Auf den Geschäftsführer einer GmbH, dessen Bestellung und Anstellung infolge einer Befristung abläuft und der sich erneut um das Amt des Geschäftsführers bewirbt, sind die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) anwendbar. Dies hat der BGH in einem viel beachteten Urteil vom 23. 4. 2012 entschieden.
Zur Entscheidung stand folgender Fall: Der Kläger war medizinischer Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH, die mehrere kommunale Krankenhäuser betrieb. Alleingesellschafterin ist die Stadt L. Der Dienstvertrag des Klägers war auf fünf Jahre befristet. Der Aufsichtsrat der Beklagten lehnte eine Verlängerung des Dienstvertrags mit der Begründung ab, der Kläger sei mit 62 Jahren zu alt. Die „Umbruchsituation im Gesundheitsmarkt“ und die „Herausforderungen im Gesundheitswesen“ verlangten eine Kontinuität in der Geschäftsführung über das 65. Lebensjahr des Klägers hinaus. Der BGH sah darin eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters und sprach dem Kläger Schadenersatz zu.
Der Fall berührt eine Vielzahl von für die Praxis bedeutsamen Fragen. Nach § 6 Abs. 3 gilt das AGG für Organmitglieder entsprechend, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit betrifft. Das ist merkwürdig: Das Gesetz gilt für Organmitglieder nur bei der Einstellung, nicht bei der Entlassung. Die Nichtverlängerung eines befristeten Geschäftsführeranstellungsvertrages unterfällt als Einstellungsentscheidung dem AGG, während die Kündigung eines unbefristeten Geschäftsführeranstellungsvertrages nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst ist. Allerdings wäre das AGG bei einer solchen Auslegung wohl nicht mit den europäischen Richtlinien konform. Danach sollen alle Beschäftigten Diskriminierungsschutz genießen. Der EuGH stellt die Beschäftigten den selbstständig Tätigen gegenüber. Letztere sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ihre „Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen treffen“. Da der Fremdgeschäftsführer einer GmbH immer von den Weisungen der Gesellschafterversammlung abhängig ist, würde ihn der EuGH zweifellos zu den Beschäftigten zählen, die vollständigen Diskriminierungsschutz genießen. Auch der BGH deutet in seiner Entscheidung an, dass der Fremdgeschäftsführer im Wege der Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG als Arbeitnehmer i. S. dieser Vorschrift angesehen werden könne. Für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, die die Gesellschaft eigenverantwortlich und frei von Weisungen zu leiten haben, trifft dies nicht zu. Auch für sie bleibt es aber dabei, dass nach dem klaren Wortlaut von § 6 Abs. 3 AGG der Diskriminierungsschutz bei der Einstellung greift.
Liegt eine Benachteiligung vor, so kann diese ausnahmsweise gerechtfertigt sein. Zum einen ist eine Vereinbarung zulässig, mit der die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung mit Erreichen des Renteneintrittsalters sichergestellt werden soll. Eine solche Vereinbarung lag nicht vor. Außerdem hatte der Kläger das Renteneintrittsalter noch nicht erreicht. Aber auch die Generalklausel in § 10 Satz 1 AGG hielt der BGH für nicht erfüllt. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Als legitime Ziele kommen auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen in Betracht. In diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, ob ein Unternehmen eine allgemeine Altersgrenze für Organmitglieder auch unterhalb der Regelaltersgrenze festlegen kann. Diese Frage spielte im vorliegenden Fall keine Rolle, weil bei der Beklagten die Altersgrenze 62 nicht existierte. Der Deutsche Corporate Governance Kodex sieht in Ziff. 5. 1.2 für börsennotierte Aktiengesellschaften vor, dass der Aufsichtsrat eine Altersgrenze für Vorstandsmitglieder festlegen soll. Wenn eine Altersbefristung nur auf die Regelaltersgrenze zulässig ist, so müssen schon sehr gute Gründe vorgetragen werden, die für Organmitglieder eine Altersgrenze unterhalb dieser Grenze rechtfertigen. Bei Vorstandsmitgliedern einer AG wäre die Beendigung des Dienstvertrages mit Erreichen der Altersgrenze aber in jedem Fall unproblematisch, nicht jedoch die verweigerte Vertragsverlängerung.
Über § 6 Abs. 3 AGG kommt das AGG zur Geltung, wobei das höchste deutsche Zivilgericht auch die Beweislastregel des § 22 AGG nutzte. Danach muss der Bewerber nur Indizien beweisen, aus denen sich eine mögliche Diskriminierung ergibt. Der Arbeitgeber hat dann zu beweisen, dass der Bewerber nicht wegen seines Alters oder aus anderen unzulässigen Gründen benachteiligt worden ist.