Der EuGH hat am 12.7.2012 entschieden, dass die grenzüberschreitende Umwandlung (Wechsel in eine ausländische Rechtsform) grundsätzlich möglich ist. Darunter ist die Verlegung des Satzungs-/Registersitzes zu verstehen. Die Gesellschaft erlischt im Herkunftsstaat (nach dessen Regeln) und entsteht neu im Aufnahmestaat (nach dessen Regeln). Der Witz an der Sache ist, dass Alt- und Neugesellschaft im Verhältnis Rechtsvorgänger/Rechtsnachfolger stehen (Universalsukzession) bzw. es sich (nach hiesiger Umwandlungsterminologie und -dogmatik) um denselben Rechtsträger handelt.
Sachverhalt: Eine in Rom gegründete italienische Kapitalgesellschaft (VALE Costruzioni Srl) hatte ihren Sitz und ihre Tätigkeit nach Ungarn verlegt; im römischen Handelsregister wurde sie antragsgemäß gelöscht mit dem Vermerk „Die Gesellschaft hat ihren Sitz nach Ungarn verlegt“. Dort wollte sie als ungarische Kapitalgesellschaft (VALE Építési kft) in das ungarische Handelsregister eingetragen werden. Die Gesellschaft war nach den Rechtsvorschriften Ungarns offenbar ordnungsgemäß gegründet worden (seltsamerweise erst 9 Monate nach der Löschung). Der Streit, der schließlich den EuGH erreichte, dreht sich nur noch darum, ob eingetragen werden kann, dass die VALE Costruzioni die Rechtsvorgängerin der VALE Építési ist. Da ein solcher Eintrag bei innerungarischen Umwandlungen vorgesehen ist, muss dies nach der Erkenntnis des EuGH auch bei grenzüberschreitenden Umwandlungen möglich sein. (Auf die Frage, was eigentlich die Eigenschaft als Rechtsvorgänger ausmacht, geht der EuGH nicht ein).
Der Gerichtshof befindet, die Art. 49 AEUV und 54 AEUV (Niederlassungsfreiheit) stünden einer nationalen Regelung entgegen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV seien im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die – wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses – die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat, bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als „Rechtsvorgängerin“ zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.
Zurückgewiesen hat der EuGH die (im Verfahren auch von Deutschland vertretene) Auffassung, dass eine grenzüberschreitenden Umwandlung nicht zur Niederlassungsfreiheit gehöre, da sie im Gegensatz zu der grenzüberschreitenden Verschmelzung (Urteil SEVIC Systems) zur Gründung einer Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat führe.
Hervorzuheben ist die Aussage (Rn. 34), dass vorausgesetzt wird die „tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat“. Es würde also nicht genügen, wenn aus dem Mitgliedsstaat A auf eine Gesellschaft des Mitgliedsstaates B durch Registersitzverlegung etc. gewechselt wird, aber in B keine Tätigkeit (etwa durch eine Zweigniederlassung) ausgeübt wird; die gleichzeitige Verlegung des Verwaltungssitzes (Hauptniederlassung) ist unionsrechtlich wohl nicht erforderlich.
Hinzuweisen ist darauf, dass der VALE-Fall eine Hinein-Umwandlung betrifft (von Italien nach Ungarn). Für eine Heraus-Umwandlung (z.B. von Deutschland nach Italien) kommt es darauf an, ob das nationale Gesellschafts-/Umwandlungsrecht eine Löschung der Kapitalgesellschaft ohne Abwicklung vorsieht, was hierzulande nicht der Fall ist bzw. nur dann, wenn in eine inländische Rechtsform gewandelt wird.
Auch nach der EuGH-Entscheidung wird eine Richtlinie zur Sitzverlegung notwendig sein, denn die Judikate (Cartesio, VALE) können immer nur einzelne Problemfelder klären. Insbesondere die Abstimmung der Rechtstechniken von abgebendem Staat und aufnehmendem Staat ist ein durch Sekundärrecht zu regelnder Bereich.
Übrigens wäre der Fall des OLG Nürnberg (Beschluss vom 13.2.2012 – 12 W 2361/11; Rechtsboard v. 11.4.2102) nicht anders als geschehen zu entscheiden gewesen. Eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts wollte nach Sitzverlegung als deutsche GmbH in das Handelsregister eingetragen werden. Aber sie hat nicht die vom hiesigen Umwandlungsrecht verlangten Anforderungen der §§ 190 UmwG erfüllt (der OLG-Senat verweist auf die für eine – hier nicht vorliegende – grenzüberschreitende Verschmelzung geltenden Vorschriften). Die Befolgung dieser für innerstaatliche Formwechsel geltenden Pflichten ist auch für den grenzüberschreitenden Formwechsel zu fordern (so ausdrücklich der EuGH Rn. 62). Nur dann, wenn diese Anforderungen dem Effektivitätsgrundsatz widerstreiten, ist insoweit davon abzusehen. Mit diesem Grundsatz verlangt der EuGH, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (Rn. 48). Eine solche übermäßige Erschwerung liegt bei den Formwechselvorschriften des UmwG gewiss nicht vor.
Ein wichtiger Vorteil der GKKB ist die Verringerung der Befolgungskosten für Unternehmen. Erhebungen zufolge gehen im Rahmen einer GKKB die Befolgungskosten für die Erfüllung regelmäßiger steuerlicher Pflichten um 7 % zurück. Die tatsächliche und wahrnehmbare Verringerung der Befolgungskosten dürfte sich erheblich auf die Fähigkeit und Bereitschaft der Unternehmen auswirken, mittel- und langfristig ins Ausland zu expandieren. Durch die GKKB würde eine Muttergesellschaft bei Gründung einer Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat wesentlicher weniger Zeit und Mittel aufwenden müssen, um sich vorschriftsmäßig zu verhalten. Schätzungen von Steuerexperten zufolge entstehen einem großen Unternehmen für die Gründung einer neuen Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat steuerbezogene Ausgaben von durchschnittlich über 140 000 EUR (0,23 % des Umsatzes). Durch die GKKB würden diese Kosten um 87 000 EUR bzw. 62 % verringert. Die Einsparungen für Unternehmen mittlerer Größe fallen sogar noch höher aus, da davon ausgegangen wird, dass die Kosten von 128 000 EUR (0,55 % des Umsatzes) auf 42 000 EUR zurückgehen, was einer Kosteneinsparung von 67 % entspricht.