Wer ein Handelsgewerbe betreibt oder als Organ eine juristische Person leitet, bietet nach Ansicht des BGH (Urteil vom 20. 10. 2011 – 1 StR 354/11) i. d. R. Gewähr dafür, dass er wenn nötig ohne professionelle Hilfe in der Lage ist, die Bücher der Gesellschaft zu führen und die Bilanzen zu erstellen. Verfügt die Gesellschaft nicht mehr über genügend finanzielle Mittel, um sich bei der Vorbereitung und Erstellung der Bilanz Unterstützung durch einen Steuerberater zu holen, sieht der BGH den Geschäftsführer in der Pflicht, die Buchhaltung und die Aufstellung der Bilanz selbst zu übernehmen, insbesondere wenn der Umfang der Geschäftsvorfälle noch überschaubar ist.
Eine Verletzung dieser Pflichten kann vor dem Hintergrund der Überschuldung oder der eingetretenen oder zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sogar zur Strafbarkeit des Geschäftsführers gem. § 283 Abs. 1 Nr. 5 und 7b StGB führen. Ein strafbares Unterlassen kommt jedoch nur dann infrage, wenn es dem Täter überhaupt möglich war, die Pflichten zu erfüllen. Bisher wurde diskutiert, ob der Geschäftsführer straffrei bleibt, wenn die Gesellschaft die Mittel zur notwendigen Einschaltung eines Steuerberaters nicht aufbringen konnte, weil ihm die vom Gesetz verlangte Handlung tatsächlich oder rechtlich unmöglich war.
Das Gericht stellte bereits infrage, ob die fehlenden finanziellen Mittel überhaupt in diesem Zusammenhang als Argument herangezogen werden können, da der Straftatbestand des § 283 StGB verschiedene Arten von Bankrottstraftaten erfasst, d. h. gerade auf Straftaten in Zusammenhang mit einer finanziellen Krise der Gesellschaft ausgerichtet ist. Die Aufnahme eines Straftatbestandes für die Verletzung der Buchführungs- und Bilanzierungspflichten vor dem Hintergrund der Krise spricht dafür, dass der Gesetzgeber gerade in dieser Situation der Erfüllung dieser Pflichten eine große Bedeutung und dem Unterlassen einen besonderen Unwertcharakter beimessen wollte. Der BGH deutet ferner an, dass ein Geschäftsführer rechtzeitig Vorsorge dafür zu treffen habe, dass die Buchführung und Bilanzierung weiterhin gewährleistet werden kann, auch in einer Krisensituation. Ob damit generell wegen fehlender Geldmittel kein Unvermögen vorliegen kann, hat das Gericht jedoch letztendlich offengelassen.
Das Gericht ließ den Einwand des tatsächlichen oder rechtlichen Unvermögens aus anderem Grund nicht durchgehen. Bereits der Umstand, dass eine Person eine Ausbildung zum Einzelhandels- bzw. Großhandelskaufmann absolviert hat und über einige Jahre Berufserfahrung, insbesondere auch über Erfahrung als Geschäftsführer verfügt, biete nach Ansicht des BGH Grund für die Annahme, dass diese Person die Bücher der Gesellschaft selbst führen und die Bilanzen erstellen könne. Die Anforderungen, die der BGH hiermit an den Kenntnisstand von Geschäftsführern gestellt hat, sind nicht zu unterschätzen.
Angesichts dessen erscheint es fraglich, ob für eine derartige Entschuldigung rein faktisch überhaupt noch Raum bleibt. In der Regel dürfte jeder, der die Geschäftsführung einer Gesellschaft übernimmt, über einen gewissen Grad an Erfahrung verfügen, sodass ihm die nötigen Kenntnisse unterstellt werden könnten. Wäre jemand hingegen als Geschäftsführer dauerhaft nicht in der Lage, seine dahingehenden Pflichten zu erfüllen, soll er nach der juristischen Literatur hingegen nicht straffrei sein, sondern es wird von ihm z. T. verlangt, die buchführungspflichtige Tätigkeit insgesamt aufzugeben. Der Bereich, in dem tatsächlich der Einwand des Unvermögens durchgreifen könnte, ist damit stark eingeschränkt. Das Urteil ist damit Ausdruck des generellen Trends in der Rechtsprechung, von Geschäftsführern insolvenzbedrohter Unternehmen besondere Sorgfalt zu verlangen und Nachlässigkeit oder gar Vertuschungsversuche stärker zu sanktionieren, um den Gläubigerschutz zu verstärken. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich bei der Haftung von Geschäftsführern wegen Insolvenzverschleppung.