Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzverschleppung – lückenhafte Buchführung rettet nicht

RA Horst Grätz, Partner, Rödl & Partner, Nürnberg

Im Falle der Insolvenz einer GmbH droht dem Geschäftsführer u. U. die Inanspruchnahme wegen Insolvenzverschleppung und / oder Eingehungsbetrug. Doch was passiert, wenn die Umstände, die die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin belegen würden, den Büchern der Gesellschaft nicht zu entnehmen sind, eine ausreichende Dokumentation der Vermögensverhältnisse schlichtweg nicht vorhanden ist oder sogar vorsätzlich vernichtet wurde?

Der Gläubiger, der den Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung in die Haftung nehmen möchte, steckt dann in einem Dilemma. Er kann unter diesen Umständen kaum nachweisen, dass die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war und der Geschäftsführer längst Insolvenzantrag hätte stellen müssen. Als Anspruchssteller wäre er jedoch grundsätzlich verpflichtet, die anspruchsbegründenden Voraussetzungen im Prozess darzulegen und zu beweisen.

Der BGH hat nun mit seinem Urteil vom 24. 1. 2012 – II ZR 119/10, DB 2012 S. 794 erneut betont, dass sich der Geschäftsführer durch massive Mängel und Lücken in der Buchführung nicht seiner Haftung entziehen können soll. Er entschied, dass die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung bereits dann als bewiesen gelten, wenn der Geschäftsführer seine Pflichten zur Führung und Aufbewahrung von Büchern, Belegen und sonstigen Papieren gem. §§ 238, 257 BGB, § 41 GmbHG verletzt hat und der Gläubiger dadurch an der Darlegung näherer Einzelheiten zur finanziellen Situation der Gesellschaft gehindert wird.

Der Insolvenzantrag sei vom Geschäftsführer grundsätzlich sofort bei Eintritt der Insolvenzreife zu stellen, so der BGH. Eine dreiwöchige Schonfrist für Sanierungsbemühungen komme überhaupt nur dann in Betracht, wenn eine rechtzeitige Sanierung ernstlich zu erwarten sei. Will sich der Geschäftsführer auf diese Schonfrist berufen, müsse er darlegen und beweisen, dass diese Voraussetzungen gegeben sind.

Die Insolvenzreife der Gesellschaft muss jedoch der Gläubiger, der mit seiner Klage Ansprüche wegen Insolvenzverschleppung geltend machte, nachweisen. Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO in der Regel bereits dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Im vorliegenden Fall gelang es dem Gläubiger jedoch nicht, ausreichend Angaben zum Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu machen, da bei der Gesellschaft keine bzw. nicht ausreichend Unterlagen hierüber auffindbar waren. Selbst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ließen sich für einige Verbindlichkeiten keine Unterlagen vorfinden. Der Gläubiger konnte daher nicht nachweisen, dass die Gesellschaft tatsächlich ihre Zahlungen eingestellt hatte und zahlungsunfähig war.

Das Gericht war allerdings der Überzeugung, dass der Gläubiger den nötigen Vortrag bei gewöhnlichem Verlauf nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft hätte bringen können, wenn bei der Gesellschaft die Unterlagen über die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ordnungsgemäß aufbewahrt worden wären. Nach den Grundsätzen zur Beweisvereitelung sah es die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit daher als bewiesen an.

Interessant ist die Aussage dieses Urteils nicht nur für die allgemeine deliktische Schadensersatzhaftung des Geschäftsführers, sondern auch für alle anderen insolvenz- oder gesellschaftsrechtlichen Fälle, in denen es auf den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit, drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ankommt, beispielsweise bei der Insolvenzanfechtung.

Mit einer solchen Beweiserleichterung stellt der BGH nicht nur auf Fälle ab, in denen vorsätzlich Papiere vernichtet werden, um die eigene Haftung zu verhindern. Es kann auch eine fahrlässige Pflichtverletzung genügen, wenn beispielsweise die nur lückenhafte Aufbewahrung der Papiere auf allgemeiner Nachlässigkeit beruht und der Geschäftsführer hätte erkennen können, dass er damit später die Beweislage erschwert. Ein konkreter Haftungsfall muss daher noch nicht einmal absehbar sein. Nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen des Beweisrechts muss das Verhalten jedoch zumindest als vorwerfbar und missbilligenswert erscheinen, um eine Beweisvereitelung darzustellen.

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