ein. Es werden noch weitergehende Informationspflichten zur Art und Weise der erbrachten Dienstleistung sowie zu relevanten Produkten postuliert; ein Verbot der Annahme von Zuwendungen durch „unabhängige“ Berater oder Portfolioverwalter soll es jedoch nicht geben (siehe die Änderungen zu Art. 24 MiFID2-E). Anders sieht es bislang nicht nur die EU-Kommission, anders stellt es sich in Deutschland wohl auch die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) vor. Abzuwarten bliebe auch, wie sich dies mit den seit einigen Jahren vorbereiteten und am 1. 1. 2013 in Kraft tretenden Neuregelungen des „Retail Distribution Review“ in Großbritannien vertrüge, die u. a. weitgehende Provisionsannahmeverbote enthalten.
Weitere Änderungsvorschläge zu Art. 25 MiFID2-E könnten darauf hinauslaufen, dass es künftig auch europarechtlich das Erfordernis eines Beratungsprotokolls gibt. In Deutschland statuiert § 34 Abs. 2a WpHG seit 1. 1. 2010 eine entsprechende Pflicht, die man nicht nur auf Anbieterseite, sondern auch bei Verbraucherschützern kritisch sieht; insbesondere wird deren qualitätssteigernde Wirkung nicht zuletzt mit Blick auf den insoweit verursachten zusätzlichen Aufwand bezweifelt.
Aus deutscher Sicht neu wäre die vorgeschlagene zusätzliche Ermächtigung an nationale Aufsichtsbehörden, veranlassen zu dürfen, dass Entschädigungen wegen erlittener Verluste an Anleger gezahlt werden, wenn diese auf einer Verletzung von Vorschriften der MiFID2 bzw. MiFIR beruhen (siehe die Änderungen zu Art. 72 MiFID2-E). Die FSA in Großbritannien darf bereits so verfahren. Hierzulande ist der Anleger bislang darauf angewiesen, im Einzelfall Schadensersatz vor den Zivilgerichten zu erstreiten. Nach dem wiederholt geäußerten Selbstverständnis der BaFin (die sich für individuellen Verbraucherschutz – auch perspektivisch – nicht zuständig sieht) bliebe es dabei (vgl. zuletzt BaFin-Journal 04/12 S. 17 f.).
Schließlich legen die Draft Reports ein besonderes Augenmerk auf die Erstellung bzw. Einführung von Produkten und damit zusammenhängende behördliche Prüfungs- und Eingriffsbefugnisse (siehe die Änderungen zu Art. 24 MiFID2-E sowie Art. 31, 32 MiFIR-E). In Ergänzung zu den von der EU-Kommission vorgesehenen neuen Vertriebsinterventionsrechten der Aufsichtsbehörden wird insoweit – jedenfalls aus deutscher Sicht – erneut regulatorisches Neuland betreten. Ob sich dieser Ansatz eines „EU-TÜVs für Finanzprodukte“ (vgl. Pressemitteilung von Markus Ferber vom 29. 3. 2012) durchsetzt und ob dies ein sinnvoller und praktisch handhabbarer Weg wäre, der zu besseren Ergebnissen für den einzelnen Anleger führt, erscheint derzeit offen. Jedenfalls dürfte dieser Ansatz vor allem für den Gesichtspunkt der anlagegerechten Beratung bzw. Angemessenheit eines Produkts von Bedeutung sein. Für den weiteren maßgeblichen Aspekt der anlegergerechten Beratung bzw. individuellen Geeignetheit eines empfohlenen Produkts stellte sich nach wie vor die Frage der Vergütung der Beratung bzw. des Umgangs mit Interessenkonflikten im Einzelfall.